c't 17/2018
S. 174
Hintergrund
Multilens-Smartphones
Aufmacherbild

Algorithmen statt Optik

Wie Smartphone-Kameras Spiegelreflex-Systeme imitieren

High-End-Smartphones versprechen höhere Lichtstärke, optisches Zoom und gestalterisch wertvolle Tiefenunschärfe: das begehrte Bokeh. Weil das rein optisch nicht möglich ist, kommt Computational Photography zum Einsatz: Den Spiegelreflex-Look simulieren Algorithmen und Multikamera-Systeme.

Die Miniaturisierung der Fotografie hat durchaus clevere optische Konstruktionen hervorgebracht. Dennoch muss ein lichtstarkes System mit hohem Zoomfaktor nach wie vor eine gewisse Länge haben und die Lichtstrahlen auf einem ausreichend großen Sensor bündeln – zumal wenn es gestalterisch wertvolle Tiefenunschärfe zeichnen soll, die den Hintergrund nahezu ausblendet und aus Lichtpunkten die charakteristischen scheibenförmigen Lichtreflexe formt. Ein Smartphone-Gehäuse ist dafür viel zu klein.

Deshalb greifen immer mehr Hersteller zu einem Trick. Sie bauen zwei oder mehr handelsübliche Kameramodule ins Gehäuse ein, die das Motiv simultan, aber auf unterschiedliche Art erfassen: aus leicht variierenden Perspektiven, mit unterschiedlichem Zoomfaktor oder in verschiedenen Farbspektren. Solche Arrangements liefern wertvolle Daten, die das Smartphone mit Hilfe diverser Algorithmen geschickt verarbeitet, um Tiefeninformationen zu gewinnen oder die Qualität bei schlechten Lichtverhältnissen durch Überlagerung der Einzelfotos zu verbessern (Image Fusion). Dafür werden klassische Algorithmen aus der Stereo-Fotografie intensiv weiterentwickelt, für den Smartphone-Einsatz optimiert und auf Effizienz getrimmt. In der Videoverarbeitung bewährte Verfahren werden ebenso als Alternative oder Ergänzung erprobt wie maschinelles Lernen.