c't 22/2016
S. 18
Prozessorgeflüster
Chip-Herstellung

Prozessorgeflüster

Von Waffeln, Worten und Wünschen

Während es im Moment gerade recht ruhig an der Prozessorfront ist, tut sich einiges bei den Chip-Herstellern. In Europa etwa wächst die thüringische Firma X-Fab dank Zukauf beachtlich und kommt bezüglich Waferstarts fast an Globalfoundries heran.

Einst im Jahre 1990 gab es noch 31 DRAM-Hersteller. Die verschwanden schneller als die zehn kleinen Jägermeister, jetzt gibt es nur noch drei: Samsung, Hynix und Micron. Was waren das noch für Zeiten, als IBM hier in Europa DRAMs herstellte, im schwäbischen Böblingen-Hulb etwa, wo Bundeskanzler Kohl mit salbungsvollen Worten im Juni 1989 die erste Fertigungsstraße für 4-MBit-Chips in Europa einweihte. Was hatte er uns da schon für blühende Technologie-Landschaften versprochen – das Werk wurde nach mehreren Besitzerwechseln 2007 von NXP dann beerdigt, samt massenhaft illegal untergebuddeltem Asbest.

Etwas besser liefs im französischen Corbeil-Essonnes. Dort an der Seine in der Nähe von Paris hatten die IBM 1964 ihr erstes Halbleiterwerk in Europa aufgebaut. In den 90er-Jahren schloss man sich mit Siemens zur DRAM-Fertigung von 16-MBit- (0,35 µm), später dann 256-MBit-Chips (180 nm) zusammen.

Mit dem schön an der Seine gelegenen Werk in Corbeil-Essonnes, gehört X-Fab mit nunmehr 100.000 Waferstarts pro Monat zu den ganz großen Chipherstellern in Europa.

Einmal durften wir in dieser Zeit mit einer kleinen Journalistenschar das französische Werk besichtigen und sogar während der Produktion durch die Reinraumhallen watscheln – natürlich eingehüllt in entsprechende Overalls und versehen mit Atemmasken. Fleißig rechnete der IBM-Pressevertreter uns dabei mehrfach vor, was unser Besuch IBM an Chips kosten wird. Ob das der Grund für die kommenden Schwierigkeiten war? 1999 jedenfalls wurde das Werk unter dem Namen Altis als Tochter von IBM und Infineon noch weiter betrieben, gab aber die DRAM-Produktion auf und wechselte zu Logikchips. Ab 2010 öffnete es sich zu einer allgemeinen Chip-Schmiede mit immerhin bis zu 40.000 Waferstarts pro Monat. Nun ist auch Altis pleite, doch Rettung kam in Gestalt der thüringischen Unternehmensgruppe X-Fab. Die übernahm jetzt die Vermögenswerte und versprach, den Altis-Standort in Corbeil-Essonnes zu erhalten.

Von Karl Marx lernen

X-Fab war ja mal als blühende Landschaft aus dem DDR-Halbleiter-Kombinat VEB Mikroelektronik „Karl Marx“ hervorgegangen. Jetzt ist aber nicht mehr das Land Thüringen, sondern die belgische Holding Elex N.V. der Besitzer.

Zumeist werden bei X-Fab MEMS-Chips gefertigt (Mikrofone, Beschleunigungs-, Gyro-, Magnet-, Druck-Sensoren …), aber auch CMOS, BiCMOS und SOI in Geometrien zwischen 1,0 bis hinab zu 0,13 µm. Die meisten Chips nimmt die Automobilindustrie ab. Größter Konkurrent hierzulande dürfte Bosch in Reutlingen sein. Die Bosch-Gruppe, deren vor einigen Jahren eröffnetes Chip-Werk mit 600 Millionen Euro die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte war, feierte im vergangenen Jahr den fünfmilliardsten MEMS-Chip. Jetzt verkündete Stefan Finkbeiner, Chef der zuständigen Tochterfirma Bosch Sensortec, dass man sich ähnlich wie X-Fab auch als MEMS-Auftragsfertiger anbieten will.

An fünf Standorten produziert X-Fab bislang, drei davon in Deutschland: in Erfurt, Dresden und Itzehoe. Die britische Fertigungsstätte in Plymouth hatte X-Fab schon lange vor dem Brexit-Entscheid abgestoßen – nun kommt mit Altis eine französische hinzu, mit der X-Fab seine 8-Zoll-Fertigungskapazität auf 100.000 Waferstarts pro Monat fast verdoppeln kann. Zum Vergleich: Globalfoundries hat in der Fab 1 in Dresden aktuell eine Jahreskapazität von 650.000 Wafern – allerdings mit größeren 300-mm-Scheiben. Das entspricht etwa 1,5 Millionen 200-mm-Wafern pro Jahr. Davon ist X-Fab jetzt also nicht weit entfernt.

Brautschau

Globalfoundries Dresden will aber größter Chip-Hersteller in Europa bleiben und die dortige Fab 1 weiter auf 1 Millionen Waferstarts pro Jahr ausbauen. In der Technik und bei kleinen Strukturen will man ebenfalls nicht zurückstehen. Hier sollen in drei Jahren 12-nm-Chips auf FD-SOI-Wafern (12FDX) vom Band laufen. So schön wie FinFET-Transistoren für High-End-CPUs und GPUs auch seien, erklärte GloFo-Chef Sanjay Jha, für die bei weitem größere Zahl von „connected devices“ benötige man aber flexiblere, energieeffizientere und preiswertere Prozesse, sprich 22FDX und demnächst 12FDX. NXP ist offenbar schon Kunde. Analysten argwöhnen jedoch, dass es dennoch hierfür nicht genügend Interessenten gäbe, weil die „Supply Chain“ etwa im Vergleich zu TSMC zu unterentwickelt sei. Außerdem, so munkeln sie, sei es ein offenes Geheimnis, dass Globalfoundries zum Verkauf anstehe und dass es wohl am sinnvollsten beziehungsweise einträglichsten wäre, es dafür in drei Teile aufzuspalten: New York, Singapur und Dresden.

Für die mögliche Brautschau machen sich nun alle drei Töchter fein. Für den High-End-Bereich mit FinFETs, etwa für die nach Zen kommenden CPU-Generationen von AMD, will Globalfoundries die 10 nm komplett überspringen und stattdessen gleich auf 7 nm gehen. Das soll 30 Prozent Performance-Boost gegenüber einem aktuellem 16/14-nm-Prozess einbringen. Man hat dafür einen optischen Immersions-Prozess mit klassischen 193-nm-Lasern entwickelt, der „EUV-kompatibel in Schlüsselbereichen“ ist. Falls EUV bis dahin für die Volumenproduktion tauglich ist, kann man also wechseln. Ähnlich hat das ja auch Fertigungsleiter Mark Bohr von Intel angekündigt.

Insgesamt will Globalfoundries mehrere Milliarden Dollar in die 7-nm-Produktion investieren. Die Roadmap von Globalfoundries ist durchaus ehrgeizig. Erste Testchips sollen schon in der Fab 8 im Bundesstaat New York laufen, Prototypen von Kundenchips sind fürs zweite Halbjahr 2017 vorgesehen, erste „Risiko-Produktion“ für Anfang 2018.

Intel will gar nicht viel früher mit seiner 10-nm-Produktion beginnen, doch solche Strukturgrößenbezeichnungen sind recht beliebig. Welche Kenngrößen tatsächlich hinter GloFos 7 nm stehen, weiß man noch nicht. Ob die wirklich besser sind als die von Intels 10-nm-Prozess?

Weltweit beträgt die Produktionskapazität etwa 22 Millionen Waferstarts pro Monat (normiert auf 200 mm), mit einem laut ZVEI nur mäßigen Wachstum von 1 Prozent pro Jahr. Der größte Anteil stammt nicht etwa aus Ländern wie Korea, Taiwan oder den USA, sondern weiterhin aus Japan – wenn auch zumeist von alten Fabs mit groben Chip-Strukturen. Sub-25-nm, so die Trendanalyse der ZVEI, wird seinen Anteil bis 2020 kaum noch vergrößern, die groben Strukturen halten sich, für Leistungshalbleiter etwa mit 0,7 µm und mehr.

Bis 2017 sollen weltweit acht neue Fabriken mit 300-mm-Wafern hinzukommen. Während die ZVEI-Trendanalyse bis 2020 von einem „sehr zögerlichen Einsatz“ von 450-mm-Wafern ausgeht, sieht das nicht einmal nach zögerlich aus. Eher wird sich das Ganze noch weiter nach hinten verschieben. Eine Volumenproduktion ist kaum vor 2023/24 zu erwarten. Vielleicht funktioniert bis dahin ja auch endlich EUV vernünftig. (as@ct.de)