c't 18/2018
S. 18
News
Glasfaser-Ausbau
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Bild: Deutsche Telekom

Ausbau-Tricks

Trittbrettfahrer bremsen Glasfaserausbau

Eine Lücke im Telekommunikationsgesetz erschwert kommunalen Eigenbetrieben den Breitbandausbau. Verlegen sie Glasfaserkabel, verlangen private Konkurrenten vielerorts, eigene Glasfaser-Kabel mitzuverlegen. Das Gesetz soll nun zügig nachgebessert werden.

Normalerweise sind Monopole das Problem. Aber manchmal entstehen durch privaten Wettbewerb bizarre Konstellationen. Ein Fall, wie er sich in Deutschland offenbar schon öfter abgespielt hat: Nach langer Vorbereitung gehen die Stadtwerke einer deutschen Kommune endlich daran, Glasfaserkabel zu verlegen. Ein privater Konkurrent nutzt die Gunst der Stunde – und verlegt zusätzlich noch eigene Kabel, sodass ein zweites Glasfasernetz entsteht. Dabei beruft sich das Unternehmen auf § 77i TKG, der die Koordinierung von Bauarbeiten und die Mitverlegung regelt, und bekommt dabei noch Unterstützung von der Bundesnetzagentur, die über die Umsetzung des Rechts wacht, und muss außer den eigenen Kosten nur Mehrkosten für die Verlegung übernehmen, die den Stadtwerken entstehen.

Die Firmen rechnen genau durch, ob sich ein Ausbau lohnt. Die Investitionen sind erheblich, rund 2000 Euro müssen im Durchschnitt pro Hausanschluss eingeplant werden.

Üblicherweise geht einem Glasfaserausbau deshalb eine Vorvermarktung voran. Mit Werbung und öffentlichen Informationsveranstaltungen trommeln die Unternehmen für ihre neuen Internetanschlüsse, klären Hauseigentümer über die Bauarbeiten auf und versuchen so schon im Vorfeld, Kunden zu gewinnen. Nur wenn mindestens 40 Prozent der anzuschließenden Haushalte einen verbindlichen Vorvertrag unterzeichnen, lohnt sich der Ausbau. Wird die Quote nicht erreicht, wird das Projekt eingestellt oder verschoben. Meistens sind die Einwohner aber froh, wenn ihr Bandbreitenproblem so nachhaltig gelöst wird.

Wenn nun ein anderes Unternehmen auftaucht und ein eigenes Glasfaserangebot macht, wirft das diese Kalkulation über den Haufen. Besonders oft macht das die Telekom, klagen die Wettbewerber.

Gesetzeslücke

Ursache für diese Situation ist § 77i des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Das Gesetz zielte eigentlich auf ohnehin nötige Leitungsarbeiten ab: Wenn Gas, Wasser oder Strom verlegt werden und die Straße dazu aufgerissen wird, können Telekommunikationsfirmen diese Gelegenheit nutzen und dringend benötigte Breitbandanschlüsse günstig verlegen. Die öffentliche Hand ist verpflichtet, mit den Breitbandanbietern zu kooperieren. Das ist durchaus sinnvoll, denn so werden unnötige Erdarbeiten vermieden und der Glasfaserausbau, bei dem Deutschland im EU-Vergleich heftig hinterherhinkt, beschleunigt.

Nur hat man im Gesetzestext nicht präzise spezifiziert, für welche Art von Arbeiten das genau gilt, und einen Ausbau von Glasfasernetzen nicht ausgenommen – und damit unbeabsichtigt die Tür für einen sogenannten Überbau aufgestoßen, also den Bau einer zusätzlichen Infrastruktur.

Der Überbau eines Glasfasernetzes durch das eines Konkurrenzunternehmens beim Neubau einer Breitbandversorgung führt zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung. Im Vergleich zu den eigentlichen Kosten für die Tiefbauarbeiten sind die zu tragenden Eigen- und Mehrkosten ein Schnäppchen. Die gut gemeinte Vorschrift erweist sich dadurch in vielen Fällen als Risiko für das öffentliche Unternehmen und damit als Ausbaubremse.

Unstimmigkeiten gibt es schon um die Definition, wann Bauarbeiten „ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert“ werden, wie es der Gesetzestext vorgibt. Nur dann greift der Passus, nach dem eine Mitverlegung zu koordinieren ist. Ist das nicht der Fall, kann niemand einen Anspruch auf Mitverlegung anmelden. Die kommunalen Unternehmen können sich also nicht einfach revanchieren und sich in einen Telekom-Ausbau einhängen, denn die Telekom gilt trotz staatlicher Beteiligung als Privatunternehmen.

Unstreitig ist die Finanzierung, wenn öffentliche Gelder direkt in einen Ausbau der Infrastruktur fließen, also beispielsweise die Kommune als Auftraggeber Gas- oder Wasserleitungen verlegt. Umstritten ist aber, ob die Vorschrift auch dann gilt, wenn Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen Hand die Arbeiten ausführen, wie es bei Breitbandprojekten oft der Fall ist. Die Bundesnetzagentur sieht das als gegeben an.

Ministerium will nachbessern

Das Gesetz ist gerade einmal 16 Monate alt, soll aber nun erneut geändert werden. Ein Referentenentwurf des BMVI sieht vor, den Gesetzestext um einen weiteren Satz zu ergänzen, um die Möglichkeit für einen Glasfaser-Überbau prinzipiell auszuschließen: „Anträge sind insbesondere dann unzumutbar, soweit durch die zu koordinierenden Bauarbeiten ein geplantes Glasfasernetz, das einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt, überbaut würde.“

Der Branchenverband Breko (Bundesverband Breitbandkommunikation), der auf das Überbau-Problem immer wieder aufmerksam gemacht hatte, begrüßt die geplante Änderung zwar ausdrücklich, hält aber eine weitere Klarstellung in dem Gesetzesentwurf für unverzichtbar: „Der Gesetzgeber muss klar definieren, was unter ‚öffentlich (teil-) finanzierten Bauarbeiten‘ zu verstehen ist. Solche liegen nach unserer Auffassung nur dann vor, wenn diese unmittelbar aus öffentlichen Haushaltsmitteln finanziert werden, also in erster Linie dann, wenn es um einen Glasfaserausbau mit Fördergeldern geht“, erklärt Pressesprecher Marc Kessler.

Auch die Einschränkung auf Netze mit offenem Zugang sieht der Verband kritisch. Unternehmen mit einer direkten oder auch nur indirekten kommunalen Beteiligung wie etwa Stadtwerke, die wichtige Träger des Glasfaserausbaus in Deutschland sind, dürften nach Ansicht des Breko von dieser Definition nicht erfasst werden. „Hier werden kommunale Unternehmen, die eigenwirtschaftlich Glasfaser ausbauen, schlechter gestellt als ihre privaten Konkurrenten“, kritisiert Kessler.

Die Telekom hingegen sieht die geplante Novelle kritisch, weil dadurch „neue Gebietsmonopole“ entstünden. In der Sache trifft das durchaus zu; Glasfaseranbieter sind in ihren Anschlussbereichen bislang konkurrenzlos und müssen ihren Mitbewerbern keine Vorleistungen anbieten. Das wird sich erst ändern, wenn die Novelle wie jetzt geplant durchkommt, denn dann müssten öffentlich geförderte Internetanschlüsse einen offenen Netzzugang bereitstellen, wenn sie sich die Konkurrenz im eigenen Kabelgraben vom Hals halten wollen. (uma@ct.de)