c't 20/2020
S. 180
FAQ
Selbstvermessung

FAQ

Sport- und Fitness­daten von Wearables

Viele Menschen sammeln Fitness- und Körperdaten mithilfe von Sportuhren und Fitnesstrackern. Die Hersteller bringen dabei immer mehr Messgrößen ins Spiel. Die Daten sind aber mit Vorsicht zu interpretieren.

Von Michael Link

VO2max, SpO2 und HRV

Welche Aussagekraft haben die Werte für VO2max, SpO2 und HRV?

Der VO2max-Wert besagt, wie viel Sauerstoff das Blut maximal aufnehmen und zu den Muskeln transportieren kann. Bei Sportuhren wird er als relativer VO2max in Milliliter pro Kilogramm pro Minute angegeben. Ein hoher VO2max ist einer von vielen Hinweisen auf eine gute kardiorespiratorische Fitness. Normalerweise ermitteln Ärzte den Wert per Atemgasanalyse mit dem Spiroergometrie-Verfahren, bei dem sich Probanden mit einer Atemmaske auf einem Laufband oder einem Ergometer betätigen. Wearables schätzen den VO2max zu rund 95 Prozent genau mithilfe einer optischen Messung. Sie nutzen dabei aus, dass sauerstoffreiches Blut heller gefärbt ist als sauerstoffarmes.

Die Herzfrequenzvariabilität (Heart Rate Variability, HRV) beschreibt, wie sehr die Zeitspannen zwischen den Herzschlägen variieren. Je mehr, desto besser. Die HRV erhöht sich bei entspannenden Aktivitäten und verringert sich bei Stress. Zur Messung zeichnen Wearables die sogenannten R-Spitzen der Herzfrequenz millisekundengenau auf.

Die Sauerstoffsättigung im Blut (SpO2 genannt) soll Aufschluss darüber geben, wie effizient ein Proband atmet, also Sauerstoff im Blut löst. Anders als der VO2max-Wert beschreibt der SpO2 also einen Momentanwert, der optisch mithilfe der sogenannten Pulsoximetrie bestimmt wird. Werte unter 90 Prozent gelten dabei als mögliches Alarmsignal. Ein Absinken der SpO2-Werte nachts kann auf eine Schlafapnoe hindeuten. Tagsüber erübrigt sich die Messung in der Regel, denn ein zu niedriger SpO2-Wert macht sich durch Luftnot unmittelbar ­bemerkbar.

Höhenmesser spinnt

Ein Vergleich zwischen den optisch ermittelten Pulswerten eines Fitbit Charge 2 und einem EKG-Gerät erbrachte nur geringe Abweichungen bis zu sechs Prozent.

Bei mir stimmt der Höhenmesser nicht. Die Werte liegen daneben, obwohl ich die Höhe kalibriert habe. Sollte ich lieber der Höhenmessung nach GPS vertrauen?

Auch die Höhenmessung nach GPS kann erhebliche Fehler produzieren. Wenn man das Verfahren der Höhenmessung kennt, kann man auch damit sehr gut arbeiten. Höhenmessung in Wearables funktioniert in der Regel über eine Druckdose, welche den Umgebungsluftdruck misst. Je weiter man aufsteigt, umso weniger groß ist die Luftmasse, die auf dem Träger lastet, was sich durch einen sinkenden Luftdruckwert bemerkbar macht. Auch der Temperaturgradient und weitere Größen, etwa die Luftfeuchte, haben Einfluss auf das Messergebnis, was aber bei Smartphones und Wearables meist vernachlässigt wird. Diese schließen mithilfe der barometrischen Höhenformel direkt vom Druck auf die Höhe gegenüber einem bestimmten Bezugspunkt. Seit 1993 nutzt man in Deutschland das Normalhöhennull (NHN).

Für die Praxis bedeutet das: Für eine korrekte Höhenangabe muss man das Gerät zuerst kalibrieren, ihm also eine Vergleichshöhe beibringen. Dazu stellt man den ­Höhenwert (oder den Luftdruckwert) im ­Wearable auf den am Standort ein. Höhenwerte kann man beispielsweise auf der Website www.wie-hoch-bin-ich.de finden, ein Barometer vor Ort liefert den Luftdruck.

Ein Höhenmesser kann nicht unterscheiden, ob ein sinkender Luftdruck durch einen Aufstieg in größere Höhen bedingt ist oder ob das Barometer wegen eines heranziehenden Tiefdruckgebietes fällt. Abhilfe bietet dann nur ein Kalibrieren in kürzeren Abständen, zum Beispiel mithilfe Höhenlinien oder markanter Punkte auf einer topografischen Karte. Viele neuere Wearables ermöglichen auch das Kalibrieren mithilfe eines hochgenauen Höhenmodells (DHM) der Erde. Darin ist jeder Position eine bestimmte Höhe zugeordnet. Nötig ist also nur eine recht genaue Position, am besten auf einer größeren ebenen Fläche. Diese Methode eignet sich naturgemäß nicht, wenn man mit einem Luftfahrzeug unterwegs ist.

Wie viele Kalorien verbrauche ich wirklich?

Meine Sportuhr zeigt nach einer Radtour stets einen niedrigeren Kalorienverbrauch als Google Fit an. Wer hat recht?

Vermutlich niemand. Kalorienverbrauchsangaben beruhen auf Schätzungen. Für eine genaue Bestimmung braucht man Angaben übers Alter, Geschlecht und Gewicht sowie über die Muskelmasse, die Wärmeisolation durch Kleidung, den Gesundheitszustand, alltägliche und sportliche Aktivitäten und die Maximalpulsmesswerte dafür. So allwissend ist kein Wearable, daher sind alle ungenau. Treffsicherer messen Mediziner den Kalorienverbrauch kalorimetrisch oder per Atemgasanalyse. Weil man dafür ein Mundstück tragen muss, ist das keine Methode für den Alltag. Man muss sich also mit Schätzungen begnügen. 

In der Regel schätzen Wearables den Wert aus der Kombination von Grundumsatz und dem Leistungsumsatz, der bei körperlichen Aktivitäten zusätzlich anfällt. Als Grundumsatz zählt, was auch ohne jegliche Bewegung auf jeden Fall verbraucht wird. Für den Grundumsatz setzen Wear­ables vielfach auf die Näherung, dass Frauen rund 0,9 Kilokalorien, Männer rund 1 Kilokalorie (kcal) pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde umsetzen. Ein 80 Kilo schwerer Mann hat also einen täglichen Grundumsatz von 1920 kcal. Genauere Werte müssten die oben genannten Rahmenbedingungen einbeziehen, manchmal werden die Größe und der Aktivitätsgrad noch berücksichtigt.

Für die Leistungsumsätze gibt es verwirrend viele Tabellen: In einigen werden Grundumsätze mit Werten für die Aktivitäten verrechnet, bei anderen nicht. In vielen sind Werte ohne Rücksicht auf die Geschlechterunterschiede, das Alter oder das Gewicht angegeben. Empfehlenswerter sind Listen, die statt Kalorienwerten metabolische Einheiten (MET) angeben: Eine metabolische Einheit ist das Ergebnis, wenn man den Energieumsatz bei körperlicher Aktivität – also der Grundumsatz plus Leistungsumsatz – durch den Grundumsatz teilt. Wer nichts tut, hat also einen MET von 1,0. Gehen verbraucht zwischen 3 und 4,5 MET, Rasenmähen hat 2 MET. Besagter 80 Kilo schwerer Mann, der eine Stunde lang den Rasen mäht und sonst den ganzen Tag lang nichts tut, käme also auf 2000 kcal (23 mal 1,0 MET, also 1840 kcal, plus 1 mal 2,0 MET, also 160 kcal).

Diese Unterschiede finden sich auch bei Wearables und auf Portalen: Einige Wearables, beispielsweise die von Polar, geben bei Fitnessaktivitäten nur den Leistungsumsatz an und addieren den Grundumsatz erst als Tagesübersicht. Bei Endomondo beispielsweise fließt der Grundumsatz auch in jede einzelne Aktivität ein. 

Im Fitbit-Dashboard werden Kalorienwerte als Summe von Grund- und Leistungsumsatz dargestellt.

Alternativen zur Cloud

Als neulich Garmin von einem Ausfall seiner Cloud betroffen war, fragte ich mich, ob man die Daten meiner Sportuhr auch ohne Cloud verwalten kann. Geht das?

Für Garmin-Geräte können Sie das immer noch funktionierende kostenlose Garmin Trainingcenter benutzen. Es legt Daten lokal auf Ihrem Computer ab. In der von uns gefundenen Version 3.6.5 lief es tadellos auf Windows 10.

Eine auf Open Source fußende Lösung ist das kostenlose GoldenCheetah, das es für Windows, macOS und Linux gibt. Es lädt eine Vielzahl von Dateiformaten, etwa .fit, .slf, .tcx, .hrm sowie CSV-­Dateien und speichert lokal oder auf Clouds.

Antfs-cli wiederum ist ein Linux-Kommandozeilentool in Python. Es synchronisiert mithilfe eines ANT+Funk-Sticks verbundene Forerunner-Uhren mit dem Datenbestand auf dem lokalen Computer und speichert FIT-Dateien.

Schlafanalyse notorisch ungenau

Die Schlafauswertung meiner Smartwatch hat gefühlt nichts damit zu tun, wie ich meine Schlafqualität beurteile. Wie kommt das?

Kein einziges Wearable ist dazu in der Lage, die Schlafqualität so zu bestimmen wie im Schlaflabor. Dazu müsste man die Gehirnströme messen. Handelsübliche Tracker zeichnen in der Regel nur die Bewegung im Schlaf auf, allenfalls noch die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung und nutzen diese Werte als Ersatzindikator für Schlafzyklen mit bis zu fünf Schlaf­phasen: die Einschlafphase, den leichten Schlaf, zwei Tiefschlafphasen sowie den Traumschlaf (auch: REM-Schlaf). Diese Phasen kann man aber tatsächlich nur über ihre Gehirnströme auseinanderhalten, womit Wearables zwar die Schlafdauer einigermaßen schätzen können, aber keine valide Aussage zur Schlafqualität liefern.

Aktivität vs. Schritte

Was ist wichtiger: das Schrittziel einhalten oder lieber mehr Aktivitäts­minuten sammeln?

Die ersten Fitnesstracker nahmen die Zahl der Schritte als Maß der Dinge für die körperliche Aktivität. Positive Effekte haben aber auch Bewegungsarten, für die ein Tracker keine Schrittzahl messen kann, zum Beispiel das Radfahren. Die Weltgesundheitsorganisation schlägt als Aktivitätsziel pro Woche 150 Minuten mäßiger Bewegung vor. Bei der WHO-Zählung werden Minuten mit intensiver Sporteinheiten doppelt gezählt. (mil@ct.de)

Kommentieren