c't 4/2018
S. 116
Test
Lego-Roboterbausatz
Aufmacherbild

Lego Go!

Roboterbausatz Boost im Test

Bisher waren Legos Roboterbausätze teuer und lockten mit ihrem Ingenieurs-Charme bestenfalls Erstsemester an. Boost soll nun auch die Jüngsten an das Programmieren heranführen.

Lust auf Lego? Das Set 17101 – Code-Name „Boost“ – hat einiges zu bieten. Herzstück ist der Move-Hub – ein per Bluetooth LE ansprechbarer Controller, an den sich bis zu zwei zusätzliche Aktoren/Sensoren anschließen lassen; er wird mit sechs AAA-Batterien bestückt. Zwei Motoren, ein Gyrosensor und eine RGB-LED sind im Move-Hub bereits integriert. Ein weiterer Motor und ein kombinierter Farb-/Entfernungssensor sind im Set enthalten. Der Move-Hub bildet die Basis für fünf spannende Grundmodelle vom klassischen Roboter über eine Technokatze bis zur Legofabrik. Die Modelle lassen sich per App in Bewegung setzen und programmieren.

In der Packung liegen 843 bunte Legosteine. Schon die Farbzusammenstellung zeigt, dass Lego nicht in die Geschlechterfalle tappen möchte: Leuchtendes Hellblau und Orange sollen Boost für Jungen wie Mädchen gleichermaßen attraktiv machen.

Eines fehlt: die sonst obligatorische gedruckte Bauanleitung. Der Boost-Bausatz lässt sich ausschließlich in Kombination mit einem Smartphone oder Tablet nutzen. Alle Anleitungen sind in der für Android und iOS erhältlichen App enthalten. Auf kleineren Smartphones sind sie zwar schlecht zu lesen, aber die Kids wird es nicht stören. Ein Tablet bietet mehr Komfort beim Lesen.

Das Handy oder Tablet mit Boost-App zeigt die Bauanleitung an und stellt die nötige Rechenleistung bereit. Über Bluetooth steuert es Aktoren und liest die Informationen aus den Sensoren aus. Zugleich verleiht es den Modellen die nötige Stimme und sorgt für Interaktivität: Das Mobilgerät gibt passende Sounds aus und leiht den Modellen das interne Mikrofon als Ohr. Alle Boost-Modelle erwachen nur in Kombination mit der App zum Leben – trennt man die Verbindung, bleiben sie stehen.

Lego Boost ist ein enger Verwandter des WeDo-2.0-Kits, das von Lego ursprünglich im Rahmen seiner Education-Reihe für den Einsatz an Schulen konzipiert wurde (siehe c’t 7/2016, S. 72). Schnell hatte dieser Bildungsbausatz auch bei der außerschulischen Kundschaft seine Fangemeinde gefunden – mit Boost will Lego das Konzept nun in den Massenmarkt bringen. Während sich die WeDo-App noch mit einer recht spröden Lernoberfläche präsentierte, hat Lego für Boost einen starken Partner mit Erfahrung in der Programmierung von Spiele-Apps ins Boot geholt. Das Ergebnis aus der Entwicklerschmiede Funday Factory kann sich sehen lassen.

Die liebevoll gestaltete Boost-App führt Kinder und Erwachsene behutsam an die Möglichkeiten des Sets heran. Den Kern bilden die fünf Basismodelle, die man nacheinander erstellen kann: den klassischen Roboter Vernie, das Kettenfahrzeug M.T.R. 4, die Mini-Fabrik Auto Builder, die Katze Frankie und die coole Lego-Klampfe Guitar4000. Die App führt den Nutzer zunächst sehr kleinschrittig durch die Bauanleitung jedes Modells und dessen individuelle Fähigkeiten. So wird der kombinierte Farb-/Abstandssensor bei der Gitarre etwa verwendet, um die Distanz des Schlittens vom Korpus und damit den gewünschten Akkord zu bestimmen. Bei der Katze Frankie steckt er im Maul und lässt sie verschiedene Objekte anhand der Farbe erkennen oder auf einer Mundharmonika aus farbigen Legosteinen spielen.

Auch die fünf Boost-Modelle sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet – für den Aufbau benötigt man je rund zwei Stunden. Für den besonderen Kick sorgen die in der App hinterlegten Sounds: Vom Happy-Birthday-Song der Katze über die Western-Sprüche des Cowboy-Roboters bis hin zur Furz-Gitarre ist alles dabei. Der Speicherhunger der App von rund 300 MByte ist so erklärbar.

Schrittweise führt die Boost-App die Kinder durch den Aufbau der einzelnen Modelle. Die objektorientierte Programmier-Umgebung bildet den Abschluss.

Jedes Modell lässt sich Level für Level freispielen. Bevor man Roboter Vernie beispielsweise das Schießen beibringt, lernt man seinen Kettenantrieb kennen. In einem anderen Level geht es darum, die Sprachausgabe des Roboters zu kontrollieren. Am Ende steht jeweils ein Programmiermodus, in dem sich das Modell durch das Verschieben von einfachen Symbolen per Drag & Drop animieren lässt. Die Programmiermöglichkeiten sind klar auf die Fähigkeiten des jeweiligen Modells beschränkt, was auch jüngeren Mitspielern schnelle Erfolge garantiert. Die objektorientierte Programmiersprache umfasst auch einfache Schleifenelemente und Zufallsvariablen.

Besonders witzig ist der „Auto Builder“. Die hochautomatisierte Fabrik spuckt auf Knopfdruck kleine Legoroboter aus, die ein Greifarm von einem vorbestückten Brett mit Bauteilen pflückt und stapelt. Die Fertigungstoleranzen sind minimal und der Produktionsprozess gerät durch gelockerte Legosteine leicht auf Abwege. Aber selbst die Unfälle sind unterhaltsam, und die Faszination ist nur umso größer, wenn dann doch mal ein perfekter Mini-Robo vom Band fällt.

Das Kettenfahrzeug M.T.R. 4 muss auf dem mitgelieferten Spielplan allerlei Aufgaben erfüllen. Wie der Roboter Vernie lässt es sich über die App frei bewegen.

Die zwei fahrbaren Modelle Vernie und M.T.R. 4 kann man über die App fernsteuern. Passend zum Raupenfahrzeug liegt ein bedruckter Parcours in der Packung, auf dem der M.T.R. 4 allerhand Aufgaben erfüllen muss.

Hat man die fünf Boosts durchgespielt, bleiben noch drei Grundmodelle, die man für die Animation älterer Lego-Sets oder fürs Freispiel verwenden kann. Eine undekorierte Seifenkiste dient als Basis für eigene Fahrzeug-Kreationen. Aus dem watschelnden Vierfüßler lassen sich im Handumdrehen Fantasietiere zaubern. Ein motorbetriebenes Tor wird je nach Fantasie zum Eingang einer Raumfahrtzentrale oder führt auf Zuruf in Ali Babas Räuberhöhle.

Ab und zu wird das Spiel jäh unterbrochen, denn Boost frisst Batterien. Waren die Aktoren in Bewegung, zeigte unser Messgerät im Labor rund 1,7 Ampere an. Mit handelsüblichen Batterien kamen wir auf eine Spieldauer von knapp 2 Stunden. Kappt man die Bluetooth-Verbindung, schaltet der Hub nach zwei Minuten automatisch ab.

Generell ist Boost beim Anzeigen des Batterielevels recht zappelig: Wenn zwei Motoren gleichzeitig anlaufen, sackt die Spannung kurzeitig ab und die App fordert oft zu früh zum Batteriewechsel auf. Will man das Set viel bespielen, ist also der Kauf von 12 guten Akkus und einem passenden Lader angeraten. Auch das Netzteil fürs Tablet sollte bei längeren Bau-Sessions nicht zu weit entfernt sein.

Das Freispielen aller Modelle beschäftigt große wie kleine Bastler locker 15 Stunden. Danach ist das System in Sachen Programmierung allerdings am Ende. Im Unterschied zum WeDo 2.0 gibt es keinen wirklich freien Programmiermodus. Jedes Modell hat je nach seinen Fähigkeiten ein festes Set aus Objekten. Ein direktes Auslesen von Sensoren oder das freie Ansteuern der Aktoren ist nicht vorgesehen. Genau diese Limitierung hebt unser ab Seite 118 beschriebener Boost-Hack auf. Er zeigt, wie man den Hub über die Bluetooth-Verbindung eines Raspberry Pi direkt ausliest und steuert.

Fazit

Lego Boost kombiniert die Freude am Steinchenstecken mit spielerischen Programmieransätzen und liefert stundenlange Unterhaltung für die ganze Familie. Als Ersatz des klassischen Batterieblocks wünscht man sich ein optionales Powerpack mit LiIon-Akku, denn das ständige Nachlegen von Batterien nervt.

Der Hersteller empfiehlt Boost für Kinder von 7 bis 12 Jahren. Das ist recht eng gefasst. Tatsächlich haben auch jüngere Kinder – zur Not mit Hilfe der Eltern – viel Spaß mit den bewegten Legobausätzen. Durch die inzwischen hinzugekommenen App-Versionen fürs Smartphone und für ältere Android-Versionen hat sich auch das Feld möglicher Bediengeräte erweitert. Die Kleinen müssen nun nicht mehr unbedingt das Familientablet blockieren, ein altes Handy genügt.

Tabelle
Tabelle: Lego Boost

Die obere Altersgrenze lässt sich mit dem folgenden Hacking-Artikel locker nach oben schieben. Sollte dem Teenager das Herumschubsen von Logikblöcken auf dem Touchscreen nur noch ein Gähnen entlocken, lässt sich das Set mit einem Raspi gehörig aufbohren. Vom Mausschubser zum Hacker ist es so nur ein Katzensprung. (sha@ct.de)