c't 25/2016
S. 3
Editorial
Christof Windeck

Der Wohnzimmer-PC ist tot

Liebe Freunde, wir müssen Abschied nehmen: Der Home-Theater PC ist gestorben. Schon lange litt er unter manchem Zipperlein, bis ihn schließlich schwere Schläge niederstreckten.

Ach, einst begann es so hoffnungsvoll: Im schlanken Gehäuse vereinte er nicht bloß TV-Tuner samt Recording und Timeshifting mit einem Blu-ray-Laufwerk, sondern glänzte obendrein noch mit Audioplayer, Streaming-Funktionen, Diaschau und 3D-Spielen. Geschmeidig folgte er den Befehlen der Fernbedienung, gerne ließ er sich mit Plug-ins erweitern.

Ein paar Kinderkrankheiten überwand der HTPC jedoch nie. So manches Mal überhörte er den Wecker und wachte zu spät aus dem Standby auf, um Fernsehsendungen aufzunehmen. Seine Windows Media Center Edition brachte Kanallisten für den Satellitenempfang durcheinander. Auf den Anschluss von CI+-Modulen für Pay-TV-Sender reagierte er allergisch. Und immer wieder war er zu schwach für neue Codecs; erst teure Hardware-Kuren brachten ihn auf Trab für HEVC und VP9.

In seinen letzten Jahren kamen die Einschläge näher. Microsoft verlor die Geduld und wendete sich mit Windows 8 von MCE ab. Als er jetzt endlich fit ist für 4K-Auflösungen per HDMI 2.0 (siehe S. 62), drehen die Filmhändler den Hahn zu. Legales 4K-Material gibt es für seinesgleichen bloß als Schnipsel von YouTube & Co. Für Ultra HD Blu-ray verweigert man ihm Decoder-Software. Amazon Prime Video und Netflix schicken ihm höchstens HD-Auflösung. Sie bevorzugen längst andere: Lediglich ausgewählte Smart-TVs, Settop-Boxen und Smartphones dürfen UHD/4K und HDR in ganzer Schönheit abspielen. Sogar YouTube wird untreu und bringt HDR zuerst auf wenige Fernsehgeräte.

Allerdings wollte der HTPC der Gefahr auch nicht ins Auge sehen: Andere waren jünger, schlanker, billiger. Ein Raspberry Pi 3 mit OpenELEC schafft locker Full HD, der Fire TV Stick für 40 Euro sogar 4K. Für den Preis gabs beim HTPC gerade mal einen USB-Tuner für DVB-T2. Wer mehr wollte, als der Raspi schafft, musste beim Windows-HTPC mindestens das Fünffache auf den Tisch legen. Und dann benahm er sich auch noch daneben mit Zicken bei der Konfiguration und ständigen Updates. Unter Linux war er unausstehlich: Er akzeptierte bloß wenige Codecs und Tuner - meistens sogar erst, wenn man ihn per Kommandozeile dazu überredete.

So vergraulte er seine letzten Freunde. Das große Publikum vergaß ihn allmählich, nur wenige Getreue mit lahmem Internet kennen ihn noch. Die anderen mit schnellem DSL gewöhnten sich in der Zwischenzeit an Smart-TV-Apps und mehrere Zuspieler. Solche Leute scheren sich nicht mehr ums Aufnehmen, sie streamen, wann es ihnen passt. Dazu braucht es keinen Wohnzimmer-PC: Möge er in Frieden ruhen!

Unterschrift Christof Windeck Christof Windeck

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