c't 21/2018
S. 144
Hintergrund
Blockchain im Auto
Aufmacherbild
Bild: Thorsten Hübner

Kettenfahrzeug

Blockchain zwischen Marketing-Masche und Mehrwert

Die Automobilindustrie hat die Blockchain für sich entdeckt. Die einen sehen sie als Gamechanger, Kritiker bezweifeln die Marktreife der neuen Technik für die Anwendung in Auto und Verkehr.

Künftig könnte das Auto selbst sein Parkticket lösen oder den Strom an der Ladesäule bezahlen – nicht mit einem klassischen Zahlungsmittel, sondern mit einer passenden Kryptowährung. Die verdient man mit der Freigabe von Daten, die rund um das Fahrzeug und im Fahrzeug erhoben werden: Das können Fahrprofile, Sensordaten oder anonymisierte Reisedaten sein. Die gesamte Automobilindustrie arbeitet mit Hochdruck an Konzepten und Standards, um diesen Datenpool zu verwerten. Es geht um automatisierte Transaktionen mit höchstmöglicher Fälschungssicherheit unter strenger Einhaltung des Datenschutzes. Dabei spielt die Blockchain-Technik in den Szenarien der verschiedenen Konzerne und Start-ups eine zentrale Rolle.

Zwar sind viele dieser Konzepte noch in Utopia angesiedelt, gleichwohl werden hier und da bereits erste Pflöcke eingeschlagen: So schlug das Bundesverkehrsministerium im vergangenen Jahr einen „Datenausweis“ vor, mit dem Fahrzeughalter ihre personenbezogenen Mobilitätsdaten verwalten und veräußern können. Hierfür soll eigens ein neues Recht an Dateneigentum geschaffen werden (siehe c’t 11/2017, S. 30).

Das Blockchain-Prinzip

Technisch soll der neue Datenmarkt über öffentlich und dezentral geführte Kontenbücher abgewickelt werden (DLT, Distributed Ledger-Technologie). Sie bilden die Grundlage für virtuelle Währungen wie den Bitcoin und zeichnen Transaktionen von Nutzer zu Nutzer auf. Den technischen Unterbau für einen Distributed Ledger bildet meist eine Blockchain (siehe Infokasten).

Smarte Verträge

Mit „Smart Contracts“ ließen sich Nutzungskonditionen festlegen, die Bezahlung abwickeln und manipulationssicher speichern. Im Hintergrund arbeiten „automatisch ausführbare Programme, die auf der Blockchain aufbauen und vordefinierte Transaktionsspielregeln im Programmcode abbilden“, wie Shermin Voshmgir erklärt, die für die Technologiestiftung Berlin eine Blockchain-Studie erarbeitet hat. Eine Transaktion wird nur dann ausgeführt, wenn alle beteiligten Parteien die vereinbarten Konditionen erfüllen. Die Zahl der Teilnehmer sowie deren Rechen- und Übertragungsgeschwindigkeiten stellen eine kritische Größe dar und entscheiden über die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems.

Start-ups, aber auch etablierte Unternehmen setzen auf die Blockchain, die bekannteste der Distributed-Ledger-Technologien. Die Aufmerksamkeit ist den Unternehmen damit automatisch sicher, wessen sie sich offensichtlich bewusst sind: Porsche beispielsweise stellt die trendige Technik gleich in die Mitte eines Werbespots. Erst auf den zweiten Blick lässt sich erkennen, dass Porsche zum jetzigen Zeitpunkt lediglich zum Thema forscht.

Auch die in Berlin beheimatete IOTA-Stiftung will mit der Digitalwährung Miota in den Mobilitätsmarkt einsteigen. Autonome Fahrzeuge sollen Parktickets selbstständig bezahlen oder über einen Online-Marktplatz Daten von Wetterstationen nutzen. Neben Konzernen wie der Deutschen Telekom und Volkswagen ist auch die Robert Bosch Venture Capital bei IOTA im Aufsichtsrat vertreten.

Private Blockchains

Aus München kommt das Start-up Cloudeo, das Geodaten jeder Art verarbeiten möchte: Daten von Satelliten, Flugzeugen, Wetterdiensten und Smartphones, die über Smart Contracts an den Mann gebracht werden sollen. Im Rahmen eines Pilotprojekts mit der European Space Agency hat das Unternehmen bereits die Verwendung von Token (Credits) als Zahlungsmittel für Satellitendaten implementiert. In naher Zukunft wollen die Entwickler ein größeres dezentrales Netzwerk etablieren, um die gesamte Geoservice-Industrie zu „tokenisieren“.

Gründer Manfred Krischke gibt zu bedenken, dass die derzeit in der Bitcoin-Blockchain eingesetzten Verfahren aus seiner Sicht „gänzlich ungeeignet“ seien, um die im Mobilitätsbereich notwendigen hohen Transaktionsgeschwindigkeiten bei gleichzeitig niedrigen Kosten zu erreichen. Denn das übliche dezentrale Ablegen von Informationen in vielen Knoten erhöht die zu verarbeitende Datenmenge im Vergleich zu einer zentralisierten Ablage um ein Vielfaches. Auch sei die Kommunikation zwischen den einzelnen Knoten der Blockchain mit einem deutlich höheren Zeitaufwand verbunden.

Cloudeo speichert die eigentlichen Geodaten daher auf zentralen Servern und legt nur den Hash der Daten in der Blockchain ab. „Die Anzahl der Hashes und damit der in der Blockchain zu verarbeitenden Daten lässt sich zusätzlich durch zusammenfassende Super-Hashes reduzieren“, erklärt Krischke. Für ihn kommen mittelfristig nur Blockchains in Betracht, deren Konsensmechanismen deutlich effizienter arbeiten als die des Bitcoin-Systems. Hierzu zähle der „Delegated Proof of Stake“, den beispielsweise das Blockchain-Protokoll EOS benutzt. Dabei erhält die Stimme jeweils desjenigen Nutzers ein höheres Gewicht, der über einen höheren Mengenanteil an Token verfügt. Außerdem hält der Cloudeo-Gründer es für „akzeptabel“, in der Geodaten-Community mit maximal zehn bis zwanzig Partnern zu arbeiten und das System durch eine geringe Anzahl von Knotenpunkten zu beschleunigen.

Manfred Krischke hofft, dass sich seine Geoinformationen auch als Prognoseinstrument für das vernetzte Fahren verwenden lassen, etwa als Ergänzung des eHorizon – der den vernetzten Fahrzeugen der Zukunft Echtzeitinformationen zur Fahrumgebung bereitstellen soll. Anstatt den Dienst als langfristiges Abo abzuschließen, könnte ein Fahrzeughalter ihn flexibel nach Bedarf buchen, etwa einen Warndienst vor Schneeglätte, der nur bei bestimmten Temperaturen aktiv wird. Noch konnte Krischke aus der Automobilindustrie keine Aufträge an Land ziehen – vielleicht, weil diese schon selbst mit Hochdruck an dem Thema arbeitet.

Standardisierungsfragen

Die BMW Group hält die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) derzeit noch nicht für „Enterprise-fähig“. Gleichwohl ließen sich mit der Technik auch nach Meinung von BMW möglicherweise neue Mobilitätskonzepte umsetzen. Dazu müssten aber zuerst entsprechende industrieübergreifende Standards, zum Beispiel bei den Smart Contracts, geschaffen werden. BMW befinde sich aus diesen Gründen in vielen Anwendungsbereichen noch in der Bewertungsphase, so der Sprecher.

Die BMW Group sieht sich derzeit über alle Geschäftsbereiche hinweg an, ob und wie sich DLT einsetzen lässt. Zum einen könnte eine Anwendung entlang der klassischen Wertschöpfungskette von der Entwicklung bis zum Vertrieb stattfinden, etwa bei der Bauteilerückverfolgung. Zum anderen gebe es Anwendungsbereiche im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen wie Connected Car Services, Parken, Sharing oder Laden.

Im Forschungskonsortium „Mobility Open Blockchain Initiative“ (MOBI) arbeitet BMW zudem mit Partnern aus der Automobilindustrie sowie Banken und Versicherungen an Themen wie Fahrzeugidentität, -historie und -daten, der Lieferkettenverfolgung und Fahrzeugeffizienz. Mit anderen Automobilherstellern will BMW dort „begünstigende Standards schaffen und den Zugang zu den neuesten aufkommenden Technologien sichern“.

Ein naheliegender Bereich ist die Ladesäule. Dort drängeln sich derzeit mehrere Mobilitätsdienstleister mit jeweils eigenen Abrechnungssystemen. Das ist so offensichtlich kundenunfreundlich, dass schon der Gesetzgeber auf Schaffung eines offenen Standards drängt. Über DLT ließe sich nach den Vorstellung von BMW ein einziger Abrechnungspunkt realisieren.

Autonome Fahrzeuge

Vor allem von den autonomen vernetzten Fahrzeugen versprechen sich die Autohersteller das Aufkommen neuer Geschäftsbereiche: Sie lassen sich von Einsatz zu Einsatz flexibel einplanen und buchen. Ein Roboterfahrzeug könnte 24 Stunden „im Dienst“ sein, wobei der Hersteller als Mobilitätsdienstleister den Nutzern das Fahrzeug über ein Kurzzeit-Leasing überlässt. Statt in festgelegten Wartungsintervallen sollen Bauteile künftig nur bei tatsächlichem Verschleiß ausgetauscht werden. Ein Blick auf die Fahrzeugdaten soll für eine erste Beurteilung des Fahrzeugzustands, aber auch zur Beurteilung des Kundenfahrstils außerhalb des Automatikmodus genügen.

Auf dieser breiten Datenbasis ließen sich gemeinsam mit Versicherungen die Leasingkonditionen auf einzelne Fahrer anpassen. Heiko Musa, Blockchain-Experte von BMW: „Blockchain wird da wichtig, wo Vertrauen ein Thema ist: Was digital abgebildet wird, muss dem realen Zustand entsprechen.“ Das sei besonders für Leasingverträge interessant, da sich Manipulationen am Fahrzeug unmittelbar auf dessen Wert auswirken können.

Automobilzulieferer Bosch zählt zu den Blockchain-Pionieren der Autoindustrie: Er ist nicht nur bei MOBI dabei, sondern hat 2017 mit internationalen Partnern die „Trusted IoT Alliance“ gegründet, ein neues Bündnis rund um Blockchain und verwandte Technologien. Bereits im vergangenen Jahr hatte Bosch eine Blockchain-Datenbank-Lösung gegen Tachomanipulationen vorgestellt: Das Auto sendet in regelmäßigen Abständen den aktuellen Tachostand an eine sichere und weltweit verfügbare dezentrale Datenbank.

Die Echtheit der Angaben wird über ein Zertifikat nachgewiesen. Alle übertragenen Daten sind außerdem kryptografisch verschlüsselt und lassen sich ausschließlich vom Fahrzeugbesitzer auslesen. Weder Bosch noch Projektpartner TÜV Rheinland noch der Erstausrüster können die Fahrzeug-Identifikationsnummer sowie den zugehörigen Tachostand einsehen. Beim Fahrzeugverkauf kann der Besitzer entscheiden, ob er das Zertifikat erstellen und somit die Echtheit der aufgezeichneten Daten bestätigen lassen möchte. Weitere Anwendungsbereiche sieht Bosch beim Fälschungsschutz von Fahrzeugkomponenten oder der digital gesteuerten Kopplung mehrerer Fahrzeuge im fahrenden Betrieb, dem fahrzeugherstellübergreifenden „Platooning“.

Vom Dongle zum Datenmarkt

Über die App des smarten Kfz-Chargers von Nonda kann der Nutzer schon heute Fahrdaten gegen eine Kryptowährung freigeben. Bisher lassen sich die gesammelten CarBlock Token allerdings nirgendwo einlösen.

Zweifellos versprechen sich viele Unternehmen von DLT neue Geschäftsmöglichkeiten. Der Start-up-Markt brummt und wirbt aggressiv um neue Investoren. Das chinesische Start-up-Unternehmen CarBlock beispielsweise wirbt mit Bosch und BMW als „Major Partner“. Beide Unternehmen wissen davon jedoch nichts und verweisen darauf, dass man lediglich gemeinsam bei MOBI aktiv sei.

Interessant ist jedenfalls, dass das Geschäftsszenario von CarBlock davon ausgeht, dass es die Rechtsform des Dateneigentums gibt und dass sich per Blockchain automatisch erhobene Fahrzeugdaten mit Eigentumsrechten verknüpfen lassen. Konkret werden die Daten über einen Fahrzeug-Dongle des Hardware-Partners Nonda erhoben und über eine Smartphone-App verarbeitet. CarBlock gibt eigene Token aus, mit denen die Daten dann per Smart Contracts vermarktet werden sollen. Nonda ist derzeit schwerpunktmäßig auf dem US-Markt aktiv. Hiesige Dongle-Anbieter wie PACE, die ähnlich wie Nonda arbeiten, planen nach eigenen Angaben derzeit keine Datenvermarktung per Blockchain.

Die Münchner BMW Group diskutiert einen weiteren Einsatzzweck für die Blockchain: Es geht um die Frage, wie sich die Nachweispflichten für Originalteile abbilden lassen, wenn die Anforderungen an die Qualität künftiger Bauteile für autonome Fahrzeuge weiter ansteigen. So könnten lizenzierte 3D-Drucker Originalteile beim Händler auf Basis der digitalen Konstruktionspläne der BMW Group ausdrucken und den Druck mit Blockchain-Technik absichern.

Einen konkreten Schritt in diese Richtung geht die Luftfahrtindustrie in dem vom Bundeswirtschaftsministerium bis 2019 geförderten Projekt „Secure Additive Manufacturing Plattform“ (SAMPL). Hier wird erprobt, wie eine Ende-zu-Ende-Security-Kette von der Entstehung digitaler 3D-Druck-Daten über den Austausch mit dem 3D-Druckdienstleister bis in das gedruckte Produkt hinsichtlich Urheber- und Produkthaftungsrecht aussehen könnte.

Ein RFID-Chip wird in den gedruckten Bauteilen integriert und sichert deren Kennzeichnung ab. Zusätzlich zu den verschlüsselten 3D-CAD-Daten setzt SAMPL das digitale Lizenzmanagement auf Basis von Blockchain-Technologie um, die in einer Datenaustauschlösung sicher nachweisbare Transaktionen ermöglichen soll. Die Lizenz regelt beispielsweise, wie oft man ein Bauteil drucken darf. Damit sollen sich später Originale von Fälschungen unterscheiden lassen. An SAMPL sind auch Daimler EvoBus und Airbus beteiligt.

Recycling

Ein weiterer Einsatzbereich von DLT könnte sich auf das Ende im Lebenszyklus eines Fahrzeugs beziehen: So verfügen die Hersteller von Fahrzeugen inzwischen immer auch über ein digitales Abbild der Produkte und wissen genau, an welcher Stelle welche Materialien verbaut sind, wertvolle Rohstoffe etwa. Der Rat für nachhaltige Entwicklung fordert daher ein gemeinsames Datenmodell für das Recycling, um dieses effektiver und günstiger zu gestalten. Das Datenmodell soll auf Open-Source- und Open-Data-Basis erstellt werden, damit der Verbraucher entscheiden kann, welche Produkte besonders recyclingfähig sind.

Die Abfallwirtschaft arbeitet schon lange mit Sensoren, die Werkstoffe unterscheiden, um sie der sortenreinen Rückgewinnung zuführen zu können. Wüssten die Entsorger vorher, wo welche Stoffe im Fahrzeug stecken, könnten sie diese gezielter extrahieren. Bislang gibt es keinen strukturierten Diskussionsprozess zwischen Herstellern und Wiederverwertern zum hierfür notwendigen Datenaustausch. Dieser „sollte selbstverständlich auch Geschäftsgeheimnisse würdigen“, meint Recycling-Spezialist Ralf Holzhauer von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen.

So könnte beispielsweise ein aus seltenen Erden hergestellter Magnet mit einem RFID-Chip ausgestattet sein, um ihn bei der Wiederverwertung individuell erkennen zu können. Ein so gekennzeichnetes Bauteil könnte selbstständig mit dem Recycling-System seinen aktuellen Preis aushandeln und per Smart Contract die Verwertungsbedingungen festlegen.

Holzhauer weist darauf hin, dass das durchschnittliche Alter der aktuell in der Verwertung befindlichen Altfahrzeuge bei über 16 Jahren liegt, und sagt: „Die Menge an Fahrzeugen, die vermehrt seltene Erden enthalten, wird in den kommenden Jahren steigen.“ Diese besonders wertvollen Rohstoffe werden beispielsweise in Magneten und Displays eingesetzt. DLT-Techniken sind nach Einschätzung von Holzhauer dort interessant, wo sie zu einem insgesamt günstigeren Recyclingprozess beitragen können.

Rechtsfragen

Bosch zählt zu den Pionieren in Sachen Blockchain. Vergangenes Jahr stellte das Unternehmen eine Lösung zum Schutz vor Tachomanipulation vor. Bild: Bosch

Die Rechtsfragen rund um die Blockchain sind momentan völlig ungeklärt. Deshalb lässt das Bundesverkehrsministerium derzeit gutachterlich von Juristen prüfen, ob sich die Distributed Ledger-Technologien im Mobilitätsbereich auf einem öffentlichen Datenmarktplatz rechtssicher einsetzen lassen. Denn möglicherweise werden sie „zum prägenden Faktor einer zukünftigen Datenökonomie samt Verfügungsfragen“, so das Ministerium.

Die Rechtsanwältin Claudia Otto, Herausgeberin der Zeitschrift „Recht innovativ“, hält die Frage des rechtssicheren Einsatzes von Blockchain in der Mobilität im Moment noch für problematisch und verweist auf die Möglichkeit, dass sich elektronische Verluste praktisch revidieren lassen. Im Jahr 2016 genügt im Ethereum-Netzwerk um die „Distributed Autonomous Organisation“ (DAO) hierfür einfache Protokolländerungen.

Kunden in Mieter-Vermieter-Netzwerken könnten „das gezahlte Nutzungsentgelt nach erfolgter Nutzung des Mietfahrzeugs anderweitig ausgeben wollen und geschlossen in Mehrheit zurückverlangen“, meint Otto. Dies sei in einem Netzwerk ähnlich Bitcoin oder Ethereum grundsätzlich möglich. Auch könnte eine einzige Person qua Wissensvorsprung Transaktionen manipulieren und Zahlungsmittel mehrfach einsetzen. Nicht zuletzt hält auch Otto die Datenverarbeitung in der Blockchain für viel zu langsam und schwerfällig.

Da die Entwicklung in Richtung öffentlich zugänglicher Plattformen ginge, müsse man sich bei der Übermittlung personenbezogener Daten die verschiedenen Anwendungsfälle genau ansehen, warnt Otto. Denn in diesen Fällen könne grundsätzlich jedermann die Daten einsehen, gleichzeitig könne aber nicht darüber informiert werden, wohin die Daten gehen. Insbesondere bei einem staatlichen Einsatz von DLT müsse ausgeschlossen sein, dass die Verbraucher ihre Daten gegen soziale Teilhabe eintauschen müssten. „Wenn man Pech hat, verändern sich die Machtverhältnisse so, dass Missbrauch stattfindet“, warnt Otto und kommt daher zu dem vorläufigen Schluss: „Aktuell würde ich sagen: Finger weg!“

Kettenprobleme

Es wird verständlich, warum Investoren jetzt den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg nicht verpassen wollen. Das aber heizt die Phantasie des Marktes derart an, dass es eine Herausforderung bleiben wird, realistische von unrealistischen Szenarien zu unterscheiden. Die aktuell diskutierten Einsatzmöglichkeiten zeigen, warum es für Automobilhersteller gerade jetzt wichtig ist, sich mit DLT zu beschäftigen: Sie erschließen damit neue Dienstleistungen, die das Fahren mit den vernetzten und autonomen Fahrzeugen der nahen Zukunft angenehmer machen. Wer die technischen und rechtlichen Probleme als Erster in den Griff bekommt, hat das Zeug dazu, den Automobilmarkt weltweit zu beherrschen.

Kernanforderung ist ein robustes Antwortverhalten, möglichst in Echtzeit, auch bei großen Transaktionsmengen. Dabei wird das Prinzip der Blockchain, Transaktionen einfach hintereinanderzuheften, rasch zum Bremsklotz. Der erhöhte Rechenaufwand geht zudem mit höheren Energiekosten einher. Neben offenen Rechtsfragen ist auch unklar, ab welcher Größenordnung sich die neuen Geschäftsmodelle lohnen und welche Rechen- und Übertragungsgeschwindigkeiten dafür nötig sind. Ob DLT und Blockchain wirklich zu einer nachhaltigeren Mobilität führen, bleibt damit offen.

Zwar ist nicht davon auszugehen, dass sich selbst scheinbar einfache Vorgänge wie das automatische Bezahlen von Parktickets schon im nächsten Jahr umsetzen lassen. Doch DLT wird die Art und Weise, wie wir heute über Mobilität denken, völlig umkrempeln. (sha@ct.de)