c't 3/2016
S. 3
Editorial
Ingo T. Storm

Holzweg

Was auf der CES alias "Consumer Electronics Show" gezeigt wird, soll Spaß machen. Doch was war in diesem Jahr das größte Thema? Autonome Autos. Alle sind aus dem Häuschen, sogar in der von Hardcore-Radfahrern dominierten c’t-Redaktion. Etliche Kollegen wollten mal ne Runde im Tesla drehen, sich von ihm bei Tempo 130 über die Autobahn chauffieren lassen. "Das ist die Zukunft des Autofahrens!" "Die Lösung unserer Verkehrs- und Umwelt-Probleme!"

Was für ein Quatsch. Sicher, die Technik funktioniert schon ziemlich gut - in einem geschlossenen, sehr gut berechenbaren System wie der linearen Autobahnraserei. Und die Aussicht, im eigenen Auto zu fahren und währenddessen mal wieder einen Science-Fiction-Roman zu lesen, klingt verlockend.

Es funktioniert bloß nicht. Autonomes Fahren ist die teuerste Technologie-Sackgasse seit der Atomenergie. Hoffentlich sieht der Bremsassistent das Ende dieser Straße. Und hoffentlich ist da Platz zum Wenden.

Das autonome Auto scheitert nämlich an der menschlichen Dummheit. Manchmal sitzt die hinter dem Steuer eines entgegenkommenden Fahrzeugs. Genauso unberechenbar sind die Leute, von denen man im Verkehrsfunk hört: "Personen auf der Fahrbahn".

Die Geisterfahrerquote wird langfristig im selben Maße sinken, wie der Anteil der autonomen Fahrzeuge steigt. Trotzdem möchte ich nicht der Hersteller des ersten autonomen Fahrzeugs sein, das in so einer Situation versagt. Oder das einen Trottel mit Warnweste und Benzinkanister über den Haufen fährt.

Das Hauptproblem ist der Mensch, der im autonomen Auto sitzt. Der darf beim Gefahrenwerden nämlich gar nicht Isaac Asimov lesen. Er ist wegen der genannten Unwägbarkeiten verpflichtet, jederzeit bereit zu sein, das Steuer zu übernehmen. Das Auto beim Fahren zu beobachten, finden die Probanden heute noch ungeheuer spannend. Wenn sie für das autonome Auto aber echtes Geld bezahlt haben, kommt das böse Erwachen: Ich muss ja trotzdem auf den Verkehr aufpassen. Ich erspare mir einige Handgriffe und den eingeschlafenen Gasfuß. Aber Zeit für mich gewinne ich nicht.

Und deshalb wird der Erfolg des autonomen Fahrens sehr überschaubar bleiben, solange nicht alle Autos vom Computer gesteuert werden. Wenn die Mehrheit das "Gefahrenwerden" wirklich so toll fände, warum steigt sie dann nicht in Busse und Bahnen?

Investieren Sie lieber in Virtual Reality, das zweitgrößte CES-Thema: Kaufen Sie sich eine Oculus Rift und einen Hardcore-Gamer-PC. Da können Sie alle möglichen Fantasien ausleben. Sogar die, dass Ihr Auto Sie ganz selbstständig durch wunderschöne Landschaften kutschiert, ohne dass Sie selbst auf die Straße achten müssen.

Unterschrift Ingo T. Storm Ingo T. Storm

Forum