c't 20/2016
S. 3
Editorial
Andreas Wilkens

Nomade in der Zwickmühle

Ich pendle zwischen Bremen und Hannover und arbeite unterwegs viel am Notebook, ein digitaler Nomade gewissermaßen. Nun verkehrt auf meiner Strecke seit einigen Wochen der neue IC2. Nach einem Arbeitstag pflege ich auf dem Heimweg auch mal ein Nickerchen zu machen, doch das will die Deutsche Bahn nicht - obwohl sich der neue Zug durch sein vor allem im oberen Stockwerk fühlbares wohliges Wiegen besonders dafür empfiehlt.

Im Unterschied zu den Sitzen im Vorgängerzug lassen sich die Rückenlehnen nämlich nicht mehr zurückkippen. Ich kann nur die Sitzfläche etwas nach vorn schieben - wodurch die Beine noch unfreier werden, als sie es ohnehin schon sind - und die Rückenlehne ein bisschen schrägstellen. Der Kopf, der im Schlaf gerne etwas nach hinten nickt, wird aufrecht gezwungen und baumelt mit den Kurven, den Lendenwirbeln fehlt jegliche Stütze und der Rücken fühlt sich rund an.

So zwingt die Bahn einen mit 177 cm durchschnittlich hohen Menschen wie mich zum aufrechten Verharren. Auf diese Weise zu schlafen schaffen vielleicht Kirchgänger während der Predigt oder Abgeordnete in einer Plenardebatte, ich aber nicht.

Also sollte ich wohl am Notebook arbeiten. Immerhin gibt es sogar Steckdosen. Kein WLAN wie im ICE zwar, aber an Bord arbeiten "leistungsfähige LTE-Mobilfunk-Verstärker", sofern Signale vorhanden sind, wie die Bahn schreibt. Die Verstärker helfen tatsächlich: Die drei großen Funklöcher zwischen Bremen und Verden, Verden und Nienburg sowie Nienburg und Hannover sind mit dem Umstieg vom IC zum IC2 in der Tat kleiner geworden.

Weniger groß sind nun aber auch die Klapptische. Kleinere Notebooks befinden sich deshalb weiter von den Fingern am ausgestreckten Arm entfernt als im alten IC. Somit bietet es sich an, den Hintern gouvernantenhaft nach vorn zu rücken. Oder man nutzt ein großes Notebook, das dann jedoch bedenklich weit über die Tischkante ragt.

Die Bahn scheint hier mitgedacht zu haben, denn die Klapptische haben eine "ausfahrbare Verlängerung fürs Notebook". Nur dumm, dass sie nicht bündig zur Tischfläche ausfährt, sondern ein paar Millimeter tiefer. Wer gerne seine Handballen auf der vorderen Kante des Notebooks ruhen lässt oder sich gar etwas aufstützt, muss damit rechnen, dass das Gerät ständig vor- und zurückkippt - oder ihm gar entgegenrutscht. So habe ich nun die Wahl: Entweder verkrampft arbeiten oder angespannt schlafen. Danke, liebe Bahn.

Unterschrift Andreas Wilkens Andreas Wilkens

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