c't 22/2016
S. 15
News
Google: Daydream-Virtual-Reality
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Weicher Kasten

Googles VR-Plattform Daydream angetestet

Mit Daydream sollen Smartphones nebst passiver Halterung zu ernst zu nehmenden Virtual-Reality-Brillen werden. Wir haben das erste Daydream-Headset mit Googles Smartphone Pixel ausprobiert.

Ausgesprochen hat es Google nicht, aber zwischen den Zeilen konnte man es auf der Präsentation deutlich heraushören: Die neu vorgestellte Virtual-Reality-Plattform Daydream soll den bisherigen mobilen VR-Primus Samsung Gear VR vom Thron werfen. Und das könnte sogar klappen. In einem kurzen Probelauf sorgte das Daydream-View-Headset mit dem Pixel-Smartphone für ein ausgezeichnetes Mittendrin-Gefühl. Daydream-kompatible Smartphones (bislang nur Google Pixel und Pixel XL) übertragen die Kopfbewegungen ohne merkliche Verzögerungen – laut Google liegt die „Motion-to-Photon“-Latenz bei weniger als 20 Millisekunden; also gleichauf mit dem von Oculus und Samsung entwickelten Gear-VR-System.

Zwischen der Bildwirkung von Daydream und bisherigem Smartphone-VR mit rein passiven Halterungen (beispielsweise Nexus 5X mit Cardboard) liegen Welten. CardboardVR erinnert durch die ruckelige Darstellung permanent daran, dass man durch zwei Linsen auf ein Smartphone lugt – bei Daydream kommt dagegen ausgewachsenes VR-Feeling auf. Möglich machen es auf VR angepasste Lagesensoren im Gerät: Während das Gyroskop in Standard-Smartphones oft nur mit 100 Hertz läuft, meldet der Sensor im Pixel deutlich häufiger Werte.

Toller Tragekomfort

Bei unserem kurzen Daydream-Probelauf (übrigens mit der 5,0-Zoll-Pixel-Version) störten uns lediglich leichte Unschärfen bei schnellen Kopfbewegungen; alles andere gefiel uns prima. Das Sichtfeld ist ausreichend groß, außerdem trägt sich Daydream View deutlich angenehmer als andere Headsets – und zwar auch über einer konventionellen Brille.

Schön: Die Daydream View besteht nahezu komplett aus Textilmaterial, weshalb sie sich nicht nur angenehm weich anfühlt, sondern auch lediglich 220 Gramm auf die Waage bringt. Samsungs Gear VR hat in der aktuellen, vierten Modellvariante zwar bereits abgespeckt, wiegt aber immer noch 318 Gramm.

Cooler Controller

Müssten wir nach dem kurzen Probelauf ein Urteil abgeben, würden wir Daydream View im Vergleich zur Gear VR in Sachen Tragekomfort etwas bessere und in Sachen Bildqualität etwas schlechtere Noten geben. In einer Disziplin gewinnt sie aber haushoch: Der mitgelieferte Controller macht viel mehr Spaß als das eingebaute Gear-VR-Touchpad oder Bluetooth-Gamepad. Zwar kann sich der Daydream-Controller mangels externer Sensoren nicht so präzise im Raum orientieren wie HTC Vive oder Oculus Rift mit Touch, dennoch kommt ein sehr lebendiges VR-Gefühl auf.

Der Daydream-Controller erkennt mit seinen eingebauten Lagesensoren nur die relative Position. In den von uns ausprobierten Demos wirkte das ein wenig so, als steckte der Arm bis zum Handgelenk in einem starren Gipsverband. Das klingt unangenehm, ist es aber gar nicht: Die Steuerung per Daydream-Controller fühlt sich in Virtual Reality deutlich lebensechter an als per konventionellen Game-Controller. Auch präziseste Bewegungen waren kein Problem, so steuerten wir zum Beispiel in der Street-View-Demo einen „Teleport“-Lichtstrahl, ohne dass uns Ruckler und Zuckler störten.

Anständige Apps

Google scheint seine Hausaufgaben auch in Sachen Software gemacht zu haben. So wirken die Daydream-Apps für klassische Google-Produkte wie StreetView, Fotos und YouTube bereits jetzt – anderthalb Monate vor dem offiziellen Start – sehr poliert. Zum Start hat Google mehr als 40 Apps angekündigt.

Das Headset Daydream View soll Mitte November für 69 Euro in den Handel kommen. Zum Vergleich: Die Gear-VR-Halterung kostet 99 Euro. Bislang sind außer Pixel und Pixel XL noch keine Daydream-kompatiblen Smartphones angekündigt. Laut Google arbeiten aber alle großen Hersteller an solchen Geräten. Details zu den genauen Spezifikationen wollte man noch nicht verraten; offenbar nutzen aber alle geplanten kompatiblen Smartphones OLED-Displays. (jkj@ct.de)