c't 11/2016
S. 56
Test
Amazon Kindle Oasis
Aufmacherbild

Lesen mit Rucksack

E-Book-Reader Amazon Kindle Oasis mit Akku-Hülle

Leicht und schlank ist der Kindle Oasis geworden, einfach zu halten und bequem bedienbar. Doch geht Amazons 290 Euro teurer E-Book-Reader einen schmerzhaften Kompromiss bei der Laufzeit ein.

Oh, der ist aber klein. Die erste Begegnung mit dem Kindle Oasis läuft immer ähnlich ab. Denn im Vergleich zu anderen E-Book-Readern und selbst Amazons bisherigem Top-Modell Voyage fällt der Oasis ziemlich kompakt aus. Dass weiterhin ein 6 Zoll großes E-Ink-Display drinsteckt, mag man zunächst kaum glauben. Doch geschrumpft ist tatsächlich nur das Gehäuse drumherum.

Fast zwei Zentimeter hat Amazon durch die oben und unten schmaleren Displayränder abgesägt. So wirkt der neue Kindle beinahe quadratisch. An der dünnsten Stelle ist der Oasis nur noch 3,4 Millimeter dünn – der dickere Teil mit der Hardware nimmt ein Drittel des Gehäuses ein und formt so an der rechten Seite einen Griff. Das verschiebt zudem den Schwerpunkt des ohnehin mit gut 135 Gramm sehr leichten Geräts in Richtung Rand. Die beiden Hardwaretasten zum Blättern sind anders als Sensortasten gut erfühlbar und müssen beim Verrutschen oder Umgreifen nicht erst gesucht werden.

All das sorgt dafür, dass der Kindle Oasis so gut in einer Hand liegt wie bisher kein anderer E-Book-Reader. Das klappt gleichermaßen mit der rechten wie linken Hand: Dreht man das Gerät, um es mit der anderen Hand zu halten, wechseln dank eines Lagesensors der Bildschirminhalt und die wählbare Tastenbelegung ebenfalls passend.

Insgesamt wirkt das Gerät stabil und gut verarbeitet. Das mit Metall verstärkte Kunststoffgehäuse lässt sich vergleichsweise weit verwinden und überstand in unseren Versuchen grobe Biegeversuche unbeschadet.

Nicht ohne meine Akku-Hülle

Doch das radikal abgespeckte Gehäuse lässt kaum noch Platz für einen angemessenen Akku. Das sorgt für ein kurzes Lesevergnügen: Bei abgeschalteter Beleuchtung und Funkverbindung hielt der Reader bei zweimal Umblättern pro Minute knapp 17 Stunden durch, mit mäßiger Beleuchtung (50 cd/m2) nur 6 Stunden. Zum Vergleich: In unseren Labortests liefen die anderen Kindle-Modelle ohne Beleuchtung zwischen 50 und 80 Stunden sowie 22 bis 28 Stunden mit Beleuchtung.

Amazon legt dem Oasis daher eine Hülle bei, in der ein zweiter und deutlich größerer Akku steckt. Magnete halten die Hülle sicher am Gerät fest. Sie lässt sich ohne viel Kraftaufwand entfernen. Steckt man den leeren Reader in die Hülle, lädt ihn diese in unter 2 Stunden auf. Für rund fünf vollständige Aufladungen reicht der Saft des Zusatzakkus. Die Hülle kann dauerhaft am Gerät verbleiben und hält selbstständig den Akku des Readers geladen. Mit Beleuchtung lief die Kombination gute 30 Stunden, ohne rund 105 Stunden.

Zusammen mit dem Einband wird der Oasis schwerer und dicker: Rund 240 Gramm Gewicht und 10 Millimeter Dicke liegen klar über den Werten anderer Reader ohne Hülle. Die Hülle selbst hat keinen USB-Anschluss, sie muss immer in Verbindung mit dem Basisgerät geladen werden. Optisch macht die Hülle einiges her. Die Oberseite ist aus schwarzem, rotem oder braunem Leder. Besonders die braune Wildledervariante gefällt mit ihrer griffigen Struktur. Allerdings lassen alle drei Versionen einen Teil der Gehäuserückseite und drei Kanten frei. Die innen mit Filz beschichtete Front öffnet sich wie ein Buch und kann komplett umgeklappt werden.

Die hochwertige Akku-Hülle ist auch für den im Vergleich exorbitanten Preis des Gesamtpakets verantwortlich. Mit Hülle kostet der Kindle Oasis mindestens 290 Euro. Für 350 Euro gibt es die UMTS-Version mit kostenfreiem weltweiten Zugang.

Helle Displaybeleuchtung

Das E-Ink-Display ist mit 300 dpi (1080 × 1440 Pixel) sehr scharf und entspricht den Bildschirmen der weiterhin angebotenen Schwestermodelle Voyage und Paperwhite 2015. Hässliche Treppen an Buchstaben und Symbolen sieht man auf ihm nicht. Der Kontrast mit Beleuchtung liegt mit 17:1 auf dem guten Niveau des Paperwhite, aber hinter dem Voyage und den Tolino-Readern.

Dank breiter Display-Seite liegt der Kindle Oasis gut in der Hand. Mit den Hardware-Tasten blättert man bequemer um.

An der Hintergrundbeleuchtung hat Amazon geschraubt, sie schafft mit nun 10 LEDs 160 cd/m2. Heller ist kein E-Book-Reader. Die LEDs sind mit bloßem Auge durch eine leichte Schattenbildung gerade noch auszumachen. Allerdings berichten einige Käufer wie schon bei den Vorgängern über Produktionsschwankungen und sichtbare Lichthöfe. Insgesamt fällt die Ausleuchtung bei unserem Exemplar sehr gleichmäßig aus.

Die praktische automatische Helligkeitsanpassung der anderen Modelle hat Amazon gestrichen. Will man abends im Bett nicht geblendet werden, hilft nur noch umständliches manuelles Nachjustieren im Menü. Dort lässt sich die Beleuchtung auch komplett abschalten.

Im Gerät stecken 4 GByte interner Speicher, davon stehen dem Nutzer knapp 3 GByte zur Verfügung. Die Oberfläche und der kapazitive Touchscreen reagieren vergleichsweise flott für einen E-Book-Reader. Die WLAN-Anbindung unterstützt zwar n-WLAN, aber keine 5-GHz-Netze.

Video: Amazon Kindle Oasis

Das Schriftbild ist sehr fein: Dank reduzierter Abstände zwischen problematischen Buchstabenpaaren (Kerning), gleichmäßiger Wortabstände und Silbentrennung sehen die meisten E-Books schon fast wie das gedruckte Buch aus. Neu ist die serifenlose Schrift Amazon Ember, die die Standard-Schriftart Bookerly ergänzen soll.

Keine Überraschung ist die weiterhin starke Bindung an das Amazon-Ökosystem. Andere DRM-Formate als Amazons eigenes werden nicht unterstützt; man kann aber kopierschutzfreie E-Books in Formaten wie PDF, AZW oder Mobi per USB auf den Reader laden sowie Office-Dokumente über Amazon konvertieren und per Mail an den Reader schicken.

Fazit

Der Kindle Oasis ist ein faszinierendes Gerät, denn mit seinem ungewöhnlichen Design bringt er Abwechslung in die Schar recht gleichartiger Geräte. Das asymmetrische Layout funktioniert, der Reader liegt gut in der Hand und die kompakten Abmessungen machen ihn auch unterwegs zu einem unauffälligen Begleiter. An der Software gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln.

Tabelle
Tabelle: Amazon Kindle Oasis

Doch die Magerkur führt zu auffallend kurzen Laufzeiten. Schon die reine Fahrt in den Urlaub übersteht er nur gerade so ohne Hülle. Man muss sich mit dem Oasis im Gepäck ernsthaft Gedanken über die Laufzeit machen – das nimmt ihm viel von der Einfachheit, die E-Reader sonst auszeichnen.

Das an sich schicke und clevere Cover macht wiederum einige Vorteile des Readers zunichte. Aus Bequemlichkeit wird die Akku-Hülle wohl häufiger als nötig am Gerät bleiben. Die Kombi ist dann aber schwerer als viele herkömmliche Reader ohne die Hülle.

Mit 290 Euro ist der neue Kindle zudem sehr teuer, selbst wenn man ihm die mitgelieferte Hülle zugute hält. Die höherwertigen Reader von Amazon, Tolino und Kobo sind bei vergleichbarer Technik deutlich günstiger und halten ohne Hülle länger durch. (asp@ct.de)