c't 23/2017
S. 40
Prozessorgeflüster
Quantencomputer

Prozessorgeflüster

Von Übergängen und Überraschungen

Die Quantencomputer stehen kurz vor einem Quantensprung und Intel will den plötzlichen Übergang keinesfalls IBM, Google, Microsoft oder D-Wave überlassen. Neuronale Netze, das hat D-Wave schon bewiesen, kann man auch sehr gut mit Quantencomputern trainieren, aber erst einmal kommen zu diesem Behufe noch neue klassische Chips.

Jetzt hat Intel stolz seinen ersten Quanten-Testchip mit 17 Qubits fertiggestellt. Vergleichsweise spät ist Intel auf diesen modischen Zug aufgesprungen, laut Intel-Chef Krzanich Intels ambitioniertestes Projekt. Das Know-how für die sich doch sehr von den klassischen Silizium-Chips unterscheidende Quantentechnik war allerdings nicht im Hause, so musste man sich anderswo umsehen. Doch die auf diesem Gebiet führenden amerikanischen Wissenschaftler hatten sich derweil schon andere geschnappt, etwa Microsoft den Harvard-Professor Charles Marcus oder Google den Professor John Martini von der Universität in Santa Barbara, der in Kürze einen 49-Qubit-Chip herausbringen will.

Da ist er: Stolz präsentiert Quanten-Chef Jim Clarke (in leichter, quantenüblicher Unschärfe) Intels ersten Quanten-Chip. Bild: Intel

Intel fand dann im Spin-off QuTech der niederländischen TU Delft einen adäquaten Partner. Okay, für die Fußball-WM 2018 reichte es für die Niederländer nicht, aber dafür rangiert die TU Delft im allerneusten QS-Uni-Ranking 2018 auf Platz 54, die collegae aus Amsterdam kamen auf Platz 58 und die bestplatzierte deutsche Universität, die TU München, erreichte in diesem Wettbewerb lediglich Platz 64. Vorne, na klar, liegen MIT, Stanford und Harvard …

QuTech hat – unterstützt von Intel – ähnlich wie IBM und Rigetti Computing einen Chip mit superleitenden Qubits auf Basis von Si/Ge entwickelt, der bis hinunter auf 20 Millikelvin gekühlt werden will. Intel fertigt ihn in einem 300-nm-Prozess in Hillsboro/Oregon, dort, wo auch Intels Quantum Hardware Gruppe rund um Direktor Jim Clarke angesiedelt ist. Stabilere Qubits erhofft man sich von sogenannten Spin Quantum Dots, darüber will Intel in Kürze mehr berichten. Schon gegen Ende des Jahres, so Intel-CEO Krzanich, will man wie Google mit 49 Qubits aufwarten.

Weitere Arbeitsgruppen bei QuTech forschen, gut EU-gefördert, an Quantennetzwerken (Quanten-Internet, Quanten-Cloud) und unter Quantentopologie auch an stabileren Quantenzuständen und der Möglichkeit, diese abzuspeichern.

Topologien

Daran ist insbesondere auch Microsoft sehr interessiert, hier ist ein Quantencomputer mit stabilen, topologischen Qubits das erklärte Ziel. Und so hat sich auch Microsoft mit QuTech eng verbandelt, hat gar einen der Direktoren abgeworben, der jetzt das Microsoft Quantum Lab an der TU Delft aufbaut.

IBM ist mit seinen Quantenchips zwar noch auf niedrigerem Level, aber dafür gibt es schon funktionierende Hardware. Und vor allem stellt IBM in der „Quantum Experience“ die beiden IBMqx2 und IBMqx4 mit 5 und den IBMqx5 (noch als Beta) mit 16 Qubits jedem Interessierten für Experimente zur Verfügung. Auch Google will beim Projekt Q für den in einem 7×7-2D-Gitter aufgebauten Chip einen öffentlichen Zugang anbieten. Google-Guru John Marini stellte das Design im Juli auf der Fachkonferenz ICQT in Moskau vor, aber da stahl ihm Harvard-Professor Mikail Lukin vom Russian Quanten Center (RQC) ein wenig die Show, als er über 51 Qubits auf Basis lasergekühlter Rubidium-Atome berichtete. Nein, mit einem fertigen 51-Qubit-Quantencomputer, wie das hier und da aufgefasst wurde, konnte Lukin noch nicht aufwarten, lediglich mit einem per Experiment und Simulation validierten Modell.

In ähnliche Richtung mit Laserkühlung gehen auch die Ionenfallen, mit denen mehrere Teams rund um Professor Rainer Blatt in Innsbruck forschen. 20 Qubits mit gefangenen Cäsium-Ionen im Grundzustand haben sie schon real erreicht, größere Chips, die alle nach Gefängnissen (etwa Ziegelstadl für den 4×4-Chip) benannt sind – Physiker-Humor eben –, sind in Arbeit.

Flaschenbürste

Oben eine beliebige universelle 4:1 Quantenschaltung, unten das von den Gates des Qubits 1 gebildete „Flaschenbürstenmuster“ Bild: IBM

Vor einem Lauf auf dem realen System sollte man sein Programm aber auf einem Simulator ausprobieren. Ein 5-Qubit-System repräsentiert beim Auslesen 25 Werte, das lässt sich leicht auf einem PC simulieren. 16 oder 17 Qubits, das stellt schon eine größere Herausforderung dar. Und 49 Qubits, mit einer halben Billiarde an Ergebniswerten, die alle mühsam statistisch ermittelt werden müssen, da brauchte man bislang für die Simulation riesige Supercomputer mit vielen Petabytes an Hauptspeicher. Doch jetzt haben IBM-Forscher einen Weg mit geschickten Partitionierungen ausgetüftelt, der den Speicherbedarf ohne allzu viel zusätzlicher Rechenzeit deutlich reduziert: 162 GByte für 49 Qubits und 4,5 TByte für 56 – dafür reicht dann ein etwas größerer Server, nur gut eine Milliarde Mal langsamer als ein echter Chip. Die Idee zu dem verwendeten Algorithmus kam dem IBM-Forscher Pednault übrigens beim Abwaschen mit einer Flaschenbürste – da sieht man, wie wertvoll Hausarbeit sein kann …

Beim bislang einzigen kommerziellen Anbieter in der Szene, der kanadischen Firma D-Wave, kann man derweil Cloud-Dienste mit bis zu 2000 Qubits auf dem 15 Millionen Dollar teuren D-Wave-2000Q buchen, was zum Beispiel vom Oak Ridge National Laboratory genutzt wird. Allerdings bildet die bisherige D-Wave-Technik keinen universellen Quantum-Computer ab, sondern hat noch diverse Einschränkungen. Man hört aber davon, dass D-Wave für die für 2018 vorgesehene nächste Generation die Architektur ändern will. Wenn uns dann D-Wave wirklich mit einem nahezu universellen Quantencomputer mit mehreren tausend Qubits überraschen sollte, wäre das in der Tat ein riesiger Quantensprung. Dazu wird man wohl Mitte November in Denver auf der Supercomputing 2017 mehr erfahren.

Klassiker

Doch Intel und Google legen auch mit klassischer Hardware nach, vor allem im Trendbereich künstliche Intelligenz. So kündigte Intel-Chef Krzanich auf der D.Live-Konferenz des Wall Street Journal die baldige Auslieferung des Neural Network Processor NNP (Codename: Lake Crest) an. Der wurde von dem im vergangenen Jahr eingekauften AI-Spezialisten Nervana entwickelt – und wird noch von TSMC gefertigt. Er sitzt zusammen mit HBM2-Speicher auf einer PCIe-Karte und soll (bislang noch unbestätigt) bis zu 55 TOps/s im hauseigenen Flexpoint-Daten-Format abliefern.

Google überrascht gleich zweimal. Zum einen mit seinem ersten Smartphone-Chip im Pixel 2: ein Coprozessor – neben dem Qualcomm Snapdragon 835 – namens Pixel Visual Core mit acht Image Processing Units, eine jede mit 512 ALUs und angeblich 3 TOps/s (vermutlich int8).

Und dann verblüffte AlphaGo Zero, ein kleiner Rechner mit nur vier Google Tensor Units. Ausgestattet mit einem neuen Programm von Google-Tochter DeepMind und lediglich versehen mit dem Go-Regelwerk konnte er nach nur drei Tagen Trainingsphase seinen Vorgänger AlphaGo Lee, den Besieger des 18-fachen Go-Weltmeisters Lee Sedol vom Vorjahr, mit 100:0 in Grund und Boden spielen, wiewohl jener mit 1000 Prozessorkernen und 176 GPUs versehen ist und mit vielen Millionen realen Partien trainieren durfte.

Und letztlich will uns auch AMD überraschen, aber leider erst einen Tag nach Redaktionsschluss. Dann nämlich werden die neuen Quartalszahlen bekannt gegeben; die Aktionäre erhoffen sich hübsche schwarze Zahlen. Und um das Event noch schöner zu machen, will AMD kurz danach seine neuen Zen-APUs „Raven Ridge“ Ryzen 7 2700U und Ryzen 5 2500U für Notebooks vorstellen, mit vermutlich vier Kernen und Vega-Grafik mit bis zu 11 Compute Units zu je 64 Shader-Prozessoren. Damit kommt man dann grad noch so ins lukrative Weihnachtsgeschäft. AMD Fan-Boys und -Girls warten ja notfalls auch bis Heiligabend. (as@ct.de)