c't 11/2020
S. 80
Test & Beratung
E-Bike

Der fliegende ­Holländer

Smartes E-Bike VanMoof S3 mit integriertem Diebstahlschutz

Während die meisten E-Bikes klobige Rahmen oder angeflanscht wirkende Akkus haben, kommt das VanMoof S3 direkt vom Designbrett: Klare, minimalistische Linien, smarte Funktionen, selbst die Klingel wegdesignt. Mehr überrascht haben uns aber die technischen Änderungen und die neue Preisgestaltung.

Von Stefan Porteck

Die holländische Fahrradschmiede VanMoof hat ihre dritte E-Bike-Ge­ne­ration vorgestellt.

Zu den Features gehören smarte Funktionen, wie die Lichtsteuerung, das eingebaute Schloss, das ins Oberrohr integrierte Matrix-Display mit 166 LEDs, der im Unterrohr versteckte Akku (Zellen von LG) und der Nabenmotor am Vorderrad. Optisch gibt sich das Rad auf den ersten Blick nicht als E-Bike zu erkennen. Wir konnten es schon vor dem Verkaufsstart ausgiebig Probe fahren.

Weiterhin ist die zugehörige Smart­phone-­App nötig. Nachdem man sie mit dem Fahrrad verknüpft hat, erlaubt sie die Steuerung der smarten Funktionen: Das Licht lässt sich dauerhaft oder automatisch ein- und ausschalten; die Kraftunterstützung des Motors legt man in vier Stufen fest.

Der Motor hat einen Durchmesser von rund 10 Zentimeter. Die Leistung ist mit einer dauerhaften Abgabe von 250 Watt gleich geblieben. Kurzfristig stehen zum Losfahren oder Überholen 500 Watt zur Verfügung, wenn man dafür den Turbo-Knopf am Lenker gedrückt hält.

Schneller Sprint

Der Turbo hat uns beim Test beeindruckt: Sobald man den Turbo-Knopf drückt, zieht das S3 selbst bei langsamem Tritt brutal an und spurtet so schnell los, wie wir es nur bei wenigen E-Bikes erlebt haben. Hier ist aber auch die Warnung vieler E-Bike-Puristen vor Frontantrieb schon ernst zu nehmen: Auf nasser Straße sowie festen Sand- und Schotterwegen bekommt das Vorderrad beim Turbosprint leichten Schlupf. Passiert das in einer Kurve, dreht es durch und man liegt auf der Nase.

Motorcharakteristik hat VanMoof verbessert. Auf der höchsten Stufe unterstützt der Motor kraftvoll, aber ausgewogen – etwa so, als würde man stets bergab fahren. Auf den kleineren Unterstützungsstufen treibt er gleichmäßig an und nicht in wiederkehrenden Schubwellen wie bei manch anderen E-Bikes. Das Motor­geräusch ist gleichzeitig minimal leiser geworden.

Motor
Rücklicht
Vorderlicht / Bremse

Beim Erreichen der Höchstgeschwindigkeit nimmt der Motor etwa 2 km/h davor langsam Leistung zurück. Das unangenehme Gefühl, gebremst zu werden, wird so vermieden.

Apropos Höchstgeschwindigkeit: In der App lässt sich festlegen, ob das Rad in der EU oder den USA bewegt wird. In der EU-Einstellung schiebt der Motor gemäß der Vorschriften bis 25 km/h. Wer auf USA umstellt, hat die Motorunterstützung bis 32 km/h. Da das in Deutschland nicht erlaubt ist und im Falle eines Unfalls drastische Konsequenzen haben dürfte, sollte man sich aber genau überlegen, ob man das als Mini-Tuning missbraucht.

Mit einer Akkuladung soll das S3 etwa 60 bis 150 Kilometer weit kommen. In der Praxis hängt das unter anderem von der Topografie, der eingestellten Motorleistung und auch davon ab, ob man sich auch mal einige Meter rollen lässt. Insgesamt schien uns die Werksangabe recht realistisch: Wir schafften auf Langstreckenfahrten mit fast durchgängigem Treten im flachen Gelände auf der höchsten Leistungsstufe wiederholt rund 65 Kilometer – obwohl wir bei jedem Anfahren den Turbo nutzten. Mit weniger Motorleistung dürften mehr als hundert Kilometer durchaus möglich sein. 

Der Akku steckt unauffällig im Unterrohr des Rahmens. Er lässt sich vom Besitzer nicht selbst tauschen und somit auch zum Laden nicht entnehmen. Wer keinen Keller und keine Garage mit einer Steckdose besitzt, muss das S3 dafür also mit in die Wohnung oder das Haus nehmen – mit einem Gewicht von 19 Kilogramm keine leichte Übung. Das mitgelieferte Netzteil (42 Volt, 4 Ampere) braucht für eine vollständige Ladung etwa 4 Stunden. Eine IP-Zertifizierung bezüglich Staub- und Wasserfestigkeit hat es nicht, weshalb es wohl keine gute Idee ist, das Rad unbeaufsichtigt unter freiem Himmel an einer Gartensteckdose aufzuladen. 

Kleine Unterschiede

Außer zum Konfigurieren dient das eigene Handy auch als Schlüssel für das integrierte Schloss. Nach dem Abstellen des Rads braucht man mit der Fußspitze nur an einen Druckknopf an der Hinterachse zu tippen, woraufhin ein knapp fingerdicker Sperrbolzen das Rad blockiert. Dieser Bolzen verhindert nicht, dass jemand das Rad wegträgt. Deshalb schalten sich beim Abstellen die Bewegungs- und Erschütterungssensoren scharf. Sobald wir uns am S3 zu schaffen machten, ertönte aus dem eingebauten Lautsprecher ein lauter Alarm, die Lampen blinkten und auf dem Display erschien ein animierter Totenschädel.

Sollte ein Dieb trotzdem die Nerven haben, das lärmende Rad auf einen Anhänger zu verfrachten, stehen die Chancen nicht schlecht, dass man es zurückbekommt: Gegen eine Gebühr von 290 Euro bietet VanMoof für drei Jahre den Service, ein gestohlenes Bike mithilfe des eingebauten GSM-Modems wiederzufinden.

Während des Tests fiel uns auf, dass VanMoof bei einigen Kritikpunkten des Vorgängers nachgebessert hat. So verfügt das S3 weiterhin über Scheibenbremsen, sie werden nun aber nicht mehr mechanisch mittels Bowdenzug, sondern hy­draulisch bewegt. Die Hydraulik sorgt automatisch für einen kurzen und knackigen Bremspunkt im Hebel – unabhängig von der Stärke der Beläge. Die Bremswirkung lag bei unseren Testfahrten etwa auf dem Niveau des Vorgängers.

Das Reservoir des Hydrauliköls integriert VanMoof unauffällig in die beiden Bremsgriffe. Lenker und Vorbau bilden eine Einheit und wirken wie das gesamte Rad minimalistisch und aufgeräumt. Selbst eine mechanische Klingel fehlt und wurde durch einen Knopf ersetzt, der den Lautsprecher des Rads klingeln lässt.

Schalten und walten

Im Antriebsstrang gibt es neben dem Motor eine weitere technische Neuerung: Bislang nutzte VanMoof eine Hinterradnabe von SRAM mit einer integrierten 2-Gang-Automatik, die bei 19 km/h die Übersetzung wechselte. Im S3 steckt nun eine elektronische 4-Gang-­Automatiknabe von Sturmey-Archer.

Diese hat VanMoof sehr gut ins S3 integriert. So zeigt das Display im Oberrohr, welcher Gang gerade eingelegt ist. Der eigentliche Clou ist aber, dass sich in der App des Fahrrads mittels Schiebereglern einstellen lässt, bei welcher Geschwindigkeit jeweils in den nächsthöheren oder kleineren Gang geschaltet werden soll. Auf diese Weise lässt sich das Rad gut an die eigene Kondition, Kraft und bevorzugte Geschwindigkeit anpassen. Einziger Wermutstropfen der Sturmey-Archer-Nabe: Wie alle Nabenschaltungen verträgt sie Gangwechsel unter Last nicht besonders gut. Im beherzten Antritt an Steigungen quittierte sie manche Schaltvorgänge mit einem lauten Knacken. Da man dank des Motors meist nicht so doll in den Pedalen treten muss, hatten wir nach wenigen Kilometern den Dreh raus, das S3 materialschonend zu beschleunigen. Dennoch empfanden wir die neue Nabe aufgrund der vier statt ehedem zwei Gänge besser, da wir das S3 mit und ohne Motor mit wenig Kraftaufwand und angenehmer Trittfrequenz bewegen konnten.

In der App lassen sich unter anderem die Beleuchtung, die Motorstärke und die Schaltpunkte der 4-Gang-­Automatiknabe einstellen. 

Die Nabe ist nach einigen Angaben eines der wenigen Teile, das von Zulieferern stammt und nicht von VanMoof selbst hergestellt wird. Ebenfalls zugekauft ist das Tretlager, das vom chinesischen E-Bike-­Zulieferer Bafang kommt und den Sensor zur Tritt-Erkennung integriert. Nach eigenen Angaben will VanMoof so weit wie möglich auf Zulieferer verzichten, um so flexibler und günstiger zu produ­zieren. Die Rechnung geht offenbar auf: Während das S2 rund 3300 Euro kostete, ruft das Unternehmen für das S3 nur noch knapp 2000 Euro auf.

Das S3 von VanMoof dürfte nicht so stark polarisieren wie seine Vorgänger. Etliche derer Schwächen wurden ausgemerzt, die Leistung des Motors insgesamt leicht verbessert und das Rad ist – zumindest bei der Markteinführung – eine ganze Ecke billiger als das vorherige Modell. In unserem mehrtägigen Test hatten wir mit dem S3 viel Fahrfreude und empfanden es als ein gutes alltagstaugliches Stadtrad. Die Fahrleistungen überzeugten – sind aber mitunter so sportlich, dass man we­gen des Frontantriebs abseits von Asphalt vorsichtig sein muss.

Die enge Verzahnung ans Smartphone und die Accountpflicht dürfte zwar nicht jedem gefallen, aber zumindest nach der Ersteinrichtung lässt sich das Rad auch vollständig über die beiden Knöpfe am Lenker bedienen und via Zahlencode damit auch aufschließen – das Smartphone kann also zu Hause bleiben. Das integrierte Schloss mit Alarmanlage und Ortung im Falle eines Diebstahls sind nette Ideen, wer aber 2000 Euro für ein E-Bike ausgibt, dürfte auch noch weitere 100 Euro für ein mechanisches Bügel- oder Faltschloss zum Anschließen übrig haben.

Fazit

Für 2000 Euro hat das S3 an smarten Funktionen, bei der Motorleistung und in puncto Design mehr zu bieten als viele andere E-Bikes. Sofern einem die Optik gefällt und man Spaß an Gimmicks wie der elektrischen Klingel hat, kann man dem S3 von VanMoof bedenkenlos den Vorzug gegenüber anderen E-Bikes von der Stange geben. (spo@ct.de)

VanMoof Electrified S3
E-Bike
Ausstattung 250-Watt-Motor, 4-Gang-Automatik, Matrix-­LED-Display, hydraulische Scheibenbremsen, elektronische Klingel, mechanisches Schloss mit Alarmanlage, integrierte Beleuchtung
Systemvoraussetzung Smartphone mit Android oder iOS
Preis 2000 €

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