c't 24/2017
S. 33
News
Forschung

Humanoider Roboter fährt Motorradrennen

Yamaha hat einen humanoiden Roboter entwickelt, der eigenständig Motorrad mit Spitzengeschwindigkeiten von über 200 km/h fahren kann. Bild: Yamaha

Ein vierrädriges Auto autonom fahren zu lassen ist heute kein Hexenwerk mehr. Deutlich schwieriger gestaltet sich das Unterfangen bei einspurigen Kraftfahrzeugen wie Motorrädern: Biker sind kontinuierlich damit beschäftigt, durch kontrolliertes Beschleunigen, Bremsen und fein dosierte Lenk-, Kipp- und Drückbewegungen einen stabilen Fahrzustand herzustellen – also nicht zu stürzen.

Dass es trotzdem möglich ist, Robotern das autonome Fahren selbst leistungsstarker Motorräder beizubringen, hat der japanische Hersteller Yamaha gemeinsam mit einem US-Forschungsinstitut jetzt im Rahmen des Motobot-Projekts demonstriert.

„Am Motobot-Konzept arbeiten wir seit rund drei Jahren“, erklärt Projektleiter Brian Foster vom Stanford Research Institute International (SRI). „Ziel war, ein selbstlernendes, humanoides Robotiksystem zu entwickeln, das in der Lage ist, ein weitgehend unmodifiziertes Serienmotorrad so schnell und sicher wie ein Mensch über eine Rennstrecke zu bewegen.“

Der rund 45 Kilogramm schwere und fest auf einer Superbike-Maschine vom Typ Yamaha YZF-R1M montierte Motobot ist mit insgesamt sechs elektromotorisch angetriebenen Aktuatoren an den Extremitäten ausgestattet, die wie bei einem menschlichen Motorradfahrer für das Lenken, Gasgeben (Drehgriff), Bremsen (vorne Hand-, hinten Fußhebel), Kuppeln (Handhebel) und Gangwechsel (Fußhebel) zuständig sind.

Eine Kombination aus GPS-Satellitennavigation und Echtzeitkinematik (Real Time Kinematic, RTK) sorgt dafür, dass der Roboter bis auf 2,5 Zentimeter immer genau weiß, wo auf der Rennstrecke er sich gerade befindet. Weiterer Input kommt von Sensoren, die einer integrierten Inertial-Measurement-Unit (IMU) Daten zu aktuellen Fliehkräften, Verzögerungen beim Einsatz der Motorbremse oder auch Luftwiderständen liefern.

„Gegenüber der ersten Motobot-Version, die wir 2015 präsentiert haben, ist der Roboter dank einer neuen Verkleidung aus Karbon noch einmal deutlich leichter und steifer geworden“, erklärt Robotikspezialist Foster. Positiv auf das Fahrverhalten habe sich auch die Verlagerung der Akkus in die Beine des Roboters ausgewirkt. Der Schwerpunkt liege nun niedriger, was sich insbesondere in einem besseren Kurvenverhalten bemerkbar mache.

Nach intensiven Software- und Hardware-in-the-Loop-Simulationen (SILS/HILS) durfte der Motobot, der ab einer Geschwindigkeit von 15 km/h komplett selbst fahren kann, im vergangenen Jahr dann erstmals auf die Rennstrecke. Besonderes Augenmerk richteten die Ingenieure auf die Lenkung, für die am Motobot ein sogenanntes Zykloidgetriebe verbaut ist, über das der Roboter die Einschlagwinkel des Lenkers steuert.

Im Thunderhill Raceway Park, einer Rennstrecke in Nordkalifornien, ließ der Konzern den Motobot nun sogar gegen den neunmaligen Motorrad-Weltmeister und Yamaha-Werksfahrer Valentino Rossi antreten.

Der Motobot schlug sich tapfer – konnte die Bestzeit des MotoGP-Stars aber nicht knacken: Während Rossi den Zwei-Meilen-Kurs in 1 Minute und 26 Sekunden bewältigte, benötigte der Motobot für einen Umlauf knapp 32 Sekunden länger. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 98 km/h ist aber dennoch beachtlich. Zudem übertraf der Motobot im Speedtest die anvisierte Marke von 200 km/h, was für viel Freude bei den Beteiligten sorgte.

„Für Yamaha ist dieses Projekt ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer, noch sicherer Motorräder“, verdeutlicht Konzernmanager Amish Parashar. „Vor allem können wir die Interaktion zwischen Fahrer und Maschine jetzt noch besser analysieren.“ (pmz@ct.de)