c't 7/2018
S. 48
Test
High-End-Smartphone
Aufmacherbild

Superaugen

Die Android-Smartphones Samsung Galaxy S9 und S9+ im Test

Samsung hat bei seinen Spitzenmodellen Galaxy S9 und S9+ vor allem die Kamera, den Prozessor und die Lautsprecher verbessert – und den Fingerabdruckscanner sinnvoller positioniert. Trotz Details wie einer verstellbaren Kamerablende ist der Vorsprung gegenüber den Vorgängern S8 und S8+ gering.

Von vorne sind die beiden High-End-Smartphones nicht von den Vorgängern zu unterscheiden: Es bleibt beim an den Rändern nach hinten geschwungenen Display und dem dünnen Rahmen. Ein Home-Knopf findet keinen Platz, der Fingerabdruckscanner liegt daher an der weiter aus Kunststoff bestehenden Rückseite, nun aber unter statt neben der Kamera. Dadurch ist er gerade beim größeren S9+ besser zu erreichen.

Die Hauptkamera bekommt als Besonderheit eine verstellbare Blendenöffnung: f/1,5 für Aufnahmen im Dunkeln und Unschärfeeffekte, f/2,4 für mehr Schärfentiefe – bisher haben Smartphones eine feste Blende, aktuelle High-End-Modelle um f/1,8.

Samsung realisiert die Blende mit einem Plastikring aus zwei Elementen. Man wählt die Blende im Pro-Modus der Kamera-App manuell oder überlässt das der Automatik; die schaltet bei wenig Licht auf f/1,5. Im Test haben wir bei f/2,4 einen kleinen Schärfezuwachs gesehen, aber besonders deutlich ist der Unterschied bei nur anderthalb Blendenstufen erwartungsgemäß nicht.

Insgesamt liefert die Kamera Spitzenfotos mit hoher Schärfe und wenig Rauschen, allerdings manchmal mit recht warmem Weißabgleich. Bei schlechtem Licht bleiben die Fotos hervorragend, wenn auch etwas hell belichtet, was Lichter schnell überstrahlt und Kontrast kostet. Vergleichsfotos mit dem Pixel 2 XL, Galaxy S7, Note 8 und iPhone X finden Sie über ct.de/yzx1.

Die zusätzliche Telekamera des S9+ mit zweifacher Vergrößerung liefert ebenfalls scharfe Fotos. Die Blende steht hier fest auf f/2,4. Das Tele bleibt auch bei wenig Licht (etwa 80 Lux) noch aktiv, bei 5 Lux schaltet die Automatik dann auf einen Digitalzoom des Primärsensors – wie auch die anderen Smartphones mit Telesensor. Im Pro-Modus bekommt man keinen Zugriff auf das Tele, sondern erhält nur Fotos der Primärkamera. Auch in Raw-Dateien landen daher keine Daten des Telesensors. Zusätzlich bekommt das S9+ einen Porträtmodus mit künstlichem Bokeh, bei dem die Fotos aus einem scharfen Bild des Primärsensors und einem unscharfen des Telesensors verrechnet werden. Die Kantenerkennung funktioniert dabei ziemlich gut.

Die Zeitlupenfunktion nimmt 960 Bilder pro Sekunde auf. Weil das nur etwa 0,2 Sekunden lang klappt (und selbst dabei auf HD-Videos beschränkt ist), muss man die Zeitlupe nicht manuell starten. Stattdessen legt die Aufzeichnung los, wenn das Handy eine Bewegung in einem angezeigten Bereich erkennt – mit etwas Übung eine praktikable Lösung.

Prozessor und Laufzeiten

Der Exynos 9810 erweist sich wenig überraschend als einer der schnellsten Prozessoren. Er hängt den hauseigenen Vorgänger Exynos 8895 im Note 8 und S8 um 5 bis 85 Prozent ab. Gegen den in vielen High-End-Smartphones eingesetzten Snapdragon 835 sieht es bei Rechen-Benchmarks ähnlich aus; bei 3D-Benchmarks fällt er um bis zu 5 Prozent zurück. Hinter dem Apple A11 im iPhone X bleibt er deutlicher zurück. Schon die bisherigen Spitzenmodelle fühlen sich blitzschnell an, und auch beim S9/S9+ gibt es keine Ruckler, keine Wartezeiten und offenbar Leistungsreserven satt.

Der Laufzeit schadet der neue Prozessor nicht; S9 und S9+ laufen trotz gleicher Akkukapazität sogar etwas länger als die Vorgänger und liegen damit im absoluten Spitzenbereich. Sie laden per Qi drahtlos oder per USB-C-Kabel. Am mitgelieferten Netzteil hat das S9 nach 30 Minuten fast ein Viertel seiner Ladung, das S9+ gar ein Drittel erreicht. Beide waren nach zwei Stunden voll aufgeladen.

Display und Bedienung

Beim Display hat sich nichts getan, was aber auch nicht nötig ist: Samsungs OLEDs haben knackige Farben, ein tiefes Schwarz und eine hohe maximale Helligkeit. Die Auflösung von 2960 × 1440 Pixel ergibt beim S9 mit 5,8 Zoll 568 dpi, beim S9+ mit 6,2 Zoll 531 dpi. Ausgeliefert werden beide mit 2220 × 1080 Pixeln (426 dpi beim S9, 398 dpi beim S9+), was man unter Einstellung/Anzeige ändern kann. Mit voller Auflösung sinken Laufzeiten und 3D-Benchmarks geringfügig, dafür wirkt das Bild eine Winzigkeit schärfer.

Installiert ist Android 8.0, allerdings ohne die damit eingeführte Unterstützung von Farbprofilen – das Display zeigt also entweder den vollen Farbumfang bei überzeichneten Fotos oder lässt sich auf sRGB zurückschalten, was Fotos natürlicher aussehen lässt, aber alles andere wirkt ungewohnt blass.

Samsung hat das Android wie gewohnt umgestaltet, installiert aber recht wenig unnütze Bloatware. Dennoch sind 14 der 64 GByte belegt. Beide Modelle fertigt Samsung auch mit 256 GByte, doch in Deutschland ist lediglich das S9+ mit großem Speicher erhältlich.

Die mit Android 6 eingeführte Formatierung der MicroSD-Karte als internen Speicher verweigert Samsung wie bei den Vormodellen. Installierte Apps lassen sich einzeln auf die Speicherkarte verschieben, wenn sie dafür geeignet sind. Darüber hinaus wird die Karte zum Aufnehmen von Fotos und Videos und zum Speichern etwa von Musik genutzt, zudem unterstützen einige Apps das Auslagern ihrer Daten – alles muss man aber einzeln anleiern. Bei den Dual-SIM-Modellen lässt sich nur entweder eine zweite SIM oder eine MicroSD-Karte einlegen.

Gesichts- und Iriserkennung arbeiten etwas schneller als bisher. Liegt das Handy auf dem Tisch, muss man es für beides allerdings hochnehmen – so praktisch wie ein Fingerabdruckscanner im Home-Knopf unter dem Display sind diese Lösungen nicht. Links haben die Handys wieder einen Knopf, um den hierzulande weitgehend nutzlosen Samsung-Assistenten Bixby zu starten. Absurd: Der Knopf lässt sich deaktivieren, aber dazu muss man erst ein Samsung-Konto erstellen. Eine andere Funktion kann die Taste nicht auslösen. Einige Apps aus dem Play Store nehmen sich dem Problem an, müssen sich aber des Tricks bemühen, dass zuerst Bixby kurz startet.

Weit angenehmere Fortschritte macht die Soundwiedergabe. Musik und Filme klingen nun etwas bassstärker und in einer Art Stereoklang, sofern man das Gerät quer hält: Dann spielen der bisherige Lautsprecher unten neben der Kopfhörerbuchse und der Telefonielautsprecher über dem Display gleichzeitig. Sie haben eine unterschiedliche Klangcharakteristik, der über dem Display hat kaum Bass, der untere wenig Höhen. Zusammen ergibt sich ein guter, verzerrungsarmer, für Handys recht basskräftiger Klang, aber natürlich kein echter Stereoraumklang. Nichts für Partys, aber besser fürs Hotelzimmer oder die Ferienwohnung geeignet als die Vorgänger-Modelle.

Fazit

Das Gesamtpaket überzeugt: Spitzenkamera, mit die längsten Laufzeiten, schneller Prozessor, brillante Displays, wasserdichtes Gehäuse. Zusätzlich lockt beim S9+ die Tele-Kamera, die bisher nur Top-Modellen wie Note 8 und iPhone 8/X vorbehalten war – aber in diesen Preisregionen befindet sich das S9+ auch. Wer ernsthaft zoomen möchte, kommt zumal mit einem Zweifach-Tele auch nicht viel weiter.

Tabelle
Tabelle: Android-Smartphones

Gegenüber Geräten der Generation Galaxy S8/Pixel 2 bietet das S9 allerdings wenig Kaufentscheidendes, zu marginal sind die Vorteile der Kamera oder des Prozessors. Damit sind S9/S9+ eher für Besitzer von älteren oder schlechter ausgestatteten Smartphones interessant, die sich etwa zwischen S9/S9+, Pixel 2 XL, Note 8, iPhone 8/X oder den noch nicht lieferbaren Huawei P20 und Sony XZ2 entscheiden müssen. Bislang machen das S9 und S9+ in dieser Runde dank ausgewogenem Gesamtpaket eine gute Figur; schärfste Gegner dürften die Restposten des S8/S8+ sein. (jow@ct.de)