c't 26/2018
S. 20
News
Amazon-ARM-Server, Prozessoren

Bit-Rauschen

ARM-Attacken, Intel-Pläne und RAMauscheleien

Amazon überrascht die Server-Szene mit einem ARM64-Chip, Huawei baut gleich einen 64-Kerner. Intel hingegen legt für 2019 wohl nur schlappe zwei Kerne drauf. Derweil geraten RAM-Hersteller ins Visier chinesischer Behörden.

Das war eine echte Überraschung: Am 26. November zog Amazon einen selbst entwickelten ARM-Serverprozessor aus dem Hut. Und zwar nicht als bloße Vorankündigung, sondern sofort nutzbar in der Amazon-Cloud AWS EC2. Deshalb erschienen wenige Stunden später die ersten Benchmark-Ergebnisse, obwohl Amazon keine weiteren Daten zum „Graviton“ alias AL73400 der 2015 zugekauften Firma Annapurna Labs verraten wollte. Nach den getwitterten Daten hat der Graviton 16 Kerne vom Typ Cortex-A72, die mit 2,3 GHz laufen. Eine „A1“-Instanz kann man mit 2 bis 16 Kernen und bis zu 32 GByte RAM buchen. Ein einzelner Kern liefert Geekbench-4-Werte, die etwas über denen des High-End-Smartphone-Chips Snapdragon 835 liegen.

Angeblich wollte Amazon ursprünglich einen ARM-Chip von AMD einsetzen – den letztlich erfolglosen Opteron A1100, dessen Codename Seattle auf den Sitz des Amazon-Hauptquartiers verweist. Das Projekt scheiterte, Amazon kaufte dann Annapurna Labs. Deren Chips stecken auch in einigen NAS, die schon zu Preisen ab 400 Euro 10-Gigabit-Ethernet mitbringen. Annapurna entwickelte auch die „Nitro“-Chips in Amazons Cloud-Servern, die beispielsweise die Daten auf NVMe-SSDs verschlüsseln.

Huawei hat ebenfalls eine hauseigene Chip-Sparte: HiSilicon. Von dort stammen nicht nur die Kirins für Huawei-Smartphones, sondern auch der ARM-Chip Hi1616, der einige Huawei-Server antreibt. Noch 2018 soll der 7-nm-Nachfolger Hi1620 mit gleich 64 Kernen kommen, vermutlich vom Typ Cortex-A76. Letzterer ist Bestandteil der ARM-Plattform „Ares“ für Server – und die wiederum ist Teil der Neoverse-Roadmap, mit der ARM nun endlich den Servermarkt aufmischen will. Jedes Jahr will ARM 30 Prozent Performance drauflegen.

Eine Alternative sowohl zu Intel beziehungsweise AMD als auch zu ARM ist der IBM Power9. Dessen „Sforza“-Version ist als Quad-Core mit 16 Threads für unter 400 US-Dollar zu haben und als Achtkerner für weniger als 600 US-Dollar. Bisher waren aber passende Mainboards sehr teuer. Raptor Computing Systems will das ändern und verkauft ab Februar/März 2019 das Micro-ATX-Board „Blackbird“ für unter 1000 US-Dollar. Dabei bekommt man nicht nur PCI Express 4.0, sondern als Sahnehäubchen auch Open-Source-Firmware für CPU und Fernwartungs-Chip. Das Blackbird hat allerdings nur Platz für zwei RAM-Riegel. Wer mehr braucht, muss dann doch ein teureres Power9-Board kaufen, etwa das Talos II.

Intels unklarer Fahrplan

Ende November zauberte Amazon den 16-Kerner Graviton mit 64-Bit-ARM-Technik aus dem Hut beziehungsweise in die Cloud. Bild: Amazon

Trotz wachsender Konkurrenz verdient Intel zwar schönes Geld, doch die Pläne für 2019 sind unklar. Anscheinend hat man die 10-nm-Technik noch immer nicht im Griff und schiebt eine weitere 14-nm-Prozessorgeneration ein: Comet Lake. Lenovo ließ in zu früh veröffentlichten Datenblättern Produktnamen wie Core i7-9550U entschlüpfen, also die neunte Core-i-Generation für Notebooks.

Für Desktop-PCs könnte ein Zehnkerner kommen. Völlig offen ist, ob der in aktuellen Mainboards mit der Fassung LGA1151v2 laufen wird – und wann er kommt. Auf der CeBIT wird er ganz sicher nicht vorgestellt, denn mit der ist ja nun Schluss, siehe Seite 16. Möglicherweise wird es die Computex im Juni, die vielleicht auch AMD zum Anlass nimmt, den Ryzen 3000 mit Zen 2, 7-nm-Strukturen und PCI Express 4.0 zu präsentieren.

Unnötige Aufregung

Apropos 7-nm-Technik: Die will IBM-Fertigungspartner Globalfoundries bekanntlich auslassen, sodass sich Big Blue für kommende Power- und Mainframe-Prozessoren wohl an TSMC wenden wird. Ein japanisches Medium hypte diese Meldung zum Riesenerfolg für TSMC hoch, weil die Taiwaner nun angeblich erstmals dermaßen teure Serverprozessoren produzierten. Das ist aber Quatsch: TSMC fertigt schon seit Jahren SPARC-CPUs für Fujitsu und Oracle und bald auch den extrem leistungsstarken A64FX mit 512-Bit-SVE und TOFU-Interconnect für den „Post-K“ Supercomputer in Japan.

Unnötige Aufregung gab es auch in der Linux-Szene, nämlich um den Kernel-Patch für Single Thread Indirect Branch Predictors (STIPB) zum Schutz gegen Spectre-Lücken. Das Einschalten von STIPB bremste Vorab-Versionen von Kernel 4.20 in vielen Benchmarks aus. Hinterher stellte sich heraus, dass STIPB standardmäßig abgeschaltet sein wird und man ohnehin an einer besseren Alternative arbeitet.

Wer sich einen neuen PC bauen möchte – Tipps dazu gibts ab Seite 72 in diesem Heft –, ärgert sich womöglich über hohe Preise: Intels Lieferschwierigkeiten verteuern Prozessoren und die RAM-Preise sinken nur langsam. Letzteres soll sich zumindest in China ändern: Dort droht Samsung, SK Hynix und Micron – fast möchte man sagen, „den üblichen Verdächtigen“ – mächtig Ärger. Staatliche Stellen sehen „starke Belege“ für illegale Preisabsprachen. Es wäre ja nicht das erste Mal. (ciw@ct.de)