c't 20/2017
S. 26
Prozessorgeflüster
AMD kontra Intel

Prozessorgeflüster

Von Sünden, Fehlern und Erfolgen

Ach, was muss man oft von bösen Firmen hören oder lesen, wie zum Beispiel hier von diesen, welche AMD und Intel hießen. Zermahlen sind Max-AMD und Moritz-Intel derweil noch nicht, aber sie haben auch heute noch mit ihren alten Sünden sowie mit neuen Marktherausforderungen zu kämpfen.

Wegen unfairen Wettbewerbs in Europa, begangen in den Jahren 2002 bis 2007, drohen Intel immer noch 1,06 Milliarden Euro Strafe. Die Strafe hatte die Europäische Kommission schon im Jahre 2009 verhängt, aber europäische Mühlen mahlen langsamer als die Rickeracke-Mühle von Meister Müller bei Wilhelm Busch. Intels Berufung hatte jetzt vor dem EuGH in Luxemburg zumindest teilweise Erfolg. Die Verhandlung muss demnach neu aufgerollt und die von der Kommission monierten Treuerabatte mit Hinblick auf übliche Praktiken anderer marktbeherrschender Firmen analysiert und gegebenenfalls neu bewertet werden. Die damals geschädigte Firma AMD hatte sich schon 2009 mit Intel geeinigt und im Rahmen eines Patentaustauschabkommens von Intel 1,25 Milliarden Dollar – inklusive Schmerzensgeld – bekommen.

AMD bekam später noch was anderes, nämlich Ärger – mit Bauer Mecke, Schneider Böck und anderen, wenn diese ihre sauer verdienten Spargroschen für die Altersversorgung in große amerikanische Pensionsfonds eingezahlt hatten. Ebenso wie viele andere US-Aktionäre investierten diese in AMD und verloren 2012 viel Geld. Im Jahre 2014 verklagten sie dann die Prozessorfirma, weil ihrer Ansicht nach der damalige Chef Rory Read wider besseren Wissens zu große Erwartungen zum Start der ersten APU namens Llano geweckt hatte. Im Oktober 2011 musste er dann Verzögerungen und Lieferschwierigkeiten einräumen. Read beruhigte zunächst die Aktionäre und sprach von einer großen Nachfrage – die war aber in den folgenden Quartalen nicht auszumachen: Der Aktienkurs und damit die Alterssicherung zerrannen wie Korn aus aufgeschlitzten Säcken von 8,35 US-Dollar im März 2012 auf nur noch 2,18 US-Dollar im Oktober 2012.

Nun will sich AMD gegen Zahlung von 29,5 Millionen US-Dollar das Verfahren außergerichtlich vom Hals schaffen. Ein Gutes hatte die Sache für AMD wohl: Rory Read musste 2014 seinen Sessel räumen für Lisa Su, die den Laden offensichtlich deutlich besser im Griff hat.

Jetzt liegt der Aktienkurs jedenfalls wieder bei knapp 13 Dollar. Großaktionär Mubadala aus Abu Dhabi, der Besitzer von Globalfoundries, hat die Chance genutzt und im August weitere 40 Millionen AMD-Aktien für rund eine halbe Milliarde Dollar verkauft, nachdem die Staatsfirma schon im März 45 Millionen Aktien zu ähnlich guten Kursen abgestoßen hatte. Dennoch bleibt Mubadala mit weiterhin 12,9 Prozent AMDs größter Investor. Inzwischen ist Mubadala mit dem heimischen Erdölkonzern IPIC fusioniert und investiert 15 Milliarden US-Dollar in den gigantischen japanischen Zukunftsfonds „Softbank Vision“ in Höhe von rund 100 Milliarden Dollar. Der will vor allem in Start-ups in den Bereichen KI, Robotics und anderer neuer Technologien investieren. Mit dabei sind auch die gutbetuchten Geldgeber Apple, Qualcomm, Foxconn und Sharp.

In Rechnungssachen …

Eine der größten Sünden von Intel liegt nun schon 23 Jahre zurück. Damals wusste Intel schon mehrere Monate von dem dicken FDIV-Bug im Pentium, bevor dieser dann von Mathematik-Professor Nicely entdeckt und an die große Glocke gehängt wurde. Das gab ein schrecklich großes Getöse und Intel-Chef Grove musste sich entschuldigen. Er versprach eine lebenslange Umtauschgarantie und hinfort die frühzeitige Veröffentlichung von bekanntgewordenen Fehlern.

So hat es Intel auch weitgehend gehalten und es ist immer wieder schön, durch die Fehlerlisten der Prozessoren in den „Specification Updates“ zu blättern. Hier findet man neben den – allerdings oft nur kryptisch beschriebenen – Fehlern so manche noch fehlende, vermisste Information. So etwa bei den neuen Xeon-SP-Prozessoren: Auf dem Presse-Workshop zu den Scalable Xeons hatte sich Intel standhaft geweigert, über die geplanten Turbo-Frequenzen (Normal, AVX2, AVX512) genaue Auskunft zu geben. Wahrscheinlich standen sie zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht fest. In der zweiten erschienenen Auflage der Specification Updates wurde das nachgeholt, inzwischen gibt es außerplanmäßig schon eine dritte Auflage, die unter anderem weitere „Performance Issues“ enthält.

Nun weiß man, dass zum Beispiel der Platinum 8180 – einer aus unserer vermessenen Viererbande – im Normalbetrieb mit einem Basistakt von 2,5 GHz läuft, im Turbo bei Last auf bis zu zwei Kernen mit 3,8 GHz taktet und dann langsam hinunter auf 3,2 GHz fährt, wenn alle 28 Kerne unter Volllast stehen. Sollte sich aber innerhalb eines Zeitfensters (üblicherweise von einer Millisekunde) auch nur ein einziger komplexer AVX2.0-Befehl befinden, so sinkt der Basistakt auf 2,1 GHz. Im Turbo mit Last auf bis zu zwei Kernen sind es 3,6 GHz und 2,8 GHz bei Volllast. Bei AVX512-Befehlen schleicht er nur noch mit einem Basistakt von 1,7 GHz und im Turbo Mode auf zwei Kernen mit 3,5 GHz, bei Volllast verbleiben lediglich 2,3 GHz.

Kein Wunder also, dass bei unseren SPEC-CPU2017-Experimenten die AVX512-Versionen dieser Benchmarks im Schnitt langsamer waren als die AVX2-Versionen.

Hinzu kommt hier offenbar noch eine weitere Merkwürdigkeit, die Intel in der Fehlerliste unter Fehler 24 dokumentiert hat, nämlich eine geringere Performance als erwartet bei bestimmten AVX2- und AVX512-Workloads. Irgendwas klappt wohl mit dem Turbo und den drei Taktfrequenz-Linien nicht wie gedacht, Genaueres weiß auch Intel noch nicht, das Problem steht derzeit „under investigation“. In der dritten Auflage wird unter Fehler 35 von einem weiteren Performance-Problem mit AVX-Workloads berichtet, wegen unkorrektem „Uncore Frequency Scaling“. Der Workaround ist einfach: Fragen Sie Ihren Intel-Repräsentanten. Und noch ein ungeklärtes Performance-Problem tritt auf, wenn man nicht mit DDR4-2666 oder -2400, sondern mit DDR4- 2133 oder 1866 fährt – auch das steht „under investigation“.

… soll der Mensch sich Mühe machen

Eigentlich gehören solche Informationen wie etwa Taktfrequenzen in die zugehörigen Datenblätter. Doch auf Volume 2 der Data Sheets zu den Xeons-SP muss man, wie bei vielen anderen Intel-Chips der letzten Zeit leider auch, immer noch warten. Wer aber nun geglaubt hätte, bei AMD siehts besser aus, … so irrt sich der. Datenblätter zu Ryzen, Epyc, oder Threadripper? Fehlanzeige. Revision Guides? Ebenso. BIOS and Kernel Developer’s Guide? Nada. Man findet lediglich eine Programming Reference zu Ryzen (Family 17h, Model 00 bis 0Fh) sowie einen Software Optimization Guide – und die Bestellnummer #55441 für den Ryzen Revision Guide. Dessen Veröffentlichung ist nun wirklich mehr als überfällig, unter anderem zum Thema Segmentation Faults unter Linux bei hoher Last. Linuxern mit Ryzen-Chips aus den ersten Monaten tauscht AMD die Ryzen-Chips gegen welche mit jüngerem Fertigungsdatum aus, meldet jedenfalls Michael Larabel von Phoronix – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Unter Windows treten solche Probleme (bislang) nicht auf.

AMD Epyc: Erste Angebote in Deutschland - aber mit „Liefertermin unbekannt“.

Da wundert es wenig, wenn die neuen Workstation-Generationen von Dell und HP erst einmal am Ryzen Threadripper vorbeiziehen: Hier halten Xeon-SP und Xeon W Einzug (siehe S. 23). Lisa Su muss ihre Entwickler wohl noch stärker antreiben – aber wie an dieser Stelle schon gemunkelt, wollen einige Serverhersteller sowieso erst mit Zen+ einsteigen. Der wird wohl noch ein gutes Jahr auf sich warten lassen.

Von den Epycs sind Ende August für den 7601 zwar die ersten Angebote ab 4250 Euro auch in Deutschland aufgetaucht, aber die Enttäuschung wird groß, wenn man die Shops anklickt: „Liefertermin unbekannt“. Der deutsche Online-Versandhändler Mindfactory gehört nicht zu diesen ersten Vorab-Epyc-Anbietern, der verkauft lieber lieferbare Chips und veröffentlicht dann auf Reddit seine interessante Verkaufsstatistik. Derzufolge hat die Firma im August erstmals deutlich mehr AMD- als Intel-Prozessoren verkauft. Prompt bedankte sich AMD-Chefin Lisa Su per Twitter bei den treuen AMD-Freunden in Deutschland.

Beim Versandhändler Mindfactory konnte AMD schon Intel überholen. Bild: Reddit

Daraus zogen manche Kommentatoren schon den Schluss, AMD stehe kurz vor der Weltherrschaft – aber der Wurf geht zu weit: Mindfactory verkauft diese Prozessoren vor allem an PC-Schrauber, die wiederum nur einen winzigen Teil des Desktop-PC-Marktes ausmachen. Und der wiederum nimmt nur ein Drittel aller PC-Prozessoren auf: Zwei Drittel stecken in Notebooks.

Das soll den Erfolg von AMD nicht schmälern, zumal nun schon einige interessante Gaming-PCs mit AMD Ryzen auf dem Markt sind (siehe S. 86). Und auch Ryzen Threadripper ist sehr attraktiv, der zeigte sich performant, umgänglich und hatte mit den Mainboards (siehe S. 51 und 90) keine Probleme. Bei den Business-PCs verläuft der Start jedoch eher zäh: HP (EliteDesk 705 G3) und Lenovo (ThinkCentre M715) haben nun zwar schon erste Ryzen-Rechner im Programm, kombinieren die flotte AMD-CPU darin aber jeweils mit angestaubten Nvidia-Karten wie der GeForce GT 730. Alternativ gibt es veraltete Bristol-Ridge-APUs wie die A12-9800. Lenovo schafft es nicht einmal, Produktbezeichnungen richtig zu schreiben und offeriert einen Pro Ryzen 7 statt eines Ryzen 7 Pro sowie zweimal „USB 3.1 Gen 2 Gen 1“. Und in das von AMD als Erfolg gemeldete ThinkPad A475 baut Lenovo allen Ernstes auch noch einen zwei Jahre alten Carrizo ein – zum Glück kommt es in Deutschland gar nicht erst auf den Markt.

Intels Gegenoffensive geht aber jetzt los. Bei den Notebooks hat Intel mit dem Core i-8000U eindrucksvoll vorgelegt: Der 15-Watt-Quad-Core schlägt sich sehr gut (siehe S. 22 und 46). AMDs stromdurstige Vega-GPU macht bislang nicht den Eindruck, dass sie kommenden „Raven Ridge“-APUs alias AMD Ryzen Mobile zu großen Sprüngen verhelfen wird.

Und für Desktops und High-End-Notebooks steht Intels Sechskerner (Coffee Lake) in den Startlöchern, zusammen mit Z370-Mainboards. Man hört vom 5. Oktober und von Preisen etwa für den Core i3-8350K (4 C) von 200 US-Dollar bis hinauf zum Core i7-8700K (6 C) für 419 US-Dollar.

Laut Mindfactory war auf der AMD-Seite vor allem der 200-Euro-Sechskerner Ryzen 5 1600 beliebt, gefolgt von Ryzen 5 1600X. Dann erst kommen teurere Octo-Cores wie Ryzen 7 1700 und 7 1700X. Im Intel-Lager lag der Core i7-7700K weit vorne, der x86-Chip mit der höchsten Single-Thread-Performance und Gamer-Liebling. Nummer zwei war hier der Core i5-7600K, gefolgt vom i5-7500. Wie zu erwarten ist, spielen die teuren Boliden Ryzen Threadripper und Core X keine große Rollen von den Stückzahlen her – aber AMD macht auch hier Boden gut. Dieser Markt ist jedenfalls schön in Bewegung, mal sehen, wann sich der Servermarkt belebt. (as@ct.de)