c't 16/2016
S. 160
Test
Apple Night Shift & Co.
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Schlaflos vorm Smartphone

Apple Night Shift & Co.: Was bringen Apps zum besseren Einschlafen?

Nur noch ein Spiel spielen, ein YouTube-Video schauen, dann wird geschlafen – aber die Müdigkeit ist verschwunden. Smartphones und Tablets halten uns länger wach, als unser Körper eigentlich möchte. Apple Night Shift und andere Apps sollen das blaue Licht ausfiltern. Farbspielchen oder angewandte Wissenschaft?

Dass wir nachts nicht schlafen können, liegt nicht nur an der vorbeifahrenden Straßenbahn und den täglichen Sorgen, sondern auch am blauen Licht, das die Bildschirme unserer Mobilgeräte ausstrahlen – behauptet unter anderem Apple. Nachdem es für Desktop-Rechner schon länger Monitore mit zuschaltbarem Blaufilter gibt, gewinnt das Thema nun so langsam auch bei Mobilgeräten an Fahrt. Hier ergibt die Technik sogar mehr Sinn, da Tablets und Smartphones normalerweise die Geräte sind, die man mit ins Bett nimmt und vorm Einschlafen nutzt.

Deswegen hat Apple den iPads, iPhones und iPods touch ab Modelljahr 2013 mit iOS 9.3 den Night-Shift-Modus spendiert, der auf Knopfdruck oder per Timer den Blaulichtanteil der Bildschirme reduziert. Google ist bei Android noch nicht ganz so weit: In den Vorabversionen des aktuellen Android 6 fand sich zwar ein Nachtmodus, in der finalen Version fehlt er aber. Ähnliches passiert gerade beim kommenden Android 7 alias „Nougat“: In den ersten beiden Preview-Versionen gab es noch einen Nachtmodus, in jüngeren ist er verschwunden.

Dank der Anpassbarkeit von Android ist es aber kein Problem, einen Blaufilter oder Nachtmodus mithilfe von Apps nachzurüsten. Das System erlaubt Apps, Inhalte als Overlay über dem Homescreen und anderen Apps zu platzieren. Gedacht ist das eigentlich für schwebende Schaltflächen oder Pop-up-Fenster. Die Blaufilter-Apps legen stattdessen ein rötliches Vollbild mit einer einstellbaren Transparenz über den gesamten Bildschirm.

Da sie hierfür System-APIs nutzen, funktionieren sie ohne Root-Rechte auf allen Smartphones und Tablets ab Android 5. Ihr Nachteil: Transparente Overlays könnten bei böswilliger Absicht unbemerkt Passwörter und Nutzereingaben abfangen. Deshalb erlaubt Android keine Installationen und Käufe in Google Play, solange die Blaufilter aktiv sind. Auch andere sicherheitskritische Apps beispielsweise für Homebanking funktionieren nicht, während die Filter laufen. Pausiert oder deaktiviert man den Nachtmodus, funktioniert das Mobilgerät wieder wie gewohnt.

Zwielicht per App

Bei Android lässt sich die „Night-Shift-Funktion“ einfach per App nachrüsten – vorzugsweise mit Twilight.

Für unsere Tests und Messungen mit Android-Geräten haben wir die in der Basis-Version kostenlose App Twilight genutzt. Sie führt mit mehr als 50 Millionen Installationen die Download-Statistik in Google Play an, und es gibt momentan kaum einen Grund, eine andere App zu nutzen. Das liegt unter anderem daran, dass Twilight keine Werbebanner einblendet – anders als die kostenlose Konkurrenz. Zudem bietet das Programm einen Funktionsumfang, der so gut wie keine Wünsche offenlässt: Es lassen sich mehrere Profile definieren, in denen man die Farbtemperatur und die Intensität des Blaufilters an seine Bedürfnisse anpassen kann. Gestartet wird der Filter entweder über ein Widget, aus der Benachrichtigungsleiste oder automatisch anhand von Sonnenauf- und -untergang.

Wer mag, kann eigene Zeitpläne festlegen und – sofern man Besitzer der farbwechselnden Hue-Lampen von Philips ist – auch die Wohnungsbeleuchtung in wärmere Töne tauchen lassen. Die kostenpflichtige Pro-Variante erlaubt darüber hinaus, die Zeitpläne fein zu justieren.

Eine Fuhre Rot

Sowohl bei Smartphones mit LC-Display (links) als auch welchen mit OLED (rechts) fällt ein Großteil des emittierten Lichts auf blaue Bereiche um 450 Nanometer.

Um zu testen, was die Blaufilter in der Praxis taugen, haben wir mit einem Spektralphotometer mehreren Smartphones und Tablets auf den Zahn gefühlt. Zu den Probanden gehörten das iPhone 6 Plus und iPad Pro mit LC-Displays und Night-Shift-Modus sowie das Google Nexus 5, das OnePlus 3 und das Samsung Galaxy S7 mit der Android-App Twilight.

Im Auslieferungszustand weisen die LCDs einen höheren Anteil blauen Lichts im Spektrum auf als grünes und rotes. Gleiches gilt für die OLED-Anzeigen des OnePlus 3 und Galaxy S7.

Die rötliche Darstellung (rechts) strengt die Augen weniger an und dunkelt den Bildschirm leicht ab.

Die Blaufilter-Apps verringern den Blauanteil nur moderat. Doch auch so verpassen sie den Displays einen sichtbaren gelblichen oder rötlichen Farbstich. Da sich das menschliche Auge aber schnell an Farbtemperaturen gewöhnt und bis zu einem gewissen Maß einen Weißabgleich vornimmt, stören die farblichen Veränderungen schon nach kurzer Zeit nicht mehr. Allerdings können andere weiße Flächen wie Papier oder Tapeten grün- oder blaustichig erscheinen, nachdem man längere Zeit den Bildschirm mit Farbfilter betrachtet hat. Zur Fotobearbeitung oder Auswahl eines Instagram-Filters sollte man den Nachtmodus deshalb deaktivieren.

Blaufilter senken bei beiden Display-Typen den Anteil an blauem und in geringem Maße auch an grünem Licht. Die rötlich schimmernde Darstellung strengt die Augen weniger an.

Mit aktivierter Twilight-App verringert sich die Emission im blauen Bereich (rund 450 nm) um etwa 40 Prozent – egal auf welchem Gerät. Gleichzeitig senkt der Filter den Grünanteil leicht; Rot lässt die App unangetastet.

Alle unsere Testgeräte bekamen dadurch eine deutlich warm-rote Darstellung mit einer Farbtemperatur von etwa 2500 Kelvin. Die Gesamthelligkeit der Displays sank zudem um rund ein Drittel. Wir empfanden nächtliches Lesen am Smartphone damit sehr viel angenehmer – zumindest, nachdem sich die Augen an den neuen Weißpunkt gewöhnt hatten.

Das OnePlus 3 hat von Werk aus einen Nachtmodus an Bord. Er senkt den Blauanteil sogar stärker ab als Twilight, lässt Grün aber unangetastet. Uns konnte die Darstellung nicht überzeugen, da sie zu grünstichig und unnatürlich wirkte.

Apple möchte es offenbar vermeiden, die Nutzer mit einer zu grünen oder zu rosafarbenen Darstellung zu verschrecken. Der in iOS eingebaute Nachtmodus senkt deshalb den Blau- und Grünanteil im gleichen Maße wie Twilight, hebt aber zusätzlich den Rotanteil leicht an. So erreichten iPad und iPhone eine gelblich-warme Darstellung, die natürlich wirkt und gleichzeitig die Augen nicht anstrengt – auch in sehr dunkler Umgebung. Die Gesamthelligkeit des Displays verringert sich dadurch aber nur um 20 Prozent. Unterm Strich empfanden wir die Darstellung von Night Shift am angenehmsten.

Fazit

Zum Kasten: Warum Displays blau leuchten und uns wach halten

Auch wenn die medizinische Wirkung der Blaufilter nicht restlos geklärt ist (siehe Kasten), so ist es nachts im Bett subjektiv mit Blaufiltern und Night-Modi viel angenehmer aufs Smartphone zu schauen. Die wenig grelle und insgesamt dunklere Darstellung sorgt zusätzlich dafür, dass danebenliegende Partner weniger gestört werden.

Wer auch den Blauanteil seines PC-Bildschirms verringern möchte, findet mit der kostenlosen Software f.lux eine umfangreiche Lösung. Die Einstellungen sind zahlreich, und das Programm passt die Farbdarstellung automatisch je nach Tageszeit und Standort an. Versionen gibt es für Windows- und Linux-PCs und Mac. (hcz@ct.de)