c't 1/2016
S. 18
Trend
Roboter

Mehr als nur Show

Dienstleistungs-Roboter werden praxistauglich

Japan altert rasant, die Zahl der Einwohner sinkt. Deshalb sollen Roboter bei der Altenpflege helfen und die Wirtschaft in Gang halten. Das Vorzeigemodell Pepper fährt bald auch auf deutschen Kreuzfahrtschiffen mit.

Eine der beliebtesten Manga-Figuren in Japan ist Doraemon: eine freundliche Roboterkatze aus der Zukunft, die einem tollpatschigen Jungen hilft, sein Leben zu meistern. Auf der Roboter-Messe iREX in Tokio muss man unweigerlich an Doraemon denken. Denn die Messe zeigt, wie stark die Japaner mittlerweile auf die Hilfe von ganz realen Robotern zählen. Über 500 Aussteller zeigen niedliche Dienstleistungsroboter, kollegiale Industrie-Roboter und Exoskelette, die übermenschliche Kräfte verleihen.

Video: Roboter-Messe iREX in Tokio: praxistaugliche Dienstleistungs-Roboter

Die Hilfe ist dringend nötig: Das Durchschnittsalter der Japaner steigt rapide, die Einwohnerzahl sinkt seit 2005. In vielen Branchen fehlen Arbeitskräfte, zum Beispiel in der Altenpflege. Doch das Land nimmt kaum Flüchtlinge und Arbeitsmigranten auf. Ein großer Teil der Bevölkerung will, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Die Regierung fordert deshalb, dass „alle 100 Millionen Japaner ihren Beitrag leisten“. Vor allem Ältere und Frauen sollen mehr arbeiten. Doch die japanische Wirtschaft bietet Frauen kaum eine Chance, Nachwuchs und Karriere zu vereinen. Und die Erhöhung des Rentenalters steht nicht zur Debatte. Viele Unternehmen setzen deshalb auf Roboter, um die Lücken zu füllen – auf Industrie- und zunehmend auch auf Dienstleistungsroboter.

Mit passenden Apps kann Pepper zum Beispiel Verkaufsgespräche führen und Wartende belustigen. Im Frühjahr heuert er auf den Aida-Kreuzfahrtschiffen an.

Zum Beispiel auf Pepper, einen 1,20 Meter großen Humanoiden des japanischen Konzerns Softbank. In Banken und Geschäften verteilt er Flyer, belustigt Wartende, berät Kaufinteressenten. Größter Kunde ist momentan Nestle: Pepper fragt Kunden nach ihren Kaffee-Vorlieben und empfiehlt die passende Maschine. Mizuho, eine der größten Banken Japans, setzt Pepper in einem halben Dutzend Filialen ein – bald sollen es über 100 sein.

Roboter verkauft Kaffeemaschinen

Pepper kann nicht nur simple Dialoge führen (wie die Smartphone-Assistenten Siri, Cortana und Co.) und Faxen machen. Dank seiner „Emotion Engine“ erkennt er auch ansatzweise, welche Laune der Gesprächspartner hat.

Die positive Haltung gegenüber Robotern rühre aus der japanischen Popkultur, sagt Fuminori Gunji von Softbank. Peppers niedliche („kawaii“) Art helfe, letzte Berührungsängste abzubauen. Bald will Softbank ein SDK bereitstellen und einen App Store öffnen, damit Pepper vielseitiger einsetzbar wird.

Der Roboter selbst kostet nur 1500 Euro, Softbank berechnet für die zugehörigen Cloud-Dienste aber 100 Euro monatlich extra. Er ist 1,20 Meter hoch und 30 Kilo schwer. Das Echtzeitbetriebssystem NAOqi steuert die Motoren und Sensoren, die Akkus sollen mindestens zwölf Stunden halten.

Auch in Deutschland hat Pepper schon Freunde gefunden: Die Rostocker Reederei Aida Cruises lässt ihn ab Frühjahr 2016 auf ihren Kreuzfahrtschiffen mitfahren. Er soll Gästen beim Einchecken und bei der Orientierung an Bord helfen, Veranstaltungs- und Ausflugstipps geben – auf Deutsch, Englisch und Italienisch. Bislang bot Softbank pro Monat nur 1000 Pepper-Exemplare an, die jeweils binnen Minuten ausverkauft waren. Wie groß das Interesse an humanoiden Robotern in Japan und weltweit tatsächlich ist, lässt sich wohl erst abschätzen, wenn die Stückzahlen steigen.

Industrie-Roboter mit Manieren

Am größten ist auf der Roboter-Messe iREX der Industriebereich. Die Grenzen zwischen Industrie- und Dienstleistungsrobotern verschwimmen aber: Der deutsche Hersteller Kuka preist einen Leichtbau-Industrie-Roboter als Arzthelfer an, zum Beispiel für Ultraschall-Untersuchungen. Der „Sawyer“ von Konkurrent Rethink Robotics wirkt mit seinen großen Augen ziemlich kawaii und könnte auch in Läden zum Einsatz kommen. Leichtbau-Roboter halten bei Kollisionen inne, damit sie menschliche Kollegen nicht verletzen.

Obwohl die iREX als Robotermesse firmiert, zeigen viele Aussteller andere technische Lösungen speziell für Pflegeheime und Krankenhäuser: Intelligente Kuscheltiere wie die Robbe „Paro“ sollen Demenzpatienten beruhigen; Alarmsysteme und Exoskelette sollen das knappe Pflegepersonal entlasten.

Viele iREX-Besucher nutzen die Chance, einmal selbst ein Exoskelett anzulegen. Auch solche Anzüge, die übermenschliche Kräfte verleihen, kennen fast alle Japaner aus Mangas. (cwo@ct.de)