c't 20/2020
S. 136
Wissen
Spionagetechnik
Bild: Thorsten Hübner

Glühbirne hört mit

Lauschangriff mit optischem Teleskop

Selbst schalldichte Fenster schützen nicht vor neugierigen Mithörern. ­Forscher haben feinste Licht­schwankungen einer Bürolampe von außen aufgenommen und in Sprache zurückübersetzt.

Von Arne Grävemeyer

Der Vorsitzende im kargen Besprechungsraum ermahnt die Anwesenden: „Nichts von dem heute Gesagten darf diesen Raum verlassen.“ Er hat noch gar nicht wieder Luft geholt, da hat das Leuchtmittel in der Hängelampe seine Worte bereits in Licht kodiert und durchs Fenster sichtbar ausgestrahlt. Und diese Lampe ist nichts Außergewöhnliches: Sie beherbergt beispielsweise eine herkömmliche LED-Leuchte mit E27-Gewinde und zwölf Watt Leistung.

Viele indirekte Abhörtechniken sind in den vergangenen Jahren bekannt geworden. Sie nutzen manipulierte Geräte im Raum oder sie arbeiten mit Lasermikrofonen oder mit hochauflösenden Kameras. Forscher an der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel haben in diesem Jahr eine Technik demonstriert, die Raumschall einfach durch die Beobachtung einer hängenden Deckenlampe im Besprechungsraum mit einem Teleskop von außerhalb aufnimmt. Der weitere technische Aufwand und auch die erforderliche Rechnerleistung sind gering.

Schallwellen in einem Konferenzraum sind Druck- und Dichteschwankungen der Luft. Sie wirken nicht nur auf die Trommelfelle der Anwesenden oder auf Mikrofone ein, sondern auf vielerlei Objekte. Beispielsweise versetzen Schallwellen die unterschiedlichsten Membranen in Vibrationen, etwa die Folie einer Chipstüte, oder sie erzeugen Wellen in einem Glas Wasser. Solche Vibrationen lassen sich beobachten und in Schallwellen zurückübersetzen. Ähnlich wirken sich Schallwellen auf Lautsprechermembranen aus, das ist keine Überraschung. Weniger offensichtlich ist, dass Bewegungssensoren etwa in Smartphones schon auf Schallwellen reagieren. Ein manipuliertes Handy kann bei abgeschaltetem Mikrofon immer noch diese Schwingungen aufzeichnen, um daraus später eine Besprechung zu rekonstruieren. Sogar die feine Mechanik einer Festplatte reagiert auf Schall und hat dadurch bereits Forschern als Abhörinstrument gedient (siehe Seite 136).

Lamphone ist ein passives Verfahren

Viele dieser Möglichkeiten erfordern vom Abhörer zunächst, manipulierte Geräte in Hörweite zu platzieren. Ein Lasermikrofon kommt zwar ohne Eingriffe im Raum aus, der Angreifer muss aber aktiv einen Laserstrahl von außen auf eine geeignete Membran richten. Mit optischen Sensoren lassen sich solche Laserstrahlen und deren Reflexionen aber erkennen, um dann den Abhörversuch zu unterbinden.

Von einer Fußgänger­brücke aus nahmen die Forscher die ­Deckenleuchte eines Büros im dritten Stock ins Visier. Aus 25 Meter Entfernung konnten sie damit Gesprächsinhalte belauschen.
Bild: Ben-Gurion-Universität

Die meisten der angesprochenen Abhörtechniken zeichnen Vibrationen auf, die sich in einem zweiten Schritt später mit hoher Rechenleistung wieder in akustische Signale zurückübersetzen lassen. Das jetzt verwirklichte Verfahren einer Gruppe um den Informatiker Ben Nassi ist dagegen passiv, funktioniert auf Entfernung von außerhalb des Besprechungsraums und liefert Ergebnisse in Echtzeit.

Ihre Deckenlampen-Technik nennen die Forscher Lamphone. Ihre Idee: Auftreffende Schallwellen versetzen das Leuchtmittel einer frei schwingenden Hängelampe in Vibrationen. Im Labor statteten die Wissenschaftler eine solche Lampe mit einem Gyroskop aus und maßen bei verschiedenen Lautstärken und Tonfrequenzen Schwingungen um wenige Milligrad, was für die hängende Leuchte im Versuchsaufbau Wegstrecken zwischen 300 und 950 Mikrometer bedeutete.

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