c't 9/2017
S. 16
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Undenkbare Fusion?

Spekulationen um Intel-Vierkern mit AMD-Grafik

Gerüchteköchen zufolge plant Intel eine neue Vierkern-CPU-Variante mit einer aufgebohrten GPU, die AMD als Auftragsarbeit zuliefert. Was ist da dran?

Bei Intels aktueller CPU-Generation Kaby Lake ging es einen Schritt zurück, was die Leistungsfähigkeit der integrierten GPU betrifft: Iris-Pro-Grafik gibt es nicht mehr und auch keine Vierkerner mit mehr als der Standard-GPU-Ausbaustufe GT2. Gemäß der chinesischen Webseite BenchLife ist dies aber nur die Ruhe vor dem Sturm: Mit der neuen Baureihe Kaby Lake-G sollen Quad-Cores erscheinen, die die GPU-Latte ein ganzes Stück höher legen.

Das veröffentlichte Block-Diagramm, das aus einer internen Präsentation stammen soll, ähnelt dem bekannten Aufbau eines Kaby-Lake-Systems stark. Unterschiede gibt es lediglich bei den I/O-Leitungen: Statt 16 PCIe-3.0-Leitungen kommen lediglich deren acht aus dem Prozessor – dafür aber auch fünf zusätzliche Display-Ausgänge.

Die leistungsstarke GPU soll nicht Teil des Prozessor-Die sein, sondern als eigener Chip auf derselben Trägerplatine (Die Carrier) sitzen. Dass die „normale“ GT2-GPU weiterhin im Prozessor-Die vorhanden ist, verwundert wenig: Intel spart sich so die kostenintensive Entwicklung einer zusätzlichen Die-Variante, summa summarum können deutlich mehr Displays gleichzeitig angesteuert werden. Oder aber die schnelle Zusatz-GPU legt sich zum Stromsparen schlafen, wenn die GT2-GPU im Office-Betrieb ausreicht.

Die auflötbare Trägerplatine – gesockelte Varianten werden nicht erwähnt – soll größer ausfallen als bei bisherigen auflötbaren Quad-Cores der Baureihe Kaby Lake-H (58,5 mm × 31 mm statt 42 mm × 28 mm). Der zusätzliche Platzbedarf kommt offensichtlich nicht nur vom zusätzlichen GPU-Chip: Da die GPU-Performance in der Mittelklasse mitspielen soll, braucht er direkt angebundenen Grafikspeicher, welcher gemäß BenchLife in HBM2-Ausführung ebenfalls noch mit auf der Trägerplatine sitzt. Das klingt stimmig: Zusätzliche Datenleitungen zu „externem“ Grafikspeicher sind gemäß Blockschaltbild nicht vorgesehen; und HBM(2) erlaubt eine besonders enge Bauweise – weitaus kompakter als etwa mit GDDR5-Speicherchips.

Mit Radeon-GPU?

Zum wichtigsten Detail, nämlich dem Zusatz-Grafikchip an sich, hält sich BenchLife bedeckt. In der Gerüchteküche brodelt seit einiger Zeit aber ein weiteres Gerücht: Laut Kyle Bennet von HardOCP wird Intel GPU-Technik von AMD in Lizenz nehmen oder einen AMD-Chip zukaufen.

Das klingt erst einmal schräg, wäre aber alles andere als ungewöhnlich: Die GPUs der ersten Atom-Prozessoren stammten etwa nicht von Intel selbst, sondern waren PowerVR-Kerne von Imagination Technologies. AMD wiederum hat sich mit Semi-Custom-Designs in den letzten Jahren ein ordentliches Zubrot verdient: Sowohl der Grafikchip von Nintendos Spielekonsole Wii U als auch die GPUs der PlayStation 4 (Pro) von Sony und der Xbox One von Microsoft stammen von AMD.

Laut HardOCP soll „AMDs Intel-Chip“ ein Kaby-Lake-Derivat sein und noch in diesem Jahr erscheinen. Das klingt stark nach Kaby Lake-G, zumal auch Details passen: AMD hat mit den Radeon-Fury-Grafikkarten etwa bereits HBM-GPUs auf dem Markt. Und Intel hat öffentlich angekündigt, bis Ende 2017 Prozessoren mit höherer 3D-Performance zu liefern – unter anderem für AR-Brillen.

Allerdings sind andere Lösungen genauso denkbar. Die GPUs, die Intel in Prozessoren integriert, haben eine sehr leicht skalierbare Architektur, die aus Scheiben („Slices“) besteht – die GT2 hat deren beispielsweise zwei. Intel könnte den Zusatzchip also auch hausintern auf Basis vieler dieser Scheiben entwickeln. Das hätte vielleicht sogar den Vorteil der einfacheren Treiber-Unterstützung.

Gemäß BenchLife plant Intel zwei Varianten von Kaby Lake-G mit 65 Watt und 100 Watt Abwärme. Erstere könnte man vielleicht auch in Notebooks vorfinden, letztere zielen hingegen wohl eher auf kompakte Desktop-Minis oder All-in-One-PCs.

Denkbar wäre, dass Intel zusammen mit Kaby Lake-G auch herkömmliche Vierkerner ohne Zusatz-GPU im neuen Trägerplatinen-Format veröffentlicht. Komplettsystemhersteller hätten dann eine größere Auswahl, um unterschiedlich teure Ausstattungsvarianten zu realisieren. Das steigert den Anreiz, überhaupt Systeme für Kaby Lake-G zu entwickeln, was aufgrund der größeren Trägerplatine unumgänglich ist.

Im Wesentlichen stellt sich aber die Frage, ob Kaby-Lake-G-Systeme sowohl preislich als auch hinsichtlich der Performance mit etablierten Lösung mithalten können, sprich normale CPU plus separater Grafikchip von AMD oder Nvidia. In der Vergangenheit war das nicht unbedingt der Fall: Geräte wie Schenkers S413, ein 14-Zoll-Notebook mit teurem Iris-Pro-Vierkern, blieben in einer Nische und ohne Nachfolger. Bei Kaby Lake-G besteht in der Form, wie BenchLife sie schildert, dasselbe Risiko: HBM2-Speicher ist weder billig noch in größeren Stückzahlen verfügbar. (mue@ct.de)