c't 20/2020
S. 70
Titel
Videokonferenzen: Software
Bild: Andreas Martini

Virtuelle Kaffeekränzchen

Tipps und Infos zu Videokonferenzprogrammen

Die Corona-Krise treibt die Entwicklung von Videokonferenzsystemen rasant voran. Im Wochentakt erscheinen Updates mit neuen Annehmlichkeiten. Aber wie ist es um Sicherheit und Datenschutz bestellt?

Von Kim Sartorius

Lassen Sie uns eine Runde Bingo spielen. Bei jedem Satz, den Sie in Videokonferenzen schon mal gehört haben, machen Sie in Gedanken ein Kreuz. Ab fünf Kreuzen rufen Sie Bingo. Los gehts: „Hört ihr mich?“, „Du musst Dein Mikro einschalten!“, „Ich kann meinen Bildschirm nicht freigeben!“, „Ist das eine Ziege?“, „Wo ist denn die Kamera?“, „Deine Kamera ist noch an!“, „Meine Verbindung ist heute eine Katastrophe!“. Alternativ eignet sich das Ganze auch als Trinkspiel bei einem Feierabendgetränk per Videokonferenz.

Wenn Sie in den vergangenen Monaten im Homeoffice per Videokonferenzprogramm kommuniziert haben, kommen Ihnen diese oder ähnliche Sätze wahrscheinlich bekannt vor. Auch in virtuelle Spieleabende, Vereinssitzungen oder ­Familientreffen haben Videochat-Tools längst Einzug gehalten. Diese dauern mitunter mehrere Stunden, in denen die Konferierenden sich wenig bewegen und fürs nächste Meeting nicht einmal mehr den Raum verlassen. Trotzdem fühlen sich viele nach einem mehrstündigen Videocall völlig ausgelaugt und müde. Für dieses Empfinden gibt es mittlerweile einen Begriff, die sogenannte Zoom-Fatigue. Der Name setzt sich aus dem bekannten Videokonferenzdienst Zoom und dem französischen Wort für Müdigkeit zusammen.

Ein Grund für die Zoom-Fatigue ist, dass man ständig beobachtet wird und sich dessen bewusst ist. Während es im nicht-­virtuellen Konferenzraum weniger auffällt, wenn die Kollegen nebenbei Mails abrufen oder Mandalas ausmalen, sticht Unaufmerksamkeit beim Videocall stärker hervor, da alle Anwesenden sich ständig gegenseitig und selbst beobachten. Außerhalb von Videokonferenzen sind Menschen es aber nicht gewohnt, die eigene Mimik und Gestik während eines Gesprächs permanent gespiegelt zu bekommen. Der Verhaltensforscher Gianpiero Petriglieri sagte gegenüber der britischen BBC, Videochats seien „wie fernzusehen und der Fernseher schaut zurück“. Zudem falle es Menschen in Videochats schwerer „nonverbale Hinweise wie Mimik, Stimmlage und Körpersprache zu lesen“. Darauf stärker achten zu müssen verbrauche eine Menge Energie.

Von den dutzenden Videokonferenzprogrammen auf dem Markt haben wir uns zehn genauer angesehen. Jedes von ihnen bietet Spezialfunktionen: Manche wie Zoom, BigBlueButton und Cisco Webex können große Konferenzen in mehrere Kleingruppen aufteilen und erlauben die gemeinsame Arbeit an einem virtuellen Whiteboard. Nach dem Ende des Privacy-­Shield-Abkommens ist zudem der Datenschutz in den Fokus gerückt: Anbieter wie NextCloudTalk und Stackfield werben mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und in Deutschland gehosteten Servern. Doch halten sie auch beim Komfort mit den ­Großen aus dem Silicon Valley mit?

Gratis oder Miete?

Selbst wenn Sie in Ihrer Firma regelmäßig mit derselben Konferenzsoftware arbeiten, kommen sie bei Meetings mit anderen Unternehmen nicht umhin, auf andere Konferenzprogramme auszuweichen. Einladungs-Links können sie aus allen Programmen heraus per Mail verschicken und in der App oder im Browser öffnen. Die wenigsten Kompatibilitätsprobleme macht dabei Google Chrome.

Als Client-Apps halten Videokonferenzprogramme Sie über neue Funktionen auf dem Laufenden, die nahezu wöchentlich erscheinen. Wenn sie eine App statt den Browser benutzen, müssen Sie sich nicht jedes Mal anmelden und sind über Ihren Account zuweilen auch für spontane Anrufe erreichbar.

BigBlueButton, Skype und Meet.jit.si (Jitsi) stehen kostenlos zur Verfügung. Bei Zoom, Google Meet und Teams gibt es ­jeweils eine kostenlose Variante des Programms, in der einige Funktionen aus der Bezahlversion fehlen. Zoom beschränkt etwa die Teilnehmerzahl in der Gratisversion auf maximal 100 Personen und setzt ein Zeitlimit von 40 Minuten pro Anruf. In der Bezahlversion sind bis zu 1000 Teilnehmer ohne Zeitlimit möglich. Zu den Videokonferenzprogrammen, die nicht kostenlos zur Verfügung stehen, gehören Cisco Webex, GoToMeeting, Nextcloud Talk und Stackfield. Diese Programme bieten jeweils verschiedene Abomodelle für Standard- oder Businessanwendungen an. Nextcloud Talk empfiehlt Unternehmen etwa eine kostenpflichtige Lizenzierung, mit der mehr Personen am Meeting teilnehmen können.

Linux-Treffen

Wenn Sie an Konferenzen nicht unter Windows oder macOS, sondern unter Linux teilnehmen möchten, müssen Sie bei einigen Programmen Einschränkungen in Kauf nehmen. Stackfield, Nextcloud Talk, GoToMeeting, Skype, Zoom, Webex und Teams bieten eigene Clients für Linux an. Microsoft Teams hinkt beim Funktionsumfang jedoch den anderen hinterher. Einzelne Funktionen wie das Handheben ließen sich mit dem auf Chromium basierenden Multimessaging-Browser Ferdi unter Linux aktivieren.

Darüber hinaus können Sie Konferenzprogramme wie BigBlueButton, Jitsi und Nextcloud Talk problemlos im Browser starten. Sie laufen auf dem Betriebssystem mit dem Pinguin genauso so gut wie auf anderen Plattformen.

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