c't 26/2018
S. 30
News
Klimawandel durch Bitcoin?
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So richtig falsch

Warum eine vielzitierte Klima-Studie zu Bitcoin falsch liegt

Bitcoin könnte die globale Erderwärmung auf über zwei Grad anheben, prognostizieren Wissenschaftler. Die Studie zeigt aber vor allem, dass die Forscher Bitcoin nicht verstanden haben.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Bitcoin-Mining übelste Kohlestromveredelung ist, denn trotz des von der chinesischen Regierung verkündeten landesweiten Mining-Ausstiegs steht noch immer ein Großteil der Miner in China. Grüne Miner, die sich aus lokalen, andernfalls ungenutzten Überkapazitäten regenerativer Energie speisen, sind die Ausnahme. Welche CO2-Emissionen durch die Kryptowährung entstehen und wie sie sich in Zukunft entwickeln dürften, wenn Bitcoin zunehmend als Zahlungsmittel genutzt wird, haben vier Wissenschaftler der Uni Hawaii in einer Studie untersucht – aber dabei einen fatalen Fehler gemacht.

Bekannt wurde die Studie nicht zuletzt wegen ihres äußerst plakativen Titels: Die Emissionen durch Bitcoin allein könnten die globale Erderwärmung über 2 Grad drücken, lautete die Überschrift des Artikels in der Oktober-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Climate Change, in dem die Autoren ihr Ergebnis veröffentlichten.

Dafür untersuchten die Autoren zunächst alle in 2017 erzeugten Blöcke der Blockchain auf ihre Schwierigkeit (Difficulty) hin und berechneten, wie viel Rechenleistung dafür aufgewendet wurde. Über den Wirkungsgrad der damals üblichen Miner und deren Standort konnten sie abschätzen, wie viel CO2 die Bitcoin-Miner in 2017 freigesetzt haben: Fast 70 Millionen Tonnen. Das ist fast die Hälfte dessen, was alle Pkw und Lkw in Deutschland im gleichen Jahr ausgestoßen haben. Dabei habe der Bitcoin nach Berechnungen der Forscher gerade einmal einen Anteil von 0,033 Prozent am weltweiten bargeldlosen Zahlungsverkehr gehabt – eine Menge Emissionen für verschwindend wenige Transaktionen.

Bitcoin statt Kreditkarte

Im nächsten Schritt sahen sich die Wissenschaftler an, wie sich die Emissionen der Kryptowährung entwickeln dürften, falls sie sich durchsetzt und künftig andere bargeldlose Zahlungsmethoden ablöst. Dazu bedienten sie sich verschiedener Analogien: Sie untersuchten zunächst, wie sich andere Technologien über die Jahre hinweg entwickelten. Ihre Prognose für die zunehmende Nutzung von Bitcoin lehnten sie an die von Elektrizität und Kreditkarte an. Indem sie die Emissionen aus 2017 zugrunde legten, berechneten sie, wie viel mehr Emissionen entstehen, falls die Kryptowährung andere bargeldlose Zahlungsformen ablösen würde.

Das Ergebnis war erschreckend: Innerhalb von 16 Jahren würde Bitcoin die weltweiten CO2-Emissionen so weit steigern, dass die Erderwärmung um mehr als 2 Grad ansteigen dürfte – immer vorausgesetzt, Bitcoin wird künftig wie prognostiziert vermehrt als Zahlungsmittel eingesetzt. Ein Ergebnis, das plausibel klingt – und doch grundfalsch ist.

So gut wie alle Emissionen von Bitcoin gehen auf das Konto der Miner, sie verbuchen die Transaktionen der Kryptowährung. Die Miner sind im Grunde das weltweit verteilte Rechenzentrum einer fiktiven Krypto-Bank, die Überweisungen verarbeiten. Dafür erhalten die Miner Überweisungsgebühren, die sogenannte Transaction Fee, sowie eine Subvention von aktuell 12,5 Bitcoin im Wert von etwa 50.000 Euro pro Block. Auf die Subvention sind die Miner angewiesen, denn die derzeit gezahlten Transaction Fees decken nicht einmal die Stromkosten der Miner. Durch die Subventionen und einen Wechselkurs von mehreren Tausend Euro pro Bitcoin wird Mining ein äußerst lukratives Geschäft.

Um die Belohnung zu kassieren, muss man weltweit als Erster den aktuell gesuchten Block berechnet und veröffentlicht haben. Dazu sucht sich der Miner bis zu 4000 der lukrativsten Transaktionen zusammen, fügt die Auszahlungsadresse für die Belohnung hinzu und berechnet zweimal den Hash dieses Datenblocks. Dabei garantiert der Hash-Wert, dass der Inhalt des Blocks nachträglich nicht verändert werden kann.

Große Schwierigkeiten

Diese Arbeit erledigen selbst einfache Mikroprozessoren in Bruchteilen einer Sekunde – ein moderner AntMiner S9i schafft die Hash-Wert-Berechnung bis zu 14,5 Billionen Mal pro Sekunde, weshalb die Rechenleistung des Miners mit 14,5 TH/s (Tera-Hashes pro Sekunde) angegeben ist. Doch eine Anforderung des Bitcoin-Protokolls ist, dass idealerweise erst nach genau zehn Minuten weltweit der nächste Block gefunden wird, nicht billionenfach binnen einer Sekunde. Deshalb hat der geheimnisvolle Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto einen zusätzlichen Schwierigkeitsgrad eingebaut, die sogenannte Difficulty.

Die Difficulty ist ein variabler Wert und wird alle 2016 Blöcke neu berechnet, also alle zwei Wochen. Damit ein Block anerkannt wird, muss sein Hash-Wert unterhalb der von der gerade gültigen Difficulty vorgegebenen Schwelle liegen – andernfalls kann der Miner eine eigens dafür vorgesehene Zahl im Block verändern und den neuen Hash des Blocks berechnen. Diese vielfache Neuberechnung wird in der Publikumspresse oft als „sinnloses mathematisches Puzzle“ bezeichnet.

Der Knackpunkt ist, dass sich nicht vorhersagen lässt, welche Auswirkungen selbst eine minimale Änderung innerhalb des Blocks auf den Hash-Wert hat. Den Minern bleibt also nichts anderes übrig, als immer wieder die dafür vorgesehene Zahl zu verändern, den neuen Hash-Wert zu berechnen und ihn mit der Schwelle zu vergleichen.

Bitcoin-Lotto

Eine bessere Analogie ist daher eine Lotterie: Weltweit ziehen zwischen 2,5 und 3 Millionen Miner 14,5 Billionen Mal pro Sekunde neue Lose, bis jemand eins mit einem passenden Hash-Wert erwischt und 12,5 Bitcoin einstreicht. Genau wie bei einer echten Lotterie, etwa sechs Richtige aus 49 Zahlen, bestimmen der Schwierigkeitsgrad (Gewinnwahrscheinlichkeit) und die Zahl der Lose, wie oft jemand im statistischen Mittel gewinnt.

Das ist auch der Grund, warum die neue Difficulty anhand der letzten 2016 Blöcke berechnet wird: Es kann immer mal passieren, dass ein Miner Glück hat und gleich im ersten Anlauf einen passenden Hash-Wert berechnet – oder dass es länger dauert. Werden mehr Lose im gleichen Zeitraum gezogen, gibt es also mehr Miner oder steigern die Miner ihre Hash-Leistung, so muss der Schwierigkeitsgrad ebenfalls ansteigen, damit nicht öfter ein neuer Block gefunden wird. Umgekehrt muss der Schwierigkeitsgrad fallen, wenn es weniger Mining-Leistung gibt, weil sonst der Abstand der Blöcke steigt.

Der Schwierigkeitsgrad und damit die Energiemenge, die zum Berechnen eines Blocks benötigt wird, hängt somit nur von der Gesamtrechenleistung aller Miner weltweit ab – nicht jedoch von der Anzahl der Transaktionen, die getätigt werden. Das Bitcoin-Protokoll legt lediglich fest, dass ein Block nominal höchstens 1 MByte groß sein darf, effektiv sind es knapp 2 MByte. Auch hier gibt es keine Relation zu einer bestimmten Anzahl an Transaktionen – denn je nach Anzahl der beteiligten Adressen kann eine Transaktion nur wenige hundert Bytes oder mehrere Kilobytes groß sein. Maximal passen derzeit knapp 4000 Transaktionen in einen Block.

Es gibt auch keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Bitcoin-Transaktionen und der Anzahl der dafür benötigten Miner: Theoretisch könnte ein einziger Miner den gesamten weltweiten Bitcoin-Handel abwickeln – vorausgesetzt, der Schwierigkeitsgrad würde entsprechend gesenkt.

Breitere Nutzung, gleicher Stromverbrauch

Eine breitere Nutzung von Bitcoin als Zahlungsmittel und der damit verbundene Anstieg der Transaktionszahlen hätten also gar keinen Einfluss auf die Emissionen, die durch die Kryptowährung entstehen. Den skizzierten Anstieg könnte Bitcoin in seiner heutigen Form allerdings gar nicht bewältigen: Bei maximal 4000 Transaktionen alle zehn Minuten sind nicht mehr als rund 210 Millionen Transaktionen pro Jahr möglich.

Um mehrere hundert Milliarden Transaktionen pro Jahr durchführen zu können, müsste mittels Hard Fork die Blockgröße erhöht werden. Bitcoin Cash hat die Blocksize bereits auf 32 MByte erhöht – Einfluss auf den Stromverbrauch der Miner hatte das nicht.

Es sind die hohe Hash-Leistung und die große Zahl an Minern, die den Schwierigkeitsgrad und damit den globalen Stromverbrauch des Bitcoin in so schwindelerregende Höhen getrieben haben. Dass es überhaupt so viele Miner gibt, liegt an der Subvention von 12,5 Bitcoin pro Block und dem hohen Wechselkurs, der bis vor wenigen Wochen bei über 6000 US-Dollar pro Bitcoin lag. Die Stromkosten dürften sich in China aber nur auf etwa 2000 US-Dollar pro Bitcoin belaufen.

Als der Bitcoin-Kurs Mitte November von etwa 6000 US-Dollar auf unter 4000 Dollar abstürzte, ließen sich die Auswirkungen unmittelbar an der Hash-Leistung des Bitcoin-Netzwerks ablesen: Sie sank von etwa 50 EH/s (Exa-Hashes pro Sekunde) binnen zwei Wochen auf gut 40 EH/s. Offenbar ließen sich etwa 20 Prozent der Miner nicht mehr profitabel betreiben und wurden abgeschaltet – womit die Emissionen des Bitcoin um rund 20 Prozent abnahmen. Dementsprechend sank auch die Difficulty Ende November um mehr als 15 Prozent.

Die Zahl der Transaktionen hingegen schwankte im gleichen Zeitraum ständig zwischen 240.000 und 280.000 pro Tag hin und her. Das beweist: Die hawaiianischen Forscher liegen mit ihrer Annahme, eine vermehrte Nutzung von Bitcoin würde zu mehr Emissionen führen, grundfalsch. Wäre dem so, hätte die Difficulty bei ungefähr gleichbleibender Zahl an Transaktionen nicht so drastisch sinken dürfen. (mid@ct.de)