c't 13/2017
S. 30
News
Lithium-Ionen-Zellen

Zellaufbau

TerraE plant deutsche Giga-Factory für Lithium-Ionen-Zellen

Derzeit stammt der Großteil aller Lithium-Ionen-Zellen aus asiatischen Fabriken. Das neu gegründete Unternehmen TerraE möchte das ändern, sagt aber noch nicht, wo die Fabrik hierzulande entstehen wird.

Lithium-Ionen-Zellen von Panasonic im Format 2170

TerraE will eine große deutsche Fabrik für Lithium-Ionen-Zellen aufbauen. Sie soll nach dem Foundry-Prinzip arbeiten, also als Auftragsfertiger Zellen nach den Spezifikationen und Wünschen der Kunden fertigen. Die ersten Zellen sollen das Format 2170 haben, welches drauf und dran ist, das bisherige Standardformat 18650 abzulösen.

Die Gründungsmitglieder von TerraE sind keine unbeschriebenen Blätter in der Branche: Die BMZ GmbH fertigt in Karlstein am Main Lithium-Ionen-Akkus für Power-Tools, Elektro-Fahrräder und den Street Scooter der Deutschen Post – derzeit ausschließlich mit Zellen aus Asien. Dr. Ulrich Ehmes war CEO des Schweizer Batterieherstellers Leclanché SA, der TerraE-CEO Holger Gritzka hat bislang als Manager beim Anlagenbauer ThyssenKrupp System Engineering gearbeitet.

TerraE ist aus einer Initiative des Kompetenz-Netzwerks Lithium-Ionen-Batterien hervorgegangen. Hinter diesem Zusammenschluss stecken etliche deutsche Unternehmen, die Know-how bei Fertigungsanlagen (unter anderem Kuka, ThyssenKrupp, Manz, Siemens) oder bei den Rohstoffen (unter anderem BASF, Wacker, UmiCore) haben. Zudem sind etliche Hochschulen und Forschungseinrichtungen beteiligt, die Grundlagenforschung betreiben (unter anderem TU München, KIT, RWTH Aachen, Fraunhofer, ZSW) sowie Zellproduzenten wie CustomCells oder Litarion, die hierzulande Spezialzellen verschiedenster Chemien in Kleinserie fertigen.

Giga ist nicht gleich Giga

Die TerraE-Fabrik soll hingegen in einer anderen Liga spielen: Während Litarion eine jährliche Fertigungskapazität von 500 Megawattstunden hat, will der Neuling bis zum Jahr 2028 satte 34 Gigawattstunden (GWh) schaffen. TerraE bezeichnet seine geplante Fabrik deshalb in Anlehnung an Teslas Zellfabrik in Nevada, die anfangs bis zu 35 GWh liefern soll, als deutsche Giga-Factory.

Dieser Vergleich hinkt allerdings etwas: Tesla will seine 35 GWh nämlich schon 2018 liefern; später soll die Fabrik auf bis zu 150 GWh ausgebaut werden. Bei TerraE sind die anvisierten 34 GWh hingegen der planmäßige Vollausbau; der Anfang wird deutlich kleiner ausfallen – so in der Größenordnung von 5 GWh ab 2020.

Auch darf man nicht vergessen, dass Tesla mit Panasonic einen erfahrenen Technik-Partner hat, der zu den unangefochtenen Branchengrößen bei Lithium-Ionen-Zellen gehört und seine jahrelange Kompetenz in das Projekt einbringt. TerraE fängt hingegen von vorne an und will aller Voraussicht nach NMC 8:1:1 als Aktivmaterial verwenden, um konkurrenzfähige Zellen anbieten zu können. NMC 8:1:1 ist derzeit noch bei keinem Zellproduzenten in der Massenproduktion – da mag es also noch den ein oder anderen unvorhergesehenen Stolperstein geben. Bislang hat TerraE auch noch keinen Standort benannt, an dem die Fabrik gebaut werden soll.

Das Beispiel Li-Tec zeigt zudem, dass eine deutsche Zellfertigung selbst mit einem großen Partner wie Daimler im Rücken nicht automatischen klappen muss: Li-Tec hat die Zellfertigung im sächsischen Kamenz anno 2015 nach nur drei Jahren wieder aufgegeben, weil man mit der Konkurrenz aus Asien nicht Schritt halten konnte. Die ebenfalls in Kamenz ansässige Daimler-Tochter Accumotive fertigt ihre Auto-Akkus seitdem mit Zellen aus Asien.

Zellknappheit

Es gibt aber auch positive Zeichen – ganz unabhängig von Zuschüssen, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung gewährt. So herrscht weltweit Knappheit an Lithium-Ionen-Zellen. Das hat bereits große Firmen dazu veranlasst, sehr langfristige Lieferverträge einzugehen, um die Versorgung mit Zellen sicherzustellen. BMW hat beispielsweise einen Vertrag mit Samsung SDI über 15 Jahre abgeschlossen.

Andere Lieferanten wie Panasonic versorgen nur noch Großkunden; kleinere Abnehmer haben das Nachsehen. Jede zusätzliche Fertigungskapazität von Zellen guter Qualität ist also willkommen, selbst wenn sie etwas mehr kosten sollten.

Nicht zuletzt wünscht sich unter anderem die europäische (Automobil)-Industrie, dass ihre Zulieferer nur wenige Lkw-Stunden von ihren Fabriken entfernt fertigen, um die Just-in-time-Anlieferung nicht zu gefährden.

Letzteres spricht für TerraE und den Standort Deutschland, doch diese Anforderung geht auch an etablierten Anbietern nicht vorbei: Samsung SDI rüstet derzeit eine ehemalige Fernseherfabrik in Göd bei Budapest (Ungarn) auf die Fertigung von Lithium-Ionen-Zellen um; LG Chem baut in Breslau (Polen) neu. Beide Zellfabriken sollen bereits Ende 2018 mit voller Fertigungskapazität laufen, was geschätzte 15 GWh bei LG und knapp 10 GWh bei Samsung bedeutet. (mue@ct.de)