c't 12/2018
S. 108
Hintergrund
Schließsysteme der Zukunft
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Hereinspaziert!

Schließ- und Zugangssysteme der Zukunft

„Sesam, öffne dich“ – und schon ist im Märchen von Ali Baba der Weg zur Räuberhöhle frei. Sprachsteuerung ist heute fast schon wieder ein alter Hut. Viel spricht dafür, dass wir ins Heim der Zukunft einfach so eintreten können – ganz ohne Codewörter oder Schlüssel.

Mechanische Zugangssysteme sind wohl fast so alt wie die Menschheit. Sobald man sich seine Höhle besonders nett eingerichtet hatte, ging es auch gleich um den Schutz vor ungebetenen Gästen. Wie erkenne ich möglichst früh, wer da vor dem Eingang steht? Wie sorge ich dafür, dass ich Zutritt habe und andere nicht? Wie kann ich mein Zutrittsrecht an Vertraute weitergeben? Die Erfindung des mechanischen Schlüssel-/Schloss-Prinzips war zur Lösung der beiden letzten Fragen zweifellos ein großer Wurf. Seit Jahrhunderten ist der Metallschlüssel das gängigste Mittel zur Zutrittskontrolle – doch das soll sich ändern.

Video: Nachgehakt

Mecha(tro)nisch

Etwa 70 Kilometer westlich von München, im beschaulichen Affing, schraubt man beim Sicherheitsspezialisten Abus an den Schließsystemen der Zukunft. „Heute benötigt man zum Öffnen unserer vernetzten Schließanlagen einen Chip oder die App auf dem Handy“, erklärt Geschäftsführer Benjamin Pflaum. Die in Affing je nach Kundenauftrag montierten Schließzylinder sind ein Puzzle aus über 100 Einzelteilen – ein Blick in die Werkstatt erinnert eher an eine Uhrenmanufaktur. Die hier gefertigten mechatronischen Zylinder ersetzen den herkömmlichen Schließzylinder und lassen sich je nach Modell per Chip, Zahlenkombination oder per Funk über eine App ansprechen. Hier wird der mechanische Schlüssel einfach durch ein elektronisches Pendant ersetzt.

Die großen Vorteile gegenüber dem mechanischen Schlüssel: Die elektronische Variante lässt sich leichter an andere Nutzer übermitteln und kostengünstig vervielfältigen. Und zur Not kann man das Zutrittsrecht ebenso einfach wieder entziehen. Spätestens bei großen Schließanlagen stellen nämlich verlorene mechanische Schlüssel einen hohen Kostenfaktor dar. Selbst bei einer einfachen Familie kann sich die Investition in eine mechatronische Schließanlage schnell lohnen, weil die Kinder die Schlüssel erst gar nicht verlieren können. „Unser mechatronisches Zahlenschloss, das man per Transponder oder sechsstelligem Code öffnet, ist aus diesem Grund sehr beliebt.“

Feinmechanik trifft Elektronik: Beim Sicherheitsspezialisten Abus in Affing werden mechatronische Schließzylinder nach Kundenwunsch montiert.

Die Zukunft sieht Pflaum bei den biometrischen Verfahren. „In wenigen Jahren wird sich mit Hilfe von multisensorischen Verfahren die Tür von alleine entriegeln, wenn ich mich als berechtigte Person nähere.“ Dabei hat Pflaum nicht unbedingt die erste Generation biometrischer Sensoren im Sinn: „Fingerabdrucksensoren funktionieren nicht mit nassen Händen und nicht jeder mag sich vor einen Iris-Scanner mühsam in Position bringen. Moderne Gesichtserkennungssysteme auf Basis von Scannern und Kamerabildern lassen sich zudem oft noch überlisten.“

Den Durchbruch soll die Verschmelzung unterschiedlicher Sensordaten bringen: „Mischt man Videodaten mit zusätzlichen Sensorinformationen, kann das System berechtigte Personen erkennen und den Zutritt gezielt erteilen.“ Im Moment funktionierten diese Techniken noch nicht zuverlässig genug oder die zur sicheren Erkennung nötigen Sensoren sind einfach noch zu teuer. „Alles nur eine Frage der Zeit“, ist sich Pflaum sicher. Derweil experimentiert man in Affing schon mit den Möglichkeiten der heutigen Technik. „Mithilfe moderner Algorithmen können wir schon jetzt recht sicher bestimmen, ob da eine bekannte Person sich Zutritt verschaffen möchte“, erklärt Pflaum. Jeder Mensch geht offenbar mit einer anderen Dynamik ans Werk.

Was geht

Bis die Maschinenintelligenz so weit ist, dass sie souverän den Türsteher mimen kann, muss der Mensch ihr also noch einen Schritt entgegenkommen. So kann unser Kollege Julius Beineke, der sich im vergangenen Jahr im Selbstversuch einen NFC-Chip implantieren ließ (c’t 1/2018, S. 108), problemlos Abus’ vernetztes wAppLoxx-System bedienen und die Schlösser durch Handauflegen entriegeln.

Zum Glück braucht es aber nicht unbedingt einen Bodymod, um sich in Sachen Schließsystemen ein Stückchen Zukunft ins Heim zu holen. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen elektronische Schlösser und Systeme zur Zugangskontrolle vor, die sich in bestehende Installationen integrieren lassen: Ein System, mit dem man die Haustür eines Mehrfamilienhaus App-fähig macht, oder Schließzylinder, die man mit dem Handy öffnet oder komplett ins Smarthome integriert. Der Schutz der modernen „Wohnhöhle“ dürfte somit gesichert sein. (sha@ct.de)