c't 4/2016
S. 79
Trend
Chatbots und intelligente Messenger

Der Messenger als Macher

Messenger wickeln Dienstleistungen aller Art ab – mit Chatbots und echten Menschen

Google und Facebook planen neue intelligente Messenger, die ihren Nutzern bei vielen Routineaufgaben helfen sollen. Wie das funktioniert, lässt sich schon bei anderen Diensten ausprobieren.

Eine Pizza Frutti di Mare, einen kleinen gemischten Salat und eine Cola, bitte.“

„Kein Problem, ich kann das innerhalb einer Stunde liefern lassen. Bitte geben Sie ‚J’ zur Bestätigung an.“

Welcher Chatbots darf’s denn sein? Bei Telegram berät – ein Chatbot.

So oder so ähnlich stellen sich Facebook und Google offenbar die Zukunft das Messaging vor: Der Surfer chattet mit einem virtuellen Assistenten, der ihm bei täglichen Verrichtungen hilft. Beide Unternehmen haben angekündigt, an solchen Funktionen zu arbeiten.

Facebook entwickelt für seinen Messenger einen digitalen Assistenten namens M, der für die Nutzer Aufgaben erledigen soll. Bei M sollen sogenannte Chatbots, Dialog-Programme, mit den Nutzern kommunizieren. Daneben kommen aber auch menschliche Helfer zum Einsatz, falls einer der Bots eine Anfrage nicht beantworten kann.

Google arbeitet nach einem Bericht des Wall Street Journal ebenfalls an einem Messenger mit Chatbots. Das Unternehmen will so offenbar die Suchmaschine in den Messenger integrieren und Fragen der Benutzer beantworten. Zudem will Google offenbar auch eine Art Plattform für Chatbot-Dienste von Drittanbietern im Messenger aufbauen.

Aus Sicht der beiden Internet-Riesen ist es nur logisch, ihre Messenger mit Chatbots aufzubohren. Messenger gehören zu den beliebtesten Smartphone-Apps; sie können die Benutzer also dort abholen, wo diese sich häufig tummeln. Wie bereits bei der Suche und bei den sozialen Netzwerken geht es darum, eine möglichst attraktive Plattform für die Benutzer bereitzustellen und zu kontrollieren. Die besseren Startbedingungen hat dabei Facebook. So kann das Unternehmen alleine beim Messenger mit 800 Millionen Nutzern aufwarten, die Tochter WhatsApp sogar mit 900 Millionen.

Für die Benutzer bieten die dienstbaren Messenger echten Mehrwert. Sie müssen ihre geliebte Quassel-App nicht verlassen, um Informationen nachzuschlagen oder Dinge zu erledigen, um also etwa ein Kinoticket zu buchen oder einen Tisch im Restaurant zu reservieren.

Bots überall

Chatbots sind alles andere als neu. Eliza, die als erster Chatbot der Geschichte gilt, wurde von Joseph Weizenbaum in den 60er Jahren programmiert. Wenn man sich einmal umschaut, findet man die smarten Programme auf den verschiedensten Plattformen. Die Website Chatbots.org gibt einen Überblick über Bots aller Art.

Viele Firmen benutzen Chatbots zum Beispiel auf den Support-Seiten ihrer Homepages. Bei Kabel Deutschland etwa heißt die virtuelle Kundenberaterin Julia, bei Congstar Sophie. Auf Twitter nennt man Tweet-Automaten einfach Bots, wohl auch weil sie weniger kommunizieren, sondern eher automatisch Dinge tun. @FFD8FFDB zum Beispiel twittert regelmäßig Bilder von ungesicherten Webcams. Und sendet man @DeepForger ein Bild, so verfremdet es der Bot im Stile eines bekannten Künstlers.

Einige Anbieter machen Facebook und Co. vor, wie man Chatbots in Messenger integriert. Vorreiter sind hier WeChat, Line und Telegram. Telegram etwa hat bereits Mitte 2015 eine Programmierschnittstelle bereitgestellt, über die Drittanbieter Chatbots auf der Telegram-Plattform betreiben können.

So kann man zum Beispiel mit dem MyPokerBot eine Partie Texas Holdem Poker spielen; der GitHub-Bot informiert den Benutzer über Ereignisse in seinen öffentlichen Repositorien. Telegram betreibt sogar einen Bot, der dem Benutzer hilft, durch die Auswahl zu navigieren, die hunderte Bots umfasst.

Auch bei Facebook kann man bereits die ersten Schritte mit einfachen Chatbots unternehmen. Das Unternehmen hat kürzlich ausgewählten Partnern Zugriff auf eine Schnittstelle für seinen Messenger gegeben, mit der man solche Dienste betreiben kann – vielleicht sogar schon ein kleiner Vorgeschmack auf M. So kann man zum Beispiel über den Bot eines Unternehmens namens Assist Blumen versenden lassen oder Pizza bestellen, allerdings derzeit nur in den USA. Die Bild-Zeitung betreibt über die Schnittstelle einen Newsticker.

Es ist zu erwarten, dass insbesondere die großen Unternehmen viel Hirnschmalz und KI in ihre Bots einbauen werden, damit die Nutzer möglichst frei nach Schnauze mit ihnen kommunizieren können. Google hat mit seinem Assistenten Google Now schon gezeigt, dass es das kann.

Großes Missbrauchspotenzial

Je besser Bots menschliche Kommunikation nachahmen, desto besser lassen sie sich allerdings auch für Schmu einsetzen, weil der Benutzer gar nicht mehr unterscheiden kann, ob er es mit einem Gegenüber aus Fleisch und Blut oder mit einem Algorithmus zu tun hat.

Der Hersteller des Casanovabot etwa bewirbt seinen Chatbot als „A.I. Pickup Artist Robot“. Er ist ein Add-on für die Dating-Plattform Tinder, der im Auftrag des (männlichen) Nutzers alle lästigen Routineaufgaben übernimmt: das Liken der potenziellen Partnerinnen und den Beginn von Konversationen. Bei Bedarf kann der Mensch dann das Gespräch übernehmen. Ob die Partnerinnen es aber witzig fänden, wenn sie wüssten, dass sie zunächst von einer Software angeflirtet wurden?

Bei einer unserer Recherchen waren Männer die Opfer [1]: Die Dating-Plattform Lovoo nutzte offenbar massenhaft Chatbots, die sich als potenzielle Partnerinnen ausgaben, um die Angesprochenen dazu zu verleiten, Geld auf Lovoo auszugeben. (jo@ct.de)