c't 3/2018
S. 30
News
Bitcoin-Höhenflug
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Wertvoll, aber teuer

Allzeit-Hoch bei Kurs und Gebühren: Taugt Bitcoin noch als Zahlungsmittel?

Der Bitcoin-Kurs schien Ende 2017 nur eine Richtung zu kennen: steil nach oben. Mit rund 17.000 Euro war ein Bitcoin Mitte Dezember zehn Mal mehr wert als zu Spitzenzeiten in früheren Jahren. Doch durch den zunehmenden Handel mit der Kryptowährung wurde es eng auf der Blockchain, die Transaktionsgebühren explodierten. Das hat massive Auswirkungen auf den Handel.

Als der Bitcoin-Kurs Anfang Dezember 2017 erstmals auf über 10.000 US-Dollar stieg, dachten viele, der absolute Höhepunkt sei gekommen, und verkauften die Kryptowährung im großen Stil. Das Gleiche passierte Mitte Dezember, als für einen Bitcoin bis zu 20.000 US-Dollar geboten wurden: Spekulanten versuchten, ihre Bitcoins so schnell wie möglich loszuwerden und die Gewinne mitzunehmen, bevor der Kurs wieder fällt.

Die extremen Kursschwankungen infolge der Verkäufe sind Wasser auf die Mühlen von Kritikern, für die Bitcoin keine Währung, sondern eine Wette ohne Substanz ist. So verlor die Kryptowährung kurz vor Weihnachten binnen einer Woche ein Viertel ihres Werts – mit einer derart volatilen Währung könnten Geschäftstreibende nicht arbeiten. Dessen ungeachtet kann man bis heute seine Stromrechnung bei den Stadtwerken Hannover mit Bitcoins bezahlen.

Denn die Stadtwerke arbeiten mit einem Zahlungsdienstleister zusammen, konkret mit dem ebenfalls in Hannover ansässigen Unternehmen Pey. Pey überwacht nicht nur die Abwicklung der Bitcoin-Zahlung, sondern erledigt auch den Währungsumtausch. So erhalten die Stadtwerke Hannover letztlich Euro, auch wenn der Kunden mit Bitcoins bezahlt. Dafür lässt Pey dem Kunde allerdings nur 15 Minuten Zeit. Solch enge Zeitfenster sind ein wesentlicher Grund, warum sich Bitcoins derzeit ungeachtet des Euro-Kurses kaum mehr als Zahlungsmittel eignen.

Zeitfenster als Nadelöhr

Durch das Zeitfenster will der Händler das Risiko allzu großer Kursveränderungen während der Zahlungsabwicklung minimieren. Insofern ist der absolute Wert der Bitcoins für die Händler nicht entscheidend, sondern nur, dass sich der Kurs im Zahlungszeitfenster nicht zu stark verändert. Mit 15 Minuten ist das Zeitfenster bei Pey schon ziemlich klein, wird doch bei Bitcoin nur alle 10 Minuten ein neuer Block erzeugt. Üblicherweise hat man jedoch zwei bis 24 Stunden Zeit, bis die Transaktion in der Blockchain auftauchen muss, um berücksichtigt zu werden.

Doch es werden viel mehr Transaktionen beauftragt, als die Miner zu Blöcken verarbeiten können, denn die Blockgröße ist bei Bitcoin auf 1 MByte begrenzt. Hier kommt die Transfer-Fee, die Überweisungsgebühr, ins Spiel: Jeder Anwender kann frei entscheiden, wie viel er dem Miner für die Abwicklung der Transaktion bezahlt – die Miner finanzieren damit einen Teil ihrer Hardware- und Betriebskosten. Folgerichtig wählen die Miner natürlich die bestbezahlte Transaktionen für den nächsten Block aus – den Rest speichern sie im sogenannten Mempool zwischen, um daraus die Transaktionen für folgende Blöcke auszuwählen.

Ausverkauf

So kann der Anwender über die Überweisungsgebühr die Verarbeitungsgeschwindigkeit steuern. Muss es schnell gehen, etwa weil wie bei Pey das Zeitfenster sehr klein ist, ist man gezwungen, mehr Transaktionsgebühr zu bieten, als wenn die Überweisung mehrere Tage Zeit hat. Damit gerät man allerdings ins Fahrwasser der Währungsspekulanten, für die angesichts ihres Handelsvolumens die Gebühren nur Peanuts sind. Das Ergebnis waren horrende Transaktionsgebühren von über 30 bis zu 100 US-Dollar kurz vor Weihnachten 2017.

Gebührenfalle

In der Folge blieben Überweisungen mit keiner oder geringer Gebühr immer länger liegen und wurden schließlich von anderen Transaktionen mit mehr Gebühr ganz aus dem Mempool verdrängt. So wurden selbst Bitcoin-Besitzer, die nur ihre Restbestände verkaufen wollten, gezwungen, dafür stattliche Transfer-Fees auszuloben. Die Nachwirkungen sind noch Mitte Januar 2018 zu spüren: Die Gebühren für eine durchschnittliche 250 Bytes große Transaktion hat sich zwischen 15 und 20 US-Dollar eingependelt – zu viel, um mit Bitcoins kleinere Beträge zu bezahlen. Zum Vergleich: 2016 lag sie bei unter einem Dollar und bis September 2017 zwischen 1 und 5 Dollar.

Gebührenexzess

Anwendern fällt es oft schwer, die Transfergebühren korrekt abzuschätzen. Das liegt vor allem daran, dass die Höhe der Transfer-Fee nicht von dem Betrag abhängt, der überwiesen wird, sondern von ihrer Größe in Bytes, die die Transaktion später auf ewig in der Blockchain belegt. Die Gebühr wird oft in Bitcoin pro Kilobyte oder Satoshi pro Byte angegeben (ein Satoshi ist ein milliardstel Bitcoin) und hängt außerdem von der Dringlichkeit ab. Wallet-Programme wie Electrum berechnen die Gebühr dynamisch und lassen den Anwender wählen, wie hoch sie ausfallen soll.

Electrum zeigt die Größe einer Transaktion in der Vorschau an. Diese nur 226 Byte große Überweisung von 11,60 Euro soll 0,001146 Bitcoin oder umgerechnet fast 14 Euro Gebühren kosten.

Wie groß die Transaktion wird, zeigt Electrum in der Vorschau: Eine einfache Transaktion mit einer Quelladresse, einer Zieladresse und einer Wechselgeldadresse belegt zum Beispiel 226 Byte in der Blockchain. Bei zwei Quell- und einer Zieladresse ohne Wechselgeld ist die Transaktion bereits 340 Byte groß, also 50 Prozent teurer. Die Größe steigt mit jeder weiteren Quell- und Zieladresse weiter an und kann im Extremfall mehrere Kilobytes betragen. Schnell übersteigen die Gebühren den eigentlichen Überweisungsbetrag, Anfang Januar 2018 musste man für die Überweisung von 0,001 Bitcoin fast 0,0015 Bitcoin an Gebühren bezahlen, wenn sie innerhalb eines Tages abgewickelt sein sollte.

Goldgräberstimmung

Für die Miner hingegen, die wie eine Bank die Überweisungen prüfen und ausführen, sind goldene Zeiten angebrochen: Nicht nur, dass die Bitcoin-Nutzer 20 Mal mehr Transaktionsgebühren als Anfang 2017 dafür zahlen, dass ihre Überweisungen überhaupt berücksichtigt werden, die Miner profitieren außerdem von dem gestiegenen Wert der Belohnung, die sie für jeden erzeugten Block bekommen. Belief sich der Wert dieser Belohnung von 12,5 Bitcoin pro Block Anfang 2017 noch auf rund 10.000 Euro, sind es nun rund 150.000 Euro, die man geschenkt bekommt. Dementsprechend herrscht inzwischen wieder Aufbruchstimmung in der Szene, Mining-Equipment für Bitcoin ist kaum mehr zu bekommen.

Doch der Gebührenexzess muss nicht weitergehen: Damit die Transaktionsgebühren wieder fallen, sollte man eilige Zahlungen nicht mehr mit Bitcoin durchführen, sondern auf andere Kryptowährungen mit niedrigeren Gebühren ausweichen – etwa Bitcoin Cash, dessen Blöcke bis zu 8 MByte groß sein dürfen. Wer Anfang August Bitcoins besaß, hat durch den Fork ohnehin die gleiche Menge Bitcoin Cash geschenkt bekommen – bei Online-Wallets bekam sie der Website-Betreiber, von denen manche die Coins aber behalten haben, anstatt sie den Kunden gutzuschreiben.

Die Entlastung der Bitcoin-Blockchain könnte längerfristig dafür sorgen, dass auch Transaktionen mit niedriger Gebühr wieder in endlicher Zeit berücksichtigt werden, womit insgesamt der Druck abnimmt, horrende Transaktionsgebühren zahlen zu müssen. Auch das Lightning Network könnte zukünftig die Blockchain entlasten und sogar Micropayments attraktiv machen. Dann könnte man auch kleinere Beträge wieder mit Bitcoins bezahlen – ungeachtet dessen, ob der Kurs weiter über 10.000 Euro liegt oder darunter. (mid@ct.de)