c't 12/2019
S. 88
Test
Linux-Distribution Fedora 30
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Vorneweg

Linux-Distribution Fedora 30 mit noch mehr Desktop-Umgebungen

Fedora bootet jetzt ähnlich elegant wie macOS. Der Standard-Desktop, der Paketmanager und der IPC-Dienst versprechen, schneller zu arbeiten. Eine neue, mit Images statt Paketen arbeitende Variante reift, wurde aber noch nicht zur Hauptausgabe der Distributions-Familie.

Fedora gilt als aktuelle und umfangreich ausgestattete Linux-Distribution, die trotz neuester Techniken und moderater Update-Strategie eine robuste Arbeitsumgebung bietet. An diesem Ruf feilt auch die neue Version wieder – unter anderem mit einem Schwung von Performance-Verbesserungen und einem abermals schickeren Boot-Prozess. Der ist allerlei Feinschliff am bei Fedora 29 eingeführten „Flicker Free Boot“ zu verdanken. Durch ihn starten Systeme mit moderner Intel-Grafik jetzt ähnlich elegant wie macOS oder Windows: Schon das UEFI-BIOS stellt die zum Monitor passende Auflösung und Bildwiederholrate ein, um damit ein Hersteller-Logo zu zeigen; wenn die Linux-Distribution zu starten beginnt, gesellen sich im unteren Bilddrittel ganz dezent ein Fedora-Logo und eine Fortschrittsanzeige dazu; wenig später erfolgt ein fließender Übergang zum grafischen Anmeldemanager, ohne dass das Bild zwischenzeitlich schwarz wird oder flackert. Einige alte Linux-Hasen halten sowas für überflüssigen und kontraproduktiven Schnickschnack, den sie sofort deaktivieren, um Grub und Startmeldungen zu sehen. Für manche Nutzer wird Linux aber nur attraktiv, wenn es auch schön aussieht; daher wundert es nicht sonderlich, dass andere Distributionen schon darauf schielen, das Verfahren zu übernehmen.

Das gilt auch für eine andere Neuerung: Fedora verwendet zur Interprozess-Kommunikation (Inter-Process Communication/IPC) via D-Bus jetzt nicht mehr die Referenzimplementierung Dbus, sondern den Dbus-Broker. Dieser Dienst entstand im Umfeld der aufgegebenen Kernel-D-Bus-Implementierung Kdbus, als dessen Entwickler feststellten, dass sie viele der erhofften Performance-Vorteile auch ohne einen IPC-Dienst im Kernel erreichen können. Zugleich soll der Dbus-Broker noch eine ganze Reihe von Problemen aus der Welt schaffen, welche tief in der bislang unangefochten dominierenden Referenzimplementierung stecken.

Hauptausgabe

Eine von drei Hauptvarianten und Aushängeschild der Familie von Fedora-Distributionen ist und bleibt die Workstation Edition, die sich um den Gnome-Desktop dreht. Sie verwendet jetzt das im März veröffentlichte Gnome 3.32, das zahlreiche Performance-Optimierungen, eine Rechteverwaltung für Apps und ein frischeres Erscheinungsbild mit neuen Icons gebracht hat. Außerdem gab es Verbesserungen, um die gesamte Bedienoberfläche mit „krummen“ Faktoren wie 1,5 oder 1,66 zu vergrößern. Das ist für HiDPI-Monitore wichtig, wo eine Skalierung um Faktor 2 übers Ziel hinausschießt. Bei Fedora funktionieren krumme Faktoren allerdings nur, wenn Gnome im standardmäßig verwendeten Wayland-Modus läuft; beim jüngst vorgestellten Ubuntu Desktop 19.04 gelingt es auch im X11-Modus. Bei beiden gilt die Funktion aber als experimentell, daher muss man sie explizit aktivieren:

gsettings set org.gnome.mutter :

.experimental-features :

."['scale-monitor-framebuffer']"

Neben der Workstation Edition gibt es von Fedora sieben „Spins“, die außer Installation auch den Live-Betrieb erlauben, statt Gnome aber die Bedienoberflächen Cinnamon, LXDE, LXQt, KDE Plasma, Mate oder Xfce nutzen. Die sind auf einem recht aktuellen Stand, daher liegt nun etwa LXQt 0.14 bei. Alle Distributionsvarianten greifen auf dieselben Paket-Repositories zu, über die man jetzt noch zwei weitere Bedienoberflächen erhält: Den von Elementary OS bekannten Pantheon-Desktop sowie das Deepin Desktop Environment der chinesischen Linux-Distribution Deepin.

Fedora bringt jetzt den von Elementary OS bekannten Pantheon-Desktop mit. Auch die Oberfläche von Deepin ist nun dabei.

Im Rahmen der „Labs“, die für bestimmte Einsatzzwecke optimierte Software-Ausstattungen mitbringen, gibt es jetzt auch wieder das „Security Lab“: eine Fedora-Variante, die Werkzeuge für Security Auditing, forensische Untersuchungen und Penetration Testing mitbringt. Noch unfertig und daher nur als Vorabversion erhältlich ist auch die neue „Internet of Things (IoT) Edition“, die es mit Ubuntu Core aufnehmen soll.

Die zweite Hauptvariante von Fedora ist die Server Edition. Sie bringt jetzt „Linux System Roles“ mit, bei denen es sich um einige Rollen und Module für das Orchestrierungswerkzeug Ansible handelt. Sie sollen Admins typische Konfigurationsaufgaben erleichtern, etwa bei der Netzwerkkonfiguration.

Zur Server Edition gehören jetzt auch Images für den Einsatz in Clouds, die bislang zur dritten Hauptvariante gehörten, der Atomic Edition. Sie wurde fallengelassen, um Platz für Fedora CoreOS zu machen: Ein voll auf den Betrieb von Containern ausgelegtes Betriebssystem, das grob für Juni geplant ist und Techniken von Atomic Host und Container Linux vereint; Letzteres war eines der Flaggschiffe der Firma CoreOS, die Red Hat im vergangenen Jahr übernommen hat. Genau wie bei den beiden Vorläufern erfolgen Installation und Updates bei der neuen Fedora-Variante mit einem Image-artigen Verfahren, das Rollbacks ermöglicht: Wenn nach einem Update etwas nicht mehr geht, kann man durch Neustart in Sekundenschnelle zum bisher genutzten Betriebssystemstand zurückkehren.

Zurückgestellt wurden vage Überlegungen, die bisherige Form der Fedora Workstation zu einer normalen Edition zurückzustufen und durch das junge, aber merklich gereifte Fedora Silverblue zu ersetzen. Bei dieser Distributionsvariante erfolgen Installation und Update nicht über hunderte Pakete, wie es bei Linux-Distributionen für PCs üblich ist, sondern über ein Image-artiges Verfahren; dieser mit Rpm-Ostree arbeitende Ansatz ähnelt daher den bei Android, Atomic Host, ChromeOS, CoreOS verwendeten Prozessen. Der große Vorteil: die erwähnten Rollbacks bei einem Desktop-Betriebssystem. Das Ganze hat aber auch einige Nachteile, weil die Betriebssystemumgebung schreibgeschützt eingehängt wird. Zielgruppe sind daher eher Anwender, die eine Linux-Distribution weitgehend so nutzen, wie sie nach der Installation daherkommt.

Unter der Haube

Der Kernel basiert auf Linux 5.0; er soll Ende Mai einen Sprung auf Linux 5.1 machen, das wenige Tage nach Fedora 30 erschienen ist. Ungefähr zehn Wochen danach sollte 5.2 folgen, das derzeit entwickelt wird – solche Wechsel sind bei Fedora normal. Ähnlich geht Fedora auch bei den standardmäßig installierten 3D- und Video-Treibern vor, die vorerst Mesa 19.0 stellt. Durch die Kombination dieser aktuellen Linux- und Mesa-Versionen unterstützt Fedora aktuelle und in den nächsten Monaten erwartete Hardware besser als Ubuntu LTS oder Linux Mint; außerdem entlockt es aktuellen Grafikprozessoren von AMD und Intel oft auch mehr 3D-Leistung.

Ein im Wayland-Modus laufendes Gnome soll laut Entwicklern jetzt alles bieten, um mit Nvidias proprietärem Grafiktreiber adäquat und performant zu laufen. Das erfordert allerdings eine neue Treibergeneration, die Nvidia wohl erst zum Herbst veröffentlichen will. Eine aktuelle Version des Treibers fehlt Fedora wie gewohnt, denn ähnlich wie Debian beschränkt sich das Fedora-Projekt bewusst auf FLOSS (Free/Libre & Open-Source Software). Der Treiber oder Anwendungen wie Slack, Steam oder Spotify lassen sich aber leicht via RPM Fusion oder Flathub nachinstallieren.

Standard-Kommandozeilen-Shell ist jetzt die Bash 5.0. Beim Aufruf von gpg wird nicht mehr die Legacy-Version des GNU Privacy Guard aktiv, sondern ein aktuelles Gnupg der 2.2-Serie. Die nahezu parallel zum neuen Fedora erschienene GCC 9 stellt den Standard-C-Compiler.

Grub konfiguriert die im Bootmenü angezeigten Kernel-Versionen jetzt ad hoc aus Boot-Loader-Spec-Dateien, die in /boot/loader/entries liegen. Wenn andere Distributionen dieses Konzept aufgreifen, kann es langfristig einige der seit Langem schwelenden Probleme bei der Parallelinstallation mehrerer Linux-Distributionen beseitigen.

Die Systemaktualisierung erfolgt etwas schneller und lädt weniger Daten herunter, da Fedora die Metadaten der Update-Repositories jetzt mit dem noch jungen Delta-Kompressionsformat Zchunk packt.

Fazit

Tabelle
Tabelle: Fedora 30

Wie so häufig bei im Halbjahrestakt erscheinenden Linux-Distributionen bringt das neue Fedora nur wenige Aufsehen erregende Neuerungen; durch die vielen kleinen und mittelgroßen Verbesserungen macht es aber wieder einen signifikanten Schritt nach vorn. Durch solche ist Fedora dieser Tage auch leichter zu handhaben als vor einigen Jahren. Neueinsteiger sind mit Ubuntu oder Mint zwar trotzdem noch besser bedient. Wer mit den zwei Distributionen aber unglücklich ist, findet in Fedora mittlerweile eine Alternative, die nicht so viel abverlangt wie Debian oder Arch Linux; bei letzterem bekommt man neue Programmversionen zwar noch schneller, dafür erhält Fedora ein wenig mehr Feinschliff. (thl@ct.de)