c't 25/2018
S. 3
Editorial
Peter Siering

Smart geschmäht

Haben Sie sich auch schon darüber gewundert, was Ihr neuer Fernseher für famose Dinge anzeigt? Gleich nach dem Einschalten erscheint auf der Startseite Werbung, wie Sie noch smarter fernsehen können. Ist gerade die Schüssel abgestürzt oder hat der Bagger das TV-Kabel gezupft, kein Problem: Dank Internet holt das neumodische Wohnzimmeraccessoire sofort mehr als ein Dutzend Koch-, Reise-, Boot-, Einrichtungs- und Shoppingsender ins Haus. So kommt nie Langeweile auf.

Kurzweilig war es auch, mit Man in the Middle, Sniffern und SSL-Strippern auf den Netzwerkverkehr der smarten TV-Geräte loszugehen (siehe S. 74). Bei der Menge der Pakete, die die Geräte in jede erdenkliche Himmelsrichtung versenden, verging uns Hören und Sehen. In dem kreativen Raum fielen uns mehr Schmähungen für die TV-Gerätehersteller ein, als wir in den Artikeln unterbringen konnten.

Samsung & Co. sind wie der schmierige Portier im Stundenhotel, der selbst die letzte Besenkammer des Etablissements untervermietet. Wie viel Geld mögen die Koreaner dafür kassieren, dass sich die Apps von Netflix, Amazon, Maxdome & Co. nicht deinstallieren lassen und noch dazu munter nach Hause telefonieren dürfen?

Die Personen, die im HbbTV-Konsortium die technischen Grundlagen auswürfeln, sehe ich champagnersaufend am Pool liegen: Seit mehreren Jahren definieren sie, wie Internet und TV-Broadcast zusammenfinden. In der bisherigen Fassung kam das Wort Privatsphäre nicht einmal vor. Anfang 2018 haben Sie es geschafft, ihr ganze drei Seiten der 300 Seiten langen Spezifikation zu widmen. Chapeau! Wie wenig wegweisend der Schritt ist, zeigt die verwendete Technik: Der smarte Fernseher sendet im Header seiner Anfrage "Do Not Track" - im Web gilt die Technik als gescheitert.

Schmunzelte ich vor unseren Tests noch über Kollegen, die seit jeher ihrem Smart-TV den Internetzugang verwehren, habe ich jetzt Verständnis: Selbst wenn man sich heute vergewissert, dass das eigene TV-Gerät nur moderat nach Hause telefoniert, so kann sich das mit dem nächsten automatisch installierten Firmware-Update ändern. Insofern kann ich, falls die Null-Byte-Diät für Ihr Gerät nicht in Frage kommt, nur empfehlen, dem Plappermäulchen einen individuellen Maulkorb zu verpassen (siehe S. 78). Dabei hilft das Motto "weniger Netzwerkverkehr ist mehr" - das könnten auch die Hersteller beherzigen. Vielleicht liest dort ja jemand mit ...

Unterschrift Peter Siering Peter Siering

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