c't 20/2017
S. 130
Test
Hybridradios
Aufmacherbild
Bild: Albert Coen

Dampfradio 3.0

Hybridradios für FM, DAB+, Internetradio und Streaming

Moderne Radios sind Alleskönner. Sie empfangen UKW-Sender in Analog- und Digitalqualität, nutzen Streaming-Dienste und spielen Internetradio sowie die eigene Musiksammlung ab. Wir haben interessante Modelle der Einsteiger- und Mittelklasse getestet.

Das Zeitalter des 1949 eingeführten analogen UKW-Rundfunks geht in den nächsten Jahren zu Ende. Irgendwann wird die seit 2010 immer wieder verschobene Abschaltung dann wohl vollzogen, schon aus Kostengründen (siehe Seite 136). Radio wird es auch zukünftig geben, dann aber eben nicht mehr analog, sondern digital als DAB+ oder übers Internet. Wer heute einen Alleskönner kauft, der alle Empfangswege beherrscht, ist für die digitale Zukunft gerüstet. Wir wählten für unseren Test Geräte bis zu einem Preis von rund 350 Euro, eine Tabelle finden Sie auf S. 135.

Hybridradios beherrschen alle gängigen Empfangstechniken und bieten damit optimalen Empfang und eine hohe Betriebssicherheit. Auch wenn der Internet-Anschluss tot ist, kann man weiterhin FM- und DAB+-Sender empfangen oder Musik von lokalen Speichermedien ausspielen.

Das erste, was uns bei der Einrichtung der Prüflinge auffiel, war die sehr ähnliche Bedienung der Geräte. Offenbar sind überall Module von Frontier Silicon mit dem Kino-4-Chip verbaut, der für den Radioempfang und für die Digital-Analog-Wandlung sorgt. Allerdings gibt es trotzdem Unterschiede, denn jeder Hersteller verfolgt bei der Anordnung und Belegung der Tasten seine eigene Philosophie. Bedienfreundlich sind sie alle; nach kurzer Eingewöhnung kamen wir mit jedem der Radios zurecht. Unterschiedlich war jedoch offenbar die Prozessorleistung; einige Menüs waren sehr langsam zu bedienen, andere bemerkenswert flott. Mehr dazu in der Kurzvorstellung der einzelnen Geräte ab S. 132.

Negativ fielen uns viele Schlampereien in den Menüs auf, die die Funktion zwar nicht beeinträchtigen, aber doch Zweifel an der Qualitätskontrolle aufkommen lassen. Wir fanden bei vielen Geräten falsch dargestellte Umlaute, Schreibfehler oder nicht durchgängig übersetzte Einträge mit fremdsprachigen Menüpunkten.

Über Undok lassen sich Geräte zu Gruppen zusammenfassen, die das gleiche Signal spielen.

Die erstmalige Einrichtung ist recht simpel: Falls man die Internetfunktionen nutzen möchte, verbindet man das Radio mit dem Netzwerk. Sechs der neun Geräte haben eine LAN-Buchse, holen sich standardmäßig eine IP-Adresse vom Router per DHCP oder lassen sich manuell einrichten. Geräte ohne Buchse oder fernab von LAN-Anschlüssen gelangen per WLAN ins Netz. Die Authentifizierung geschieht entweder per WPS oder durch Passworteingabe. Wer sich für die Passworteingabe entscheidet, muss hart arbeiten: Jedes Zeichen will per Drehknopf oder Wippe ausgewählt werden.

Mit UPnP/AV alias DLNA können Hörer auch Musiktitel vom Smartphone auf dem Internetradio abspielen.

Sobald man mit dem Internet verbunden ist, sollte man als erstes die neueste Firmware herunterladen, wenn das Gerät das nicht sowieso von sich aus macht. Mit ein bisschen Pech muss man danach die Zugangsdaten zum WLAN erneut eingeben – bei langen und komplexen Passwörtern eine Strafarbeit. Anschließend ist das Radio aber dann startklar.

Suchlauf mit Schwächen

UKW-Sender lassen sich bei allen getesteten Geräten mit einem automatischen Suchlauf finden. Der stoppte auch auf für den Empfang deutlich zu schwachen Sendern und ließ sich von Störsignalen leicht aus dem Tritt bringen. In einer störungsreichen Umgebung sind nur wenige Sender klar zu empfangen und die Suche danach frisst viel Zeit. Der Suchlauf lässt sich aber so einstellen, dass er nur bei starken Sendern anhält. Hat man einen Sender gefunden, sollte man ihn am besten gleich in die Favoritenliste packen, damit man ihn schnell wiederfindet. Alle Geräte zeigten die zusätzlich ausgestrahlten RDS-Informationen an.

Zum Kasten: Amazon Echo und Google Home

Viel einfacher ist es, den Empfang von DAB+-Sendern einzurichten. Hier legten alle Geräte nach einem kurzen Suchlauf eine alphabetisch sortierte Liste aller empfangbaren Sender an, aus denen man schnell auswählen kann. Noch ist die Programmauswahl klein – wenn die Zahl der Sender in Zukunft wächst, hilft die Nutzung der Speicherplätze für die bevorzugten Stationen.

Teil des DAB+-Signals ist auch eine Dia-Show, die Informationen über die Sendung, aktuelle Schlagzeilen, ein Cover für das jeweilige Musikstück oder Wettervorhersagen anzeigt, bei vielen Stationen im Wechsel. Diese Informationen lassen sich aber nur mit einem Farbdisplay darstellen. Bei den Geräten mit Schwarzweißdisplay im Test muss man auf diese Zusatzinformationen verzichten, dort werden nur Texte eingeblendet. Alle Geräte zeigten im DAB-Betrieb auch die Feldstärke und die Zahl der Empfangsfehler an. Das hilft dabei, die Antenne optimal auszurichten oder einen guten Empfangsort zu suchen.

Der dritte Hauptempfangsweg ist das Internet. Deutsche Radiosender stellen ihr Programm durchweg auch als Internet-Stream zur Verfügung, oft mit 64 kBit/s, das macht dann ein übertragenes Datenvolumen von rund 30 Megabyte pro Stunde. Allerdings erlauben die Hybridradios nicht, eine URL für einen Stream einzugeben, sondern zwingen den Benutzer, den Sender über die umfangreiche Datenbank zu suchen. Der Chipsatz-Hersteller Frontier Silicon bietet ein Web-Frontend, in dem man die Favoritenliste des Radios verwalten und Stationen per URL hinzufügen kann, die Bedienung ist allerdings kompliziert und fehleranfällig (siehe ct.de/y14u).

Wir haben zunächst Stationstasten bei fast allen Geräten vermisst. Die gibt es, allerdings nur auf der Fernbedienung und nicht am Gerät selbst. Über die Zifferntasten lassen sich dort 10 Programme anwählen, stets nach Betriebsart getrennt. Hat ein Gerät 10 Speicherplätze, lassen sich dort jeweils 10 FM-, DAB+- und Internetradios ablegen, also zusammen 30 Sender. Abrufen lassen sie sich nur in der jeweiligen Betriebsart. Einige Geräte haben mehr Speicherplätze; ab Speicherplatz 11 sind sie nur über das Menü abrufbar, das sich aber auch über die Fernbedienung komfortabel aufrufen und steuern lässt.

Die Auswahl im Menü am Gerät selbst geht auch flott. Viele der Modelle haben eine Favoriten-Taste, mit der man den Speicher mit einem Tastendruck aufrufen kann. Erfolgt der Aufruf übers Hauptmenü, ist nur ein zusätzlicher Tastendruck erforderlich. Die Namen der Einträge werden automatisch aus den Zusatzinformationen per RDS, DAB+ oder über den Internet-Stream gewonnen. Das Umschalten zwischen zwei Sendern geschieht schnell, lediglich bei Internetradios kann es ein paar Sekunden dauern, bis der Datenpuffer ausreichend gefüllt ist.

Sparsam mit Buchsen

Mit kabelgeführten Eingängen sind die Geräte sehr sparsam ausgestattet. In fast allen Fällen findet man nur einen Klinkenstecker für Aux-in. Auch Aux- oder Line-out-Anschlüsse sind in Klinkenform ausgeführt. Lediglich das Gerät von Numanaudio hat Cinch-Buchsen. Das Spitzenmodell von Hama hat zusätzlich noch einen optischen Ausgang. Offenbar setzen die Hersteller immer mehr auf digitale Schnittstellen, dazu später mehr.

Alle geprüften Geräte haben einen Kopfhöreranschluss mit einer Klinkenbuchse. Diese ist bei einigen Geräten auf der Rückseite angebracht. Wenn Sie das Gerät in einem Regal unterbringen wollen und einen Kopfhörer verwenden wollen, sollten Sie lieber ein Gerät wählen, bei dem sie ihn vorne anstöpseln können. Obwohl die Geräte mit Bluetooth ausgestattet sind, lassen sich Bluetooth-Kopfhörer damit nicht verbinden. Bluetooth dient den Radios lediglich als Audio-Eingang, nicht aber als -Ausgang.

MP3-Sammlung abspielen

Wer seine Musiksammlung in gängigen Dateiformaten vorliegen hat, kann darauf auch von seinem Internetradio zugreifen. Die meisten spielen Musik von lokalen Speichern ab, entweder von einem NAS, einem UPnP-Server oder einem angesteckten USB-Stick. Sie akzeptieren die Formate MP3, AAC, WMA und FLAC.

Fast alle getesteten Geräte bieten auch Zugriff auf den Streaming-Dienst Spotify. Eine Einrichtung für Spotify Connect ist sehr einfach: Ein Smartphone mit Spotify-Account im lokalen Netzwerk erkennt das Internetradio als Ausspieler für Spotify, was für die Authentifizierung ausreicht. Die Auswahl der Playlist lässt sich dann über die Smartphone-Apps oder das Web-Frontend des Streaming-Anbieters ändern. Praktisch: Schaltet man das Radio auf Spotify-Wiedergabe, macht es mit der zuletzt abgespielten Playlist weiter – ganz ohne Smartphone oder PC.

Internet-Radiosender lassen sich zwar leicht finden und anwählen, aber nur solange man sie direkt aus dem Menü pickt. Sobald Eingaben für eine Suche erforderlich sind, wird die Sache sehr umständlich. Komfortabler wird die Bedienung, wenn man ein Smartphone oder Tablet hinzunimmt, das viel schnellere Texteingaben zulässt und auf seinem Display viel mehr Informationen gleichzeitig darstellen kann als das Internetradio. Ein Smartphone lässt sich auf verschiedene Weise mit dem Internetradio verbinden.

Die einfachste Methode ist die Kopplung per Bluetooth. Das Internetradio wird darüber zu einem ganz simplen Abspieler, der das Audiosignal des Smartphones wiedergibt. Das Internetradio fungiert dann als Bluetooth-Lautsprecher; über die Bedieneinheiten lassen sich nur noch die Lautstärke regeln und der Bluetooth-Modus beenden. Weitere Informationen zur Anzeige wie den gerade ausgespielten Titel übernimmt keines der Internetradios, obwohl es dafür durchaus Verwendung hätte.

Alle getesteten Geräte lassen sich darüber hinaus per UPnP/AV (DLNA) ansprechen. Über eine passende App, beispielsweise BubbleUPnP für Android, kann man per WLAN Audio direkt vom Smartphone auf das Radio streamen. Das funktioniert ähnlich wie eine Bluetooth-Verbindung; das Radio wird auch in diesem Betriebsmodus zum reinen Abspieler (DMP) deklassiert und ist außerdem fürs Rendern (DMR) zuständig. Dabei zeigen die Internetradios aber Titelinformationen im Display an.

Multiroom-Systeme

Vollkommen anders verhält es sich, wenn man das Gerät per Undok steuert. Das ist sozusagen die Haus- und Hof-App des Chipherstellers Frontier Silicon für entsprechend ausgestattete Geräte. Mit der Undok-App erhält man eine komfortable Fernbedienung mit vielen Möglichkeiten, beispielsweise zur Auswahl des Senders und zur Einstellung der Lautstärke. Selbst ein Firmware-Update lässt sich darüber anstoßen. Der genaue Funktionsumfang hängt allerdings vom Gerät ab – nicht jeder Menüpunkt ist bei allen Geräten verfügbar.

Die meisten der hier vorgestellten Internetradios lassen sich als Quelle für Multiroom-Systeme nach dem Undok-Standard nutzen. Hat man zwei Internetradios, kann man das eine als Quelle und das andere als Abspieler nutzen, wenn beide das gleiche Programm spielen sollen. Über WLAN können zusätzliche Multiroom-Lautsprechersysteme auch anderer Hersteller angesteuert werden. Über das Menü der Radios lassen sich verschiedene Gruppen konfigurieren, typischerweise einzelne Mono-Lautsprecher oder Pärchen von Stereo-Lautsprechern, die dann das Programm wiedergeben können. Die Lautstärkereglung geschieht an den Satelliten.

Grundsätzlich können mit dem System verbundene Multiroom-Lautsprecher ein anderes Programm abspielen als das Internetradio. Dazu benötigen sie eine eigene Quelle; üblicherweise sind solche Lautsprecher deshalb mit Internetradio- und Streaming-Diensten ausgestattet, nur Spitzenmodelle haben auch einen eingebauten UKW-Tuner für RDS und DAB+. Um ein anderes Programm als am Internetradio auszuwählen und um das Gerät zu konfigurieren, benötigt man eine eigene Steuerung. Will man beispielsweise auf dem Multiroom-Lautsprecher im Bad ein anderes Programm hören als am Internetradio im Wohnzimmer, kann man über die Undok-App die Quelle des Bad-Lautsprechers wählen und dort das gewünschte Programm einstellen.

Nützlicher Helfer

Tabelle: Internet-Hybrid-Radios

Die vorgestellten Radios sind weitgehend zukunftssicher. Zwar wird der Betrieb der analogen UKW-Sender irgendwann in den kommenden Jahren eingestellt, dafür wird aber das DAB+-Sendernetz deutlich ausgebaut werden. Die Geräte lassen sich als Küchenradio genauso einsetzen wie als Teil eines Multiroom-Systems.

Die Klangqualität von Multiroom-Lautsprechern hängt dabei nicht vom Zuspieler ab, sondern von den verwendeten Komponenten der Lautsprecher. Das 100-Euro-Küchenradio kann problemlos das 5000-Euro-System im Wohnzimmer bespielen, ohne dass man dabei Kompromisse einginge.

Der größte Vorteil solcher Radios gegenüber einer Smartphone-Lösung liegt in ihrer leichten Bedienbarkeit. Die Radios sind kompakt und machen genau das, was sie sollen: Radio auf Knopfdruck in ordentlicher Qualität wiedergeben, ohne dass man mit externen Boxen und Apps herumfummeln muss. (uma@ct.de)