c't 17/2017
S. 16
Prozessorgeflüster
Bilanzen, geheime Befehle, Abschiede

Prozessorgeflüster

Von Führungs- und anderen Wechseln

AMD erholt sich, auch Intel legt gute Geschäftszahlen hin, wird aber von Samsung Electronics locker überholt. Und Prozessoren haben schon seit Jahrzehnten undokumentierte Befehle, die man selbst aufspüren kann.

So langsam zeigen sich bei AMD auch in den Bilanzen die Erfolge. Zwar reichte die Umsatzsteigerung um knapp 19 Prozent auf 1,22 Milliarden US-Dollar noch nicht ganz aus, um AMD schon in die Gewinnzone zu bringen, aber der operative Verlust lag nur noch bei 8 Millionen Dollar, statt bei 81 Millionen wie im Vorjahr. Das Segment „Computing and Graphics“, wo Ryzen und Radeon zu Hause sind, legte im Umsatz gar rasant um über 50 Prozent zu – bei Radeon allerdings auch bedingt durch den plötzlichen Ethereum-Mining-Boom. Aber der Bereich Enterprise, Embedded und Semi-Custom lief nicht so gut und die Serverprozessoren Epyc konnten noch nicht gewinnbringend eingreifen.

Das wird sich auch im nächsten Quartal wohl noch nicht ändern. Voraussichtlich erst im vierten Quartal dürfte Epyc nennenswert zur Bilanz dieses Geschäftsbereichs beitragen. Die Aussichten für seinen Markterfolg stehen nicht schlecht, denn insbesondere die Performance-Werte können sich mehr als sehen lassen. Das hatten viele AMD nach so vielen Jahren Bulldozer-Kleckereien gar nicht mehr zugetraut.

Wie unsere in eigenem Szenario ermittelten Ergebnisse zeigen (siehe Artikel auf Seite 102), kann sich Epyc 7601 bei den meisten Einzelbenchmarks der SPEC CPU2006 gegenüber Intels mehr als doppelt so teurem Platinum 8180 zumeist recht gut behaupten. Den Zwanzigkerner Gold 6148, der allerdings über 1000 US-Dollar billiger ist als der Epyc 7601, hängt er jedenfalls fast immer locker ab.

Noch ist Intel im Serversegment alleine und konnte hier trotz generell schwieriger Marktsituation den Umsatz um 9 Prozent steigern. 60 Prozent des Umsatzes der Data Center Group (DCG) kommt inzwischen über Cloud sowie andere Service Provider. Die Profitabilität ist jedoch weiter gesunken; Intel begründet das damit, dass die DCG einen größeren Anteil an der Entwicklung neuer Techniken trage und vielleicht auch mehr Risiken bei Fehlentwicklungen abdecken müsse.

Tabelle
Tabelle: Intel-Umsatz Q2 2017

Die Client Computer Group konnte mit 12 Prozent Umsatzzuwachs sogar mehr zulegen, als allgemein erwartet. Hohe Notebook-Preise und ein guter Verkauf von LTE-Chips etwa an Apple sollen dazu beigetragen haben. Shooting Star mit einem Plus von 52 Prozent ist jedoch die Non-Volatile Memory Group, obwohl der stark gehypte 3D-Xpoint-Speicher außer als Optane-Beschleunigerkarte erst jetzt so langsam auf den Markt kommt, etwa als P4800X-SSD mit 375 GByte zum Luxuspreis von 1500 Euro. Trotz Umsatzsteigerung auf nunmehr 14,8 Milliarden Dollar musste Intel mit einem vergleichsweise geringen Betriebsgewinn von 3,8 Milliarden jetzt die nunmehr 24-jährige Führungsposition im Halbleiter-Geschäft an Samsung Electronics abtreten. Die Koreaner erwirtschafteten im Chip-Geschäft umgerechnet 7,2 Milliarden Dollar bei 15,8 Milliarden Umsatz.

Appendix I

Außer den dokumentierten Befehlen gibt es in Prozessoren schon seit uralten Z80- und 6502-Zeiten mitunter recht nützliche undokumentierte Befehle. Und seit Urzeiten berichtet auch c’t darüber; legendär war vor allem der berüchtigte, geheimgehaltene Appendix H des Pentium, den Christan Ludloff im c’t-Artikel „Zwischen den Zeilen“ 1994 sehr zum Unwillen von Intel weitgehend aufgeschlüsselt hatte. Auch heute noch bietet Ludloffs Website sandpile.org die wohl genaueste und umfangreichste x86-Opcode-Liste aller möglicher x86-Prozessoren an – darunter auch etliche undokumentierte Befehle.

Software zum Aufspüren solcher Instruktionen zu erstellen ist nicht weiter schwierig; weit komplizierter ist es herauszufinden, was ein undokumentierter, aber erlaubter Befehl so alles anstellt.

Christopher Domas, Sicherheitsforscher bei Battelle, hat jetzt seinen Processor Fuzzer namens Sandsifter auf Github gestellt. Der hat ebenfalls schon eine lange Geschichte. Er benutzt den Open-Source Disassembler Capstone und ist so bezüglich Instruktionen immer auf neuestem Stand. Donas berichtet über zahlreiche Merkwürdigkeiten, Bugs und Hypervisor Flaws mit vielen Fundstellen bei Oldtimern von Cyrix, Transmeta, Via, aber auch bei moderneren Intel-Chips, etwa beim Core i7-4650U oder bei Microsofts Hypervisor auf Azure.

Für Sicherheitsforscher stellen jedwede undokumentierten Befehle ja immer ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar – kann man sich darüber vielleicht irgendwelche Rechte erschleichen, etwa auf gesperrte Speicherbereiche zugreifen? Mit Domas’ Python-Tool kann man sich schon mal auf die Suche machen.

Abschiede

Verabschieden müssen wir uns leider von der Professorin für Mathematik an der Stanford University, Prof. Maryam Mirzakhani, die Mitte Juli im jugendlichen Alter von nur 40 Jahren an Brustkrebs gestorben ist. Die in Teheran geborene Mathematikerin beschäftigte sich vor allem mit hyperbolischen Riemann’schen Flächen und bekam dafür als bislang einzige Frau – von insgesamt 56 Preisträgern seit 1936 – vor zwei Jahren die Fields-Medaille, die als der „Nobelpreis der Mathematiker“ gilt.

Mirzakhani war Mitte der 90er Jahre auch schon die erste Siegerin der Internationalen Mathematik-Olympiade. Hier gibt es mit der Dresdnerin Lisa Sauermann (promoviert derzeit – natürlich auch an der Stanford University) inzwischen einen erfolgversprechenden weiblichen Nachwuchs aus Deutschland. Mit insgesamt vier Gold- und einer Silbermedaille liegt Lisa Sauermann in der Allzeit-Bestenliste auf Platz drei.

Principal Engineer François Piednoël hat Intel mit noch unbekanntem Ziel verlassen. Bild: François Piednoël

Verabschieden muss sich Intel von einem seiner wichtigsten Principal Engineers, zum Glück aber nur beruflich. François Piednoël verlässt nach nahezu 20 Jahren Intel mit bislang unbekanntem Ziel.

Er war bei Intel nicht wirklich der „CPU-Architekt“, wie allerorts zu lesen war. Kein Patent ist von ihm zu finden, anders als bei den bekannten Prozessorarchitekten Glenn Hinton, Avinash Sodani, Ronak Singhal in Hillsboro oder Julius Mandelblat und Alon Naveh in Haifa. François arbeitete vielmehr als Performance- und System-Architekt an der mindestens ebenso wichtigen Schnittstelle zwischen Hard- und Software. Als virtuoser Beherrscher von diversen Performance-Tools und Mitwirkenden an 3DMark, Poyray, DivX, CPUz und mehr wusste er, was draußen gebraucht wird. So sagte er den Architekten, welche Befehle sie unbedingt einbauen müssen, insbesondere bei den Multimedia-Befehlen in den SIMD-Einheiten von SSE bis hin zu AVX512. Er entwickelte nebenbei die Enthusiasten-Plattform Skulltrail mit übertakteten Prozessoren und später dann auch Tablets mit Broadwell-Y.

Piednoël und sein Team organisierten auf zahlreichen IDFs die zumeist unter NDA abgehaltenen Benchmark-Events. Hier durften die eingeladenen Journalisten in kleinen Gruppen die vorbereiteten Programme abrufen – merkwürdigerweise hatten sie dann alle die gleichen „exklusiven“ Ergebnisse.

Sein letzter Tweet bei Intel war übrigens ein Hinweis auf die neue SPEC CPU2017-Suite. Auf sein nächstes Kapitel sind wir jetzt alle sehr gespannt – AMD, Fujitsu, Nvidia? – vielleicht ja auch Cavium, wo Ex-Intel-Kollege Avinash Sodani inzwischen die Architekturfäden zieht. (as@ct.de)