c't 6/2016
S. 124
Hintergrund
Künstliche Intelligenz
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Die KI-Revolution

Vom Siegeszug der lernenden Software

Künstliche Intelligenz: Eine Nischentechnik, so schien es lange. Doch plötzlich entstehen überall Anwendungen auf Basis lernender Verfahren. Günstige Hardware, riesige Mengen an Trainingsdaten und ausgefeilte Algorithmen befeuern die aktuelle Renaissance der KI, die das Wesen der IT nachhaltig verändern wird.

Google Photos erkennt in hochgeladenen Bildern automatisch Objekte wie Katzen, Berge und Strände; Skype transkribiert das Gesprochene nicht nur, sondern übersetzt es in Echtzeit in andere Sprachen; ein Schach-Programm namens Giraffe bringt sich innerhalb von 72 Stunden das Spiel selbst bei und hält anschließend mit Profis mit.

Dies sind nur drei Beispiele aus einer langen Liste von relativ neu erschienenen Diensten und Anwendungen, die alle eines gemein haben: Sie bauen auf künstlichen neuronalen Netzen auf. Diese Netze erleben derzeit ihren Durchbruch und befeuern einen Boom der künstlichen Intelligenz. Es vergeht keine Woche ohne neue bahnbrechende Produkte auf Basis von „KI“ – was auch immer im Einzelnen damit gemeint sein mag.

Begriffswirrwarr

KI, AI, Deep Learning, neuronale Netze, Cognitive Computing et cetera … Wer sich mit künstlicher Intelligenz befasst, wird sehr schnell mit Schlagwörtern zugeschmissen. Die Disziplin hat nun einmal viele Techniken und Bezeichnungen hervorgebracht und die Industrie tut ihr Übriges, um mit eingängigen Werbeslogans die Verwirrung zu vergrößern. Daher ist hier zunächst einmal ein wenig Begriffskunde angesagt.

Künstliche Intelligenz, kurz KI, oder das englische Pendant Artificial Intelligence (AI) lassen sich kurz und knapp am besten mit den Worten des Informatikers John McCarthy umschreiben, der den Begriff geprägt hat: „die Wissenschaft und die Entwicklung intelligenter Maschinen“. Es gibt viele abgehobene Diskussionen, was das genau bedeutet – zum Beispiel, was Intelligenz eigentlich ist und ob das deutsche Wort Intelligenz dem englischen Intelligence entspricht. Um aber eine Vorstellung davon zu bekommen, worum es geht, dürfte McCarthys Beschreibung völlig ausreichen.

Wie ist der denn drauf? Microsoft liest in Gesichtern Gefühle wie Zorn, Verachtung, Ekel, Glück oder Überraschung.

KI umfasst das sogenannte maschinelle Lernen; verbreiteter ist dafür der englische Begriff Machine Learning. Dabei kommen Algorithmen zum Einsatz, die während der Benutzung anhand der verarbeiteten Daten hinzulernen oder die vor der Benutzung eine Trainingsphase durchlaufen haben. Es gibt etliche lernende Algorithmen. „Naive Bayes“ etwa kommt in Spam-Filtern zum Einsatz, „Collaborative Filtering“ (zu deutsch kollaboratives Filtern) bei Amazons Funktion „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch: …“ [1].

Die aktuellen Superstars unter den lernenden Algorithmen aber sind die (künstlichen) neuronalen Netze, genauer gesagt, die Deep Neural Networks (DNN), also tiefe neuronale Netze. Neuronale Netze sind relativ einfache Nachbildungen des menschlichen Gehirns. Dabei sind Nervenzellen, Neuronen, in mehreren Schichten hintereinandergeschaltet. Von Deep Neural Networks spricht man, wenn zwischen der Eingangs- und Ausgangsschicht mehr als zwei weitere Schichten liegen. Der Artikel ab Seite 130 stellt die Funktionsweise neuronaler Netze und die verschiedenen Topologien im Detail vor.