c't 8/2016
S. 112
Test
Günstige Smartphones
Aufmacherbild

Billig, aber smart

Smartphones ab 100 Euro mit HD-Display, LTE und Dual-SIM

Schickes Design, scharfe und helle Displays, flotte Quad-Core-Prozessoren: Für 150 Euro und weniger gibt es erstaunlich viel Smartphone. Mit Dual-SIM-Unterstützung und wechselbaren Akkus haben viele der Kandidaten sogar den Top-Geräten praktische Funktionen voraus.

Wie teuer muss ein Smartphone eigentlich sein? Ob 100, 500 oder 1000 Euro, die meiste Zeit wird das Gerät für Facebook, WhatsApp und Angry Birds herhalten müssen. Auch einfache Smartphones haben für solche Apps ausreichend Power; verzichten muss man bei ihnen auf Extras wie eine gute Kamera. Doch selbst günstige Geräte warten mittlerweile mit ordentlicher Grundausstattung wie guten Displays und schnellem Mobilfunk auf. Wir haben sechs Geräte zwischen knapp 100 und gut 150 Euro darauf getestet, ob sie sich für den Alltag eignen, ohne zu frustrieren.

Android dominiert wie gehabt den Markt: Huawei Y6, LG Bello 2, Wiko Pulp und ZTE Blade L6 laufen mit Googles Betriebssystem und sind mit ihren 5-Zoll-Displays typische Vertreter aktueller Einsteiger-Smartphones. Rund 120 Euro muss man für die Geräte von Huawei und LG ausgeben, ZTE will 130. Dafür gibt es jeweils einen Quad-Core-Prozessor und bei Huawei auch Dual-SIM und LTE. Das Wiko Pulp ist mit über 150 Euro das teuerste Gerät im Vergleich; es bietet dafür aber auch mehr Prozessorkerne, mehr internen Speicher und eine höher auflösende Kamera – jedoch kein LTE.

Dazu gesellen sich zwei Geräte mit aktuellem Windows 10 Mobile. Trotz vergleichbarer Ausstattung sind das Archos mit 115 Euro und das Microsoft Lumia 550 für unter 100 Euro noch mal deutlich günstiger. Beide warten mit LTE auf, das Archos sogar mit Dual-SIM-Funktion.

Mindestens 8 GByte internen Flash-Speicher bieten alle Geräte. Der ist auch notwendig, sonderlich viel bleibt dem Nutzer nämlich davon nicht übrig: im besten Fall 4 GByte wie bei den Windows-Geräten, im schlechtesten Fall nur knapp 2,5 GByte wie beim Huawei Y6. Einzig das Wiko Pulp mit 16 GByte (9,5 frei) hat da mehr Platz zur Verfügung. Alle Geräte können mit einer MicroSD-Karte erweitert werden, entgegen den meisten Herstellerangaben sind auch MicroSDXC-Karten bis mindestens 128 GByte möglich. Apps können auf diese meist ausgelagert werden, einzig das LG lässt das nicht zu.

Häufig gefordert und bei den günstigen Smartphones immer noch Standard: der einfach zu wechselnde Akku

Beim Design gibt es deutliche Unterschiede. Zwischen dem altbackenen und schweren LG Bello 2 mit silbernem Kunststoffrahmen und dem sehr leichten ZTE Blade L6 mit Metallrahmen und -rückseite liegen optisch mehrere Jahre. In der Regel sieht man den Geräten ihren Preis aber nur bei genauem Hinsehen an: Die Verarbeitung ist bei allen gut. Die Gestaltung reicht von gefällig bis unauffällig.

Displays

Abgesehen vom LG Bello 2 haben alle Bildschirme eine HD-Auflösung (1280 × 720 Pixel) und damit eine relativ hohe Pixeldichte von fast 300 dpi. Das Lumia 550 kommt durch die kleinere Diagonale sogar auf 320 dpi. Das sind Werte, die früher High-End-Geräten vorbehalten waren. Entsprechend sieht Text scharf aus, Pixelkanten sieht man nur aus der Nähe. Erst im direkten Vergleich zu noch schärferen teuren Modellen wirkt das nicht mehr ganz so knackig. Das Lesen sehr kleiner Schrift, etwa auf Webseiten, strengt darauf weniger an.

Der generelle Bildeindruck ist bei den meisten Geräten gut. Die beiden Windows-Geräte können etwa besonders hell leuchten und eigenen sich daher auch für einen Sonnentag im Freien. Das Gerät von Wiko schafft einen hervorragenden Kontrast von über 1800:1. Einer der höchsten Werte, die wir für Smartphones mit IPS-Display gemessen haben. Die Geräte von Microsoft, ZTE und Wiko erreichen den sRGB-Farbraum, können also mehr Farben korrekt wiedergeben als die Konkurrenten. Ein kritischer Blick aufs Display lohnt dennoch: Huawei Y6 und Archos 50 Caesium halten bei Kontrast und Farbwiedergabe nicht mit. Das ZTE Blade L6 weist zwar gute Messwerte auf, zeigt aber schwach sichtbare Längsstreifen.

Den einzigen wirklich gravierenden Ausreißer beim Display leistet sich LG. Könnte man die geringe Pixeldichte für den Preis noch verschmerzen, nervt der extrem winkelabhängige Kontrast. Schon leichtes Kippen des Geräts verfälscht den Bildeindruck, trotz IPS-Technik. Zudem sind die Farben blass und die Hintergrundbeleuchtung zu dunkel, um gegen das spiegelnde Displayglas im Freien anzukommen.

Einige ungewöhnliche Funktionen gibt es auch: Das Microsoft Lumia 550 hat ein Always-on-Display, das auf Wunsch Uhrzeit und Benachrichtigungen im Standby anzeigt. Beim LG Bello 2 kann das Gerät mit Anklopfen am Bildschirm aufweckt werden. Wer mit VR-Brillen wie der Google Cardboard liebäugelt, findet nur beim Wiko den dafür nötigen Gyrosensor.

Performance und Laufzeiten

In allen Geräten kommen CPUs mit ARM-Kernen zum Einsatz, die auf dem sparsamen, aber langsamen Cortex-A7-Design basieren. Um ausreichend Leistung bereitzustellen, haben die Chips daher mindestens vier Kerne, der MediaTek-Chip im Wiko Pulp sogar acht. Damit ruckeln weder Android noch Windows 10 Mobile auffällig, die Bedienung läuft die meiste Zeit geschmeidig und abgesehen von Spielen genügt auch Apps die Performance. Die leichten Megahertz-Unterschiede machen sich vorwiegend in den Benchmarks bemerkbar.

Wenn es hin und wieder zäh wird, dann liegt das eher am Arbeitsspeicher. Denn besonders die Smartphones mit nur 1 GByte RAM brauchen die ein oder andere zusätzliche Denkpause, bis eine App startet oder die Oberfläche nachgeladen wurde. Auffällig schlechter ist das Verhalten bei Windows 10 Mobile geworden. War das alte Windows Phone sogar bei noch schwächerer Hardware sehr reaktionsschnell, lässt sich die aktuelle Version ähnlich wie Android mehr Bedenkzeit. Zudem ist es derzeit instabiler, hin und wieder nerven Abstürze.

Für anspruchsvolle 3D-Spiele ist die Hardware nicht gemacht. In den Spiele-Benchmarks fallen die Spar-Handys selbst gegen die Mittelklasse deutlich zurück, neuere Grafikschnittstellen wie OpenGL ES 3.1 unterstützen sie nicht und Geräte mit nur 1 GByte RAM geraten bei vielen Grafikeffekten früh an die Ruckelgrenze. Reduziert man Details und begnügt sich mit etwas weniger Frames, sind aber selbst optisch aufwendigere Spiele wie Asphalt 8 noch gut spielbar.

Tabelle
Tabelle: Laufzeiten

Die schwachbrüstige Hardware hat auch Vorteile: Mehrheitlich sind die Akku-Laufzeiten trotz oft kleinem Energiespeicher auf gutem Niveau. Über 12,5 Stunden schafft das Wiko Pulp im WLAN und auch die Windows-Geräte können sich mit 11 Stunden sehen lassen. Videos saugen stärker am Akku: Von mageren 5 Stunden beim ZTE Blade L6 bis zu durchschnittlichen 8 Stunden beim Archos 50 Cesium reichen die Ergebnisse. Angst, ohne Energie zu stranden, muss man trotzdem nicht unbedingt haben. Abgesehen vom Blade L6 kann bei allen Geräten der Akku problemlos gewechselt werden.

Kamera

Gewisse Kompromisse muss man auch bei der Kamera eingehen, doch die Bildqualität ist im Schnitt längst nicht so grausig wie noch vor ein paar Jahren. Fast alle Geräte reichen zumindest für Schnappschüsse im Freien. Überzeugen können dabei vor allem das Wiko Pulp und das Lumia 550. Beide rauschen wenig und kommen auch mit schwierigen Kontrasten bei bewölktem Himmel gut zurecht. Die Bilder des Pulp mit seiner 13-Megapixel-Kamera zeigen mehr Details und wirken schärfer.

Wer Selfies im Dunkeln machen will, wird dank Blitz auf der Vorderseite mit dem Wiko Pulp glücklich.

Beim Knipsen ist mangels optischem Bildstabilisator grundsätzlich eine ruhige Hand erforderlich, richtig schnell löst keine Kamera aus. Videos verwackeln zudem deutlich. Ein kurioses Detail bietet Wiko mit dem Selfie-Blitz auf der Vorderseite. Bei allen anderen gibt es für Nachtaufnahmen zumindest einen Blitz auf der Rückseite.

Funk und Klang

Zum Kasten: Sparen oder drauflegen?

Beim WLAN-Empfang gaben sich die Geräte weitgehend keine Blöße. Probleme mit Übertragungsaussetzern wie bei den Billig-Tablets gab es nicht [1]. Einzig das Archos fiel aus der Reihe, es verlor früher als alle andere den Kontakt zum Router und die Daten kamen langsamer über die meistens schwache Verbindung. Das weniger belegte 5-GHz-Band beherrscht nur das Wiko Pulp, mehrere Antennen oder breite Funkkanäle unterstützt keines der Geräte.

Die Sprachqualität beim Telefonieren ließ bei einigen Geräten deutlich zu wünschen übrig. Häufig waren entweder der Angerufene, der Anrufer oder gleich beide zu leise. Beim ZTE Blade L6 ging das Gespräch sogar teilweise in den lauteren Nebengeräuschen unter. Am besten schnitt das billigste Gerät ab: Das Lumia 550 schaffte es, beide Teilnehmer gut verständlich rüberzubringen, filterte Umgebungsgeräusche sauber heraus und überzeugte auch beim Freisprechen.

Für verständliche Sprachausgabe sind die Lautsprecher bei allen Geräten gut genug, für Musikgenuss sind sie nicht geeignet. Der Klang ist blechern, tiefe Töne fehlen und bei hohen Lautstärken verzerren die Lautsprecher zunehmend den Klang. Archos, LG, Wiko und ZTE legen ihren Geräten Headsets bei, die für etwas mehr Klangqualität sorgen. Außer bei LG sind sie mit Gummistopfen versehen, sodass Bässe im Ohr ankommen. HiFi-Qualität darf man jedoch nicht erwarten.

Software und Updates

Nur die beiden Windows-Geräte kommen mit einem Betriebssystem, das jünger als ein Jahr ist. Traditionell sieht bei Windows auch die Update-Versorgung gut aus: Zumindest beim Vorgänger Windows Phone waren zeitnahe Updates für die Smartphones die Regel.

Brandaktuelle Software darf man dagegen bei den Android-Geräten nicht erwarten. Immerhin werden alle mindestens mit Android 5.0 ausgeliefert, was vielen verbreiteten Angriffen den Boden entzieht. Mit regelmäßigen Updates ist jedoch nicht zu rechnen. In der Regel bleiben Smartphones dieser Preisklasse auf der Version stehen, mit der sie ausgeliefert wurden. Selbst aktuelle Sicherheitspatches sind nicht selbstverständlich. Das LG Bello 2 ist auf dem Stand von November 2015. Bei den anderen Android-Geräten lässt sich das Patchlevel nicht einmal abrufen.

Besonders verbreitet ist die Unsitte, das Gerät mit diverser Zusatzsoftware zu bündeln. Den wenigen nützlichen Beigaben wie Datei-Browser oder Office stehen Schrott wie Spiele, Shops und Werbeangebote gegenüber. Huawei und ZTE verwenden zudem noch eine überladene Drittanbieter-Tastatur. Wer die simplere Android-Tastatur will, muss sie umständlich aktivieren.

Bei der Bedienung nehmen sich die Systeme nicht viel, doch einen Nachteil wird Windows wohl nicht mehr wettmachen: Es gibt deutlich mehr Apps für Android. Auch qualitativ ist das Angebot dort besser. Das App-Grundangebot von Windows 10 ist zwar ausreichend, doch selbst beliebte Dienste wie Spotify pflegen ihre Windows-Apps stiefmütterlich. Viele andere bieten erst gar keine an.

Fazit

Tabelle
Tabelle: Smartphones ab 100 Euro

Reichen schon weniger als 150 Euro für ein Smartphone? Durchaus, wenn man denn zum richtigen Gerät greift. Gewisse Zugeständnisse bei den Details sind nötig, doch die Mehrheit der Smartphones im Test erledigt die alltäglichen Aufgaben klaglos. Im Vergleich zu den Vorjahresmodellen haben sich Ausstattung und Qualität weiter verbessert [2].

Besonders das Wiko Pulp kann überzeugen: Es ist das schnellste Gerät im Test, macht gute Fotos und bietet auch den meisten Platz für Apps. Es ist zwar das teuerste Gerät im Vergleich, doch für vergleichsweise wenig Geld bekommt man in der knapp kalkulierten Klasse erheblich mehr Ausstattung.

Auch das Microsoft Lumia 550 mit Windows 10 schlägt sich wacker. Für gerade mal 100 Euro bringt es alles mit, was ein Smartphone braucht, und erledigt seine Sache oft besser als die meisten teureren Geräte im Test. Wer mit dem Smartphone hauptsächlich telefoniert und surft, wird hier für wenig Geld fündig.

Möchte man Dual-SIM, LTE, gute Kamera und flotten Prozessor zusammen in einem schlanken Gerät, muss man allerdings immer noch deutlich tiefer in die Tasche greifen. (asp@ct.de)