c't 17/2018
S. 188
Story
Tiefschlaf
Aufmacherbild
Illustration: Jan Bintakies, Hannover

Tiefschlaf (2)

Fortsetzung vom letzten Heft

Bills Trainingshelm begann zu pulsieren. In weichen, massierenden Bewegungen schmiegte das integrierte Neuro-Interface sich seinem Gehirn an. Ein verwischter Lufthauch im Gesicht. Ameisen trabten seine Arme entlang bis zu den Fingerspitzen. Ein zartes Kribbeln in der Wirbelsäule. Der Helm vibrierte jetzt stärker – eine heiße Welle wie nach einem Adrenalinstoß überrollte Bill. Er hatte das Gefühl, sachte vor der riesigen Burj Khalifa zu landen, dem Schauplatz der Simulation. Gleichzeitig wusste er, dass er in Phantom City als Ausbilder vor seinen Kadetten saß und sich nicht rührte.

Er war im Spiel, beobachtete alles, aber für sie existierte er nicht. Er brauchte auch nicht auf Distanz zu achten – sie liefen einfach durch ihn hindurch. Die Gruppe war gut organisiert. Die Kadetten holten sich die Konstruktionspläne aus der Cloud, ließen eine Finite-Elemente-App laufen, die potenzielle Statikschwachstellen anzeigte, orderten in der Zentrale einen Drohnenschwarm, mit dem sie die Außenhülle entlang der tragenden Stützen von unten nach oben abscannten. Die hochempfindlichen Sprengstoffdetektoren fanden die Bomben in drei übereinanderliegenden Stockwerken. Expertensoftware analysierte den Zündmechanismus. Bill hatte, um den Stress zu erhöhen, einen Zeitzünder eingebaut, der ihnen nach der Entdeckung der Bomben nur gerade eben genug Zeit ließ, um das Gebäude zu räumen, wenn sie es effektiv machten. Sie verschwendeten wertvolle Zeit mit dem vergeblichen Versuch, die Bomben zu entschärfen. Alle Mechanismen waren individuell SSL-kodiert. Sie arbeiteten an der ersten Entschlüsselung, bis nach wenigen Minuten einer von ihnen feststellte: „Wir brauchen mindestens zehn Minuten für jede, das macht … – fast zwei Stunden! Zu lang. Wir müssen evakuieren!“