c't 25/2018
S. 34
News
Samsungs Digitalassistent Bixby

Der 22-Milliarden-Dollar-Assistent

Warum Samsung viel Geld in seinen unbeliebten Digital-Assistenten Bixby und andere KI-Dienste steckt

Wer heute von digitalen Assistenten spricht, meint meist die von Amazon, Google oder Apple. Mit Bixby will Samsung die Troika nun aufmischen. Aber macht der Dienst Samsung-Geräte wirklich besser?

Soll demnächst auf den Markt kommen: der Netzwerk-Lautsprecher Galaxy Home Speaker mit Bixby.

Bixby dürfte den meisten Nutzern von aktuellen Samsung-Mobilgeräten nicht nur ein Begriff sein, sondern der digitale Assistent ist ihnen wahrscheinlich auch schon negativ aufgefallen: Die fest verdrahtete Bixby-Taste an S8, S9, Note 8 und Note 9 darf man nämlich nicht für andere Funktionen verwenden – entweder startet der Knopf Bixby oder tut gar nichts. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil der Digitalassistent bislang gar kein Deutsch versteht. Zwar soll der deutsche Bixby noch in diesem Jahr erscheinen, aber er ist auch schon heftig verspätet: Das S8 mit dem Bixby-Knopf kam im April 2017, die deutsche Übersetzung war für Ende 2017 angekündigt.

Nun gibt Samsung Gas. Mit Hochdruck arbeiten in Deutschland rund 100 Mitarbeiter an der Lokalisierung, heißt es auf Nachfrage. Auch ohne deutsche Fassung würde Bixby bereits von „einer sechsstelligen Anzahl“ an Nutzern in Deutschland regelmäßig verwendet.

Noch spielt Bixby keine Rolle

Dennoch: Im Vergleich zu den Assistenten von Google, Amazon und Apple spielt Bixby noch keine Rolle. Das will Samsung dringend ändern und nimmt dafür ordentlich Geld in die Hand. Bis 2020 sollen sage und schreibe 22 Milliarden US-Dollar in KI-Dienste wie Bixby investiert werden, sprich: Samsung will etliche Machine-Learning-Experten einstellen und KI-Firmen aufkaufen.

Dabei bedient man sich auch bei Mitarbeitern der Konkurrenz. So haben zum Beispiel die beiden führenden Köpfe hinter Bixby ursprünglich die Digitalassistentin Siri für Apple entwickelt. Danach gründeten Dag Kittlaus und Cheyer das Unternehmen Viv, das Ende 2016 von Samsung gekauft wurde. Als Leiter von Samsungs KI-Sparte wurde kürzlich Larry Heck eingestellt, der maßgeblich an der Entwicklung von Microsofts Cortana beteiligt war. Auch am Google Assistant hat er von 2014 bis 2017 als Forschungsleiter mitgearbeitet.

Kein Zweifel, Samsung will Bixby in den Markt drücken, koste es, was es wolle. Denn die Luft auf dem Hardware-Markt wird dünner. Samsungs Smartphone-Topmodell S9 hat die Verkaufsziele nicht erreicht, während die Konkurrenz aus China aufdreht: Die Geräte von Huawei, Xiaomi oder Oppo sind nicht nur günstig, sondern werden auch qualitativ immer hochwertiger.

Deshalb will Samsung nun keine reine Hardware-Firma mehr sein, sondern zum Software- und Dienstleistungsunternehmen werden. Das Unternehmen verspricht, dass 2020 jedes aktuelle Samsung-Gerät „smart“ und „connected“ ist, sprich: über Bixby bedienbar sein wird. TV-Gerät, Waschmaschine, Trockner, Kühlschrank, Mikrowelle und sogar der Staubsauger – alles vernetzt und per Sprache steuerbar.

Offen für Entwickler

Gleichzeitig will man Bixby öffnen. Der Assistent soll nicht nur auf Nicht-Samsung-Geräten laufen (eine Variante für alle Android-Smartphone ist in Entwicklung), sondern vor allem zur Spielwiese für Entwickler werden. Diese können künftig sogenannte „Capsules“ (Kapseln) bauen und damit ihre eigenen Dienstleistungen über Bixby den Nutzern zur Verfügung stellen. Für die Entwicklung stellt Samsung das umfangreiche Bixby Developer Studio zur Verfügung, mit dem Entwickler Zugriff auf das Natural-Language-Modul haben. Anders als bei anderen Systemen, die nur mit festen Phrasen funktionieren, sollen Nutzer in diesen Erweiterungen natürliche Sprache verwenden können. Die Entwickler geben zwei, drei Phrasen vor (zum Beispiel „Buch mir ein Zimmer in Hannover“ und „Reserviere ein Hotel in Hannover“). Per Machine Learning soll das System dann in der Lage sein, auch anders formulierte Befehle zu verstehen und diese miteinander zu verknüpfen („Wie ist das Wetter in Hannover? Buch mir bitte ein Zimmer dort.“)

Samsung demonstrierte Journalisten sehr komplexe Bixby-Anwendungen von externen Anbietern, beispielsweise von Fintel Labs: Hier können Nutzer den Sprachassistenten nach ihrer finanziellen Situation befragen, beispielsweise wie viel Geld sie in diesem Monat bereits für Kneipenbesuche ausgegeben haben – nichts für datensparsame Menschen.

Die große Frage bleibt: Schaffen es die Koreaner, dass Bixby zu einem Kaufgrund wird statt zu einem Ärgernis? Soll das gelingen, muss der digitale Assistent auf jeden Fall Funktionen bieten, die die aktuellen Marktführer nicht beherrschen – ohne Mehrwert dürfte Samsungs Bixby wenig Chancen haben. Das umfangreiche Entwicklerkit mit KI-Funktionen ist schon mal ein Anfang. (jkj@ct.de)

c’t-Redakteur Jan-Keno Janssen wurde von Samsung zur SDC nach San Francisco eingeladen.