c't 26/2019
S. 30
aktuell
Apple Pay

Apfelbezahlgesetz

Apple soll NFC-Bezahlschnittstelle öffnen

Der Bundestag will Apple und andere Konzerne per Gesetz zwingen, ihre Endgeräte auch für Zahlungsdienste Dritter freizugeben. Was sich einfach anhört, hat allerdings Unwägbarkeiten.

Ist kontaktloses Bezahlen über NFC mit dem iPhone demnächst auch ohne Apple Pay möglich? Der Bundestag hat dazu überraschend ein Gesetz geändert. Bild: Lino Mirgeler / dpa

Von einer „Lex Apple Pay“ ist die Rede: Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag Apple überraschend zur Öffnung seiner NFC-Schnittstelle für externe Zahlungsdienstleister verdonnert. Nach dem Willen der Bundestagsmehrheit müssen die Kalifornier neben Apple Pay in Zukunft auch Apps von Wettbewerbern im Mobile-Payment-Segment auf dem iPhone zulassen. Das gilt speziell für kontaktlose Bezahlverfahren am Kassenterminal. Der Beschluss muss noch den Bundesrat passieren, eine grundsätzliche Zustimmung gilt aber als sicher.

Die neue Vorschrift findet sich in einem kurzfristig im Finanzausschuss eingebrachten Ergänzungsantrag zum Zahlungsdiensteaufsichtgesetz (ZAG), den das Parlament im Paket mit der Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet hat. Der neue Paragraf 58a ZAG verpflichtet „Unternehmen, die durch technische Infrastrukturleistungen zu dem Erbringen von Zahlungsdiensten oder dem Betreiben des E-Geld-Geschäftes im Inland [beitragen]“, allen anfragenden Dienstleistern ihre Infrastrukturleistungen gegen „angemessenes Entgelt“ und unter „angemessenen Zugangsbedingungen“ zu öffnen. Grundsätzlich ausgenommen sind nur Unternehmen, deren Infrastrukturleistungen weniger als zehn Zahlungsdienstleister nutzen oder die weniger als zwei Millionen Nutzer haben.

Die Ergänzung des ZAG zielt in der Gesetzesbegründung erkennbar in Richtung großer Technologiekonzerne. Mehrere Abgeordnete erwähnten in der Bundestagsdebatte ausdrücklich Apple und pochten auf mehr Wettbewerb. Der Paragraf 58a hatte im Ausschuss auch die Zustimmung der Oppositionsfraktionen von FDP, Linken und Grünen gefunden.

Der Streit um die NFC-Schnittstelle der iPhones schwelt bereits seit längerem. Kritik an Apple kommt unter anderem aus der Kreditwirtschaft, die wie die Politik Wettbewerbsaspekte geltend macht. Noch kurz vor der Einführung von Apple Pay in Deutschland im Dezember 2018 hatten etwa der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken darauf bestanden, dass Apple die NFC-Schnittstelle des iPhones auch für deren bankeneigene Bezahl-Apps öffnet. Apple hielt dem entgegen, dass eine Öffnung die Sicherheit seiner Geräte kompromittieren würde. Die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken verhandeln seit dem Frühjahr 2019 dennoch mit Apple über eine Anbindung an Apple Pay; der Marktstart soll in naher Zukunft erfolgen.

Die Bundesregierung hatte Apples Schnittstellenpolitik im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht schon länger kritisch beäugt. Überraschend war nun vor allem die kurzfristige Umsetzung durch den Finanzausschuss in einem ganz anderen Kontext. Apples rasch eingeleitete, massive Lobbyarbeit, bei der auch US-Botschafter Richard Grenell im Kanzleramt interveniert haben soll, konnte den Bundestagsbeschluss nicht mehr verhindern.

Das letzte Wort?

Apple bleiben neben der Lobbyarbeit im Bundesrat noch juristische Wege. Der Konzern pocht in seinen Statements unter anderem auf die Eigentumsfreiheit – einschließlich geistigen Eigentums – sowie die Vertragsfreiheit. Daneben macht der Konzern die Themen Nutzerfreundlichkeit, Datenschutz und Datensicherheit geltend. Beim letzteren Punkt könnte auch der Paragraf 58a selbst eine Rolle spielen: Apple käme um eine Öffnung herum, wenn es „sachlich gerechtfertigte Gründen“ gebe. Dazu gehören insbesondere eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Integrität der technischen Infrastrukturleistungen.

Die Anwältin Susanne Grohé weist im Blog „PayTechLaw“ außerdem darauf hin, dass die Begriffsdefinitionen der „technischen Infrastrukturleistungen“ und „Systemunternehmen“ Interpretationsspielraum böten, auch über Apple und amerikanische Technologiekonzerne hinaus. Auch eine Kollision mit europäischem Recht hält sie für möglich. Kritik kam außerdem vom IT-Branchenverband Bitkom, der weniger das Ziel, sondern vor allem das hohe Tempo und den europäischen Sonderweg der Gesetzgebung monierte. Demgegenüber hatte die damalige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf dem Web Summit Anfang November in Lissabon bereits geäußert, dass die Kommission aus „Wettbewerbsgründen“ Anlass zur Sorge gegenüber Apple Pay sehe.

Auf jeden Fall bietet der neue Paragraf 58a ZAG nun eine Chance, sowohl europapolitisch als auch juristisch die Frage zu klären, ob Apple seinen NFC-Chip für Finanzdienstleister öffnen muss – und ob Apples Sicherheitsargument stichhaltig ist. Wirtschaftlich dürfte Apple der Paragraf vorerst nicht stören, dafür sind das Unternehmen und der Vorsprung von Apple Pay zu groß. Für Apple-Pay-Nutzer hat die Gesetzesänderung ebenfalls keine Auswirkungen: Das Gesetz sieht für den Dienst keinerlei Einschränkungen vor. (mon@ct.de)