c't 8/2017
S. 94
Test
Hybrid-Uhren
Aufmacherbild

Auf den zweiten Blick

Analoge Uhren mit smarten Funktionen

Außen analog, innen digital: Hybrid-Uhren haben einerseits mechanische Zeiger und koppeln sich andererseits per Bluetooth mit Android- und iOS-Smartphones. So können sie Benachrichtigungen anzeigen, als Fitnesstracker fungieren und Funktionen am Smartphone auslösen. Und das Beste: Im Vergleich zu Smartwatches hält ihre Batterie ewig.

Herkömmliche Smartwatches sind praktisch. Doch ihr Akku hält kaum länger als einen Tag und im Sonnenlicht lassen sie sich schlecht ablesen. Hybrid-Uhren versprechen ähnliche Funktionen – dies aber mit einer Laufzeit von Wochen bis Monaten und verpackt in einer hübschen Uhr, die nicht nach Plastik-Gadget aussieht.

Die meisten Hybrid-Uhren hat derzeit die Fossil-Gruppe im Angebot. Zu ihr gehören unter anderem Marken wie Armani, Diesel, Skagen und natürlich Fossil selbst. Das nötige Know-how hatte sich Fossil 2015 durch die Übernahme von Misfit eingekauft. Jeweils eine Uhr jeder Marke haben wir auf den Prüfstand gestellt.

Ebenfalls mit von der Partie ist mit Withings ein Pionier unter den Fitness- und Aktivitätstrackern, der mit der Activté schon vor einigen Jahren die Idee hatte, einen Tracker im Look einer klassischen Armbanduhr auf den Markt zu bringen. Die getestete Steel HR hat das mittlerweile von Nokia aufgekaufte Unternehmen um einige smarte Funktionen erweitert.

Auf Schritt und Tritt

Alle Uhren dieses Tests ersetzen klassische Fitness- und Aktivitätstracker, die sonst als mehr oder weniger schicke Armbänder daherkommen. Auch die Uhren werden dafür über das stromsparende Bluetooth-LE-Protokoll mit dem Smartphone gekoppelt und erfassen mit ihren Beschleunigungssensoren die täglich zurückgelegten Schritte. Daraus errechnen sie die zurückgelegte Strecke sowie die verbrauchten Kalorien und die aktive Zeit. Darüber hinaus erkannten alle Testkandidaten automatisch die Einschlaf- und Aufwachzeit sowie die Leicht- und Tiefschlafphasen. Die Steel HR von Withings misst zudem mit ihrem optischen Sensor regelmäßig die Herzfrequenz.

Bei der Genauigkeit der protokollierten Schritte schneiden alle Testgeräte ähnlich ab. Im Schnitt wichen sie zwischen einem und zwölf Prozent von der Anzahl der tatsächlich zurückgelegten Schritte ab. Das ist für am Handgelenk getragene Tracker ein üblicher Wert. Zur Motivation, die sportliche Aktivität zu steigern oder den Winterspeck loszuwerden, reicht die Messgenauigkeit der Uhren aus – genauere Ergebnisse erzielen aber nur eng am Körper getragene Geräte. Ambitionierte Sportler dürften zudem eine Aktivitätserkennung etwa von Laufen oder Radfahren vermissen. Sie fehlt bei allen Uhren des Tests. Aktivitäten lassen sich auch in den Apps der Fossil-Gruppe nicht manuell anlegen.

Die erfassten Körperdaten werden in den Companion-Apps der Uhren angezeigt. Sie listen die Werte nach Tagen, Wochen und Monaten wahlweise tabellarisch und grafisch. Zusätzlich berechnen alle die tägliche Aktivitätsdauer. Withings hat mit seiner App die Nase leicht vorne, da sie besonders ausgefeilte Ansichten und Aktivitäten bietet. Dicht auf den Fersen ist ihr die Misfit Phase, die die seit Jahren etablierte und seitdem weiterentwickelte Misfit-App nutzt. Wer mit der Aufbereitung nicht zufrieden ist, kann die getrackten Daten automatisch in andere Fitness-Portale wie Google Fit exportieren.

Will man über den Tag nur kurz checken, wie weit man noch vom selbst gesteckten Aktivitätsziel entfernt ist, muss man die App gar nicht bemühen: Die Uhren von Armani, Diesel, Fossil, Skagen und Withings haben auf ihren Zifferblättern einen kleinen gesonderten Bereich, in dem ein dritter Zeiger in Echtzeit markiert, wie weit man vom Ziel entfernt ist. Bei der Phase von Misfit übernehmen diese Aufgabe die Stunden- und Minutenzeiger. Die Steel HR von Withings zeigt zusätzlich auf Knopfdruck alle Daten sowie die Herzfrequenz im Klartext auf ihrem ins Zifferblatt eingelassene OLED-Display an.

Fernsteuerung fürs Handgelenk

Dank der Bluetooth-Kopplung kann das Smartphone zudem häufiger in der Tasche bleiben, ohne dass man etwas verpasst. Die Uhren von Armani, Diesel, Fossil und Skagen vibrieren bei Benachrichtigungen von Apps und Kontakten, die der Nutzer festlegt. Zusätzlich fährt der Zeiger des gesonderten Zifferblattes auf eine gewünschte Markierung. Die Phase von Misfit nutzt dafür ein Guckloch im Zifferblatt, das je nach Benachrichtigung in einer anderen Farbe hinterlegt wird. Mit ihrem OLED-Display beherrscht die Steel HR schriftliche Benachrichtigungen und ist somit nicht auf kryptische Zeigerpositionen angewiesen. Im Alltag enttäuschte uns jedoch, dass sie das Potenzial des Displays nicht ausschöpft.

Die meisten Hybrid-Uhren steuern auch rudimentäre Funktionen am Smartphone. So lässt sich bei den Geräten von Armani, Diesel, Fossil, Misfit und Skagen festlegen, ob der untere Knopf der Uhr entweder das Telefon zum Auffinden klingeln lässt, als Fernauslöser der Smartphone-Kamera dient oder die Audiowiedergabe steuert. Die Steel HR unterstützt keines dieser Kunststückchen.

Einen stillen Wecker, der den Träger mittels Vibration aufweckt, haben alle getesteten Uhren. Die Alarmzeiten lassen sich aber nur in der jeweiligen App einstellen; auf die Wecker des Smartphone-Betriebssystems greifen sie nicht zu. Gimmicks wie einen Schlafphasen-Wecker, der den Weckvorgang in Leichtschlafphasen beginnt, hat keine der Testkandidaten, obgleich er sich problemlos implementieren ließe.

Angenehm untechnisch

Die Einrichtung aller Hybrid-Uhren des Tests funktioniert nach dem gleichen Schema: Zunächst installiert man die Companion-App auf dem Smartphone. Anschließend muss die Uhr in den Pairing-Modus gebracht werden – meist durch langes Drücken der Krone. In unseren Tests baute die App anschließend zuverlässig eine Verbindung zur Uhr auf.

Gut gefallen hat uns dabei, dass die Apps mit detaillierten und bebilderten Anleitungen durch die Ersteinrichtung führen. Selbst Nutzer, die bislang mit Smartphones und -Watches wenig Erfahrungen hatten, dürften hier nicht auf Hindernisse stoßen.

Die Steel HR zeigt die Körperdaten auf dem ins Zifferblatt eingelassenen OLED an und misst die Herzfrequenz.

Pluspunkt der halbschlauen Uhren ist auch ihre lange Laufzeit. Mit Ausnahme der Steel HR von Withings beziehungsweise Nokia haben sie keinen kurzatmigen Akku, sondern nutzen reguläre Knopfzellen. Hiermit versprechen die Hersteller eine Laufzeit von bis zu sechs Monaten, abhängig davon, auf wie viele Benachrichtigungen die Uhren per Vibrationsalarm hinweisen. Das erscheint uns realistisch: Die Skagen Connected haben wir bereits seit drei Monaten im Dauereinsatz. Ihre App meldet eine Batteriekapazität von rund 90 Prozent.

Wenn ein Wechsel der Knopfzelle ansteht, klappt das schnell in Eigenregie: Man muss lediglich das Batteriefach auf der Rückseite mit einer Münze um eine Achtel-Umdrehung aufschrauben und die Batterie ersetzen. Auch nach dem Wechsel sollen die Uhren nach ATM 30 wasserdicht bleiben. Obgleich die Hersteller das nicht explizit mitteilen, sollten sie sich damit zum Schwimmen eignen, sofern man unter Wasser die Knöpfe nicht drückt.

Der Akku der Steel HR hält laut Withings je nach Häufigkeit der Pulsmessung zwei bis vier Wochen durch. Auch diese Angabe deckt sich mit unseren Testerfahrungen. Bei fast leerem Akku schaltet sie in eine Gangreserve und deaktiviert alle smarten Funktionen. So soll sie laut Hersteller noch für weitere 20 Tage die Uhrzeit anzeigen.

Tabelle
Tabelle: Hybrid-Uhren

Doch ein Ärgernis teilen sich die Hybrid-Uhren mit ihrer Smartwatch-Verwandtschaft: Die Companion-Apps verlangen alle nach einer Registrierung beim Hersteller. Wer Wert auf Datenschutz legt, gibt dabei nicht seinen Klarnamen an und verwendet eine sonst ungenutzte E-Mail-Adresse eines kostenlosen Freemail-Anbieters.

Fazit

Für Sportler und Fitness-Freunde ist die Steel HR von Withings/Nokia am interessantesten. Sie misst als einzige Uhr im Testfeld auch den Puls. Die zugehörige App wertet alle Körperdaten sehr umfangreich und übersichtlich aus. Auf Wunsch lässt sich das Health Portal auch über den Browser aufrufen und mit Daten anderer Withings-Produkte – beispielsweise Waagen – versorgen.

Mit ihrem integrierten OLED wäre sie bei der Benachrichtigungsanzeige den anderen Kandidaten sogar haushoch überlegen. Doch dieses Potenzial hat Withings verschenkt: Außer Nummern von Anrufern und SMS-Absendern zeigt sie keine Nachrichten vom Smartphone an und kann dieses auch nicht steuern.

Die übrigen Uhren vom Mutterkonzern Fossil unterscheiden sich im Funktionsumfang nur marginal. Lediglich bei der Auswahl der Apps, von denen man sich benachrichtigen lassen möchte, hat die Fossil Crewmaster die Nase vorn, gefolgt von der Skagen Connected. Schlusslicht sind (derzeit) die Armani Connected und die ON von Diesel. Hier bleibt zu hoffen, dass Letztere mit Updates ihrer zugehörigen Apps künftig gleichziehen. Davon abgesehen kann man sich bei den fünf Uhren ruhig vom Preis und dem Aussehen leiten lassen. Insgesamt empfanden wir bei den Uhren der Fossil-Gruppe die Audiosteuerung ziemlich praktisch und die lange Laufzeit als angenehm.

Wer bislang eine vollwertige Smartwatch genutzt hat, wird wohl das Display und den größeren Funktionsumfang vermissen. Wer stattdessen sein Handy nicht ständig aus der Tasche ziehen möchte und trotzdem keine Nachricht verpassen will oder einen dezenten Fitnesstracker sucht, dürfte mit den Hybrid-Uhren zufrieden sein. (spo@ct.de)