c't 11/2018
S. 40
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Energiedichte im Akku vervielfacht

Siliziumanode mit zehnfacher Speicherkapazität

Für leistungsfähigere Stromspeicher ersetzen Kieler Forscher die bewährte Graphitanode durch 100 Prozent Silizium. Der Erfolg: eine zehnfache Speicherkapazität gegenüber heutiger Lithium-Ionen-Technik und wesentlich kürzere Ladezeiten.

Eine entscheidend höhere Energiedichte in Batterien und Akkus der Zukunft kann durch den Einsatz von mehr Silizium erzielt werden – ausgerechnet das zweithäufigste Element der Erde. Die Experten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) um Dr. Sandra Hansen haben diese Tür aufgestoßen und ihre Entdeckung auf der Hannover Messe 2018 vorgestellt. Sie entwickelten eine Siliziumanode, die zehnmal mehr Energie speichern kann als Graphitanoden in heutigen Lithium-Ionen-Batterien.

Beim Laden dehnt sich das Silizium um 400 Prozent aus. In Form von Mikrodrähten erträgt das poröse Material diese Schwankungen, ohne zu zerbrechen. Bild: Sandra Hansen

Die technischen Möglichkeiten sind faszinierend: Elektrofahrzeuge mit vervielfachter Reichweite, Smartphones mit deutlich ausgedehnten Sprech- und Betriebszeiten oder nochmals deutlich miniaturisierte Hörgeräte. Dass derart massive Fortschritte jetzt realisierbar sind, beweist ein Akku in der neuartigen Technik, mit dem am Institut für Materialwissenschaft in Kiel bereits 500 Lade- und Entladevorgänge belegt sind. Dabei wurden regelmäßig Ladezeiten von etwa zwölf Minuten eingehalten, gegenüber mehreren Stunden, die in der derzeit gebräuchlichen Lithium-Ionen-Technik für dieselbe Energiemenge benötigt werden.

Nahezu unbegrenzte Ressource

„Theoretisch ist Silizium das beste Material für Anoden in Akkus“, schwärmt Hansen, „und es ist eine nahezu unbegrenzte, kostengünstige Ressource.“ Ein zusätzlicher Sicherheitsaspekt: Falls die Siliziumanode Feuer fangen sollte, wirkt entstehendes Siliziumdioxid flammhemmend – ein ganz anderer Effekt als bei einer Graphitanode. Die Ladungskapazität des Materials ist bei Weitem höher als die von Kohlenstoff, und damit auch von Graphit. Auch der 10- bis 15-Prozent-Anteil Silizium in den Graphitanoden wiederaufladbarer Batterien stellt nur einen kleinen Schritt in Richtung der reinen Siliziumanoden dar. Allerdings nimmt 100-prozentiges Silizium beim Aufladen besonders viele Lithium-Ionen auf und dehnt sich dann um 400 Prozent aus. Dabei droht der poröse Stoff zu zerbrechen, die Lebensdauer einer derartigen Anode wird zum kritischen Faktor.

Die technische Lösung dieses Problems hat Hansen in ihrer Doktorarbeit beschrieben: Durch gezieltes Strukturieren der Oberfläche auf Mikroebene kann das Speicherpotenzial voll ausgeschöpft werden. Die Kieler setzen jetzt auf Silizium in Form feiner Mikrodrähte, die nebeneinander auf der Materialoberfläche aufragen. Diese können sich in der Breite ausdehnen und später wieder einschrumpfen, ohne dass das Material Schaden nimmt – offenbar 500-mal und häufiger.

Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Rena Technologies GmbH, der einige Erfahrung in der Prozess- und Anlagenentwicklung insbesondere für die Herstellung von Solaranlagen mitbringt, will das Kieler Team die Forschungsergebnisse nun schnell in einer industriellen Anwendung umsetzen. Daneben laufen die Forschungen und die Weiterentwicklung am Gegenpart zur Anode weiter: Mit einer Schwefelkathode wollen die Kieler ihre Neuentwicklung ergänzen und die Batterietechnik der Zukunft komplettieren. „Eine Schwefelkathode bietet ihrerseits die maximal mögliche Speicherkapazität“, unterstreicht Hansen. Am Ende streben die Forscher eine Lösung an, für die obendrein keine seltenen Erden mehr in der Batterietechnik eingesetzt werden müssen. (agr@ct.de)