c't 17/2018
S. 122
Reportage
Zeitmessung
Aufmacherbild

Rasende Reporter

Zeiten messen und Daten sammeln bei der Tour de France

Gelbes Trikot oder goldene Ananas? Beim Radrennen Tour de France entscheiden oft Millimeter beim Zielsprint. Vom verblüffenden Spagat zwischen Technik-Overkill, Bastellösungen und verwirrenden Regeln – c’t ist ein Stück mitgefahren.

Vendée, Frankreich: Der rote Wimpel, auch Flamme rouge genannt, mobilisiert noch mal die Reserven: Es sind noch 1000 Meter bis zur Ziellinie in Fontenay-le-Comte, dem Zielort der ersten Etappe der Tour de France. Als Journalist darf ich gemeinsam mit zehn anderen und drei Begleitern auf dem Rennrad ein Stück mitfahren. Und zwar das letzte, bei dem nun jeder den Sprint anzieht. Es geht kurz hinunter, eine kleine Biegung fliegt vorbei. Mist, der Zielsprint führt bergauf. Das wird hart. Das Surren der Kette geht im infernalischen Lärm der Zuschauer am Straßenrand unter. In flirrender Juli-Hitze feiern sie die Tour, sich selbst und momentan auch uns, die wir wie entfesselt auf die Ziellinie zurasen, als ob die Steuerfahnder hinter uns her wären. Dort warten Kameras, die unser Eintreffen per Zielfoto zu Beweiszwecken festhalten.

Wäscheleine aus Pixelreihen

Als Hobby-Rennradfahrer hatte ich bislang mit Stoppuhren und mit Transpondern zu tun. Sie steckten meistens im Papierschild mit der Startnummer und hielten selbstklebend oder mit Kabelbindern am Rad. Holprige Gummimatten mit Transceiver-Antennen an Start und Ziel fragen das Transpondersignal ab. Das klappt auch bei Jedermann-Rennen mit etlichen tausend anderen Fahrern gut.

Monate zuvor hatte ich mit einer Pressevertreterin von Tissot über das Thema Zeitmessung beim Sport gesprochen. Dabei irritierte mich, dass das berühmteste Radrennen der Welt, die Tour de France, für die Zeitmessung auf das Fotofinish setzt, also auf eine jahrzehntealte Technik, bei welcher man an seltsam verzerrte Schwarzweiß-Bilder denkt. Doch für den Etappensieg zählt nun mal die Reihenfolge im Ziel, obwohl sich die Gesamtzeit der Tour nur mit der groben Sekundenteilung aufsummiert. Es endete damit, dass Tissot mich einlud, Details der mit der Swatch Group Schwestergesellschaft Swiss Timing betriebenen Technik vor Ort gemeinsam mit anderen Journalisten im wahrsten Sinne des Wortes zu erfahren.