Juristische Aspekte von Produktsperren

Häufig bauen Softwarehersteller technische Sperren in ihre Produkte ein. Wer Softwaresperren verwendet, bewegt sich aber in einer juristischen Grauzone mit einigen Tücken.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Tobias Haar
  • Ute Roos
Inhaltsverzeichnis

Häufig bauen Hersteller technische Sperren in ihre Produkte ein – meist, um dadurch ihre Kaufpreisansprüche abzusichern oder die Nutzung ihrer Produkte zu kontrollieren. Wer Softwaresperren verwendet, bewegt sich aber in einer juristischen Grauzone mit einigen Tücken.

Apple ist mit dem iPhone ein kommerzieller Geniestreich gelungen. Das Gerät verkauft sich bestens und viele mehr wollen es haben. Neben Apple möchten aber auch die Mobilfunkgesellschaften von diesem Hype profitieren. Deswegen versehen sie das Gerät selbst bei Abschluss eines längerfristigen Vertrages mit einem SIM-Lock, das die Benutzung mit einer anderen SIM-Karte unterbindet.

Die Bindung an den Mobilfunkanbieter – der Apple einen gewissen Prozentsatz an den mit dem Gerät erzielten Umsätzen zahlen muss – ist damit perfekt. Bei der exklusiven Vereinbarung zwischen Apple und T-Mobile für die Vermarktung des iPhones in Deutschland gingen einige von einer Umsatzbeteiligung in Höhe von zehn Prozent aus. In Deutschland ist das Anbieten von SIM-Lock-gesperrten Mobiltelefonen rechtlich nicht zu beanstanden, solange die Kunden darauf hingewiesen werden und dies den Gegebenheiten des Marktes entspricht. Eine einstweilige Verfügung zwang T-Mobile erst zur Lockerung seiner Vertragsbedingungen für das iPhone, das daraufhin auch mit SIM-Karten anderer Anbieter funktionieren sollte. Doch das Hamburger Landgericht entschied, dass die exklusive Bindung an T-Mobile zulässig sei.

Kurz nach der Veröffentlichung des iPhone wurden in den USA die ersten Hackerangriffe auf die SIM-Locks veröffentlicht und die ersten SIM-Lock-freien Geräte bei eBay angeboten. In allen Fällen ging Apple mit juristischen Mitteln dagegen vor. Andererseits verklagten Nutzer das Unternehmen vor kalifornischen Gerichten wegen einer Verletzung des Wettbewerbsrechts durch Einbau der SIM-Sperre.

In Frankreich verlangt das Gesetz den Vertrieb SIM-Lock-freier Geräte. Diese werden dann zwar vermutlich zu höheren Preisen vertrieben, aber es gibt sie. Auch bei subventionierten Handys mit SIM-Lock verlangt das französische Recht, dass diese auf Wunsch des Kunden zu entsperren sind. Der Anbieter darf dafür nur in den ersten sechs Monaten ab Vertragsschluss eine Bearbeitungsgebühr verlangen.

Diese Beispiele verdeutlichen, mit welchen kommerziellen Interessen und rechtlichen Schwierigkeiten man bei der Durchsetzung seiner Interessen mit technischen Sperren rechnen muss – sei es im Massengeschäft oder im Bereich hochwertiger Investitionsgüter.

Mit softwaretechnischen Nutzungs- und Verwendungssperren lassen sich auch in anderen Bereichen Interessen durchsetzen. So gibt es Hersteller hochwertiger Produktionsanlagen, die ihre Produkte mit Softwaresperren oder schlüsselabhängigen Aktivierungsmechanismen versehen. Ist ein Käufer wegen der hohen Anschaffungskosten nicht in der Lage, den gesamten Kaufpreis auf einmal zu zahlen, kann er mit dem Hersteller Ratenzahlung vereinbaren.

Wenn aber die Anlage oder Maschine in ein Land geliefert werden soll, in dem es im Zweifel keinen wirklich effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung noch offener Forderungen – also beispielsweise der Ratenzahlungen oder alternativ der Rücknahme der noch nicht bezahlten Kaufsache – gibt, muss man sich eben andere Mittel zum Schutz seiner Ansprüche einfallen lassen. Der Verkäufer könnte die verkaufte Anlage mit einer zeitlich befristeten Softwareaktivierung versehen, die es dem Käufer erlaubt, die Anlage nur bis zur Fälligkeit der nächsten Rate in vollem Umfang zu nutzen. Bezahlt der Käufer pünktlich, erhält er einen Freischaltcode, nach dessen Eingabe die Anlage wieder eine Zeit lang läuft, bis bei der nächsten Fälligkeit wieder ein neuer Code erforderlich wird. Und so weiter.

Alternativ dazu kann man auch vorsehen, dass sich ohne Eingabe eines neuen Codes die Performance der Maschine verlangsamt und sie weniger produziert. Daneben bietet sich an, ohne Code bestimmte nützliche Features der Anlage abzuschalten, bis die Rate bezahlt ist. Je nach Art der verkauften Güter und Höhe der durchzusetzenden Forderungen sind weitere Spielarten dieser Methode zur Durchsetzung von Forderungen denkbar. Rechtlich sind sie jedoch alle bedenklich, wenn man bei der Vertragsgestaltung nicht aufpasst.

Nach dem Kaufvertragsrecht ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und ihm Eigentum daran zu verschaffen. So steht es in Paragraph 433 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Weiter heißt es dort, dass die verkaufte Sache frei von Mängeln sein muss. Ein Mangel liegt dann vor, wenn der Käufer die Sache nicht so nutzen kann, wie es vertraglich vereinbart wurde. Man spricht unter Juristen in so einem Fall von einer für den Käufer ungünstigen Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit.

Kann ein Käufer eine Anlage nach Ablauf einer gewissen Zeit nicht mehr nutzen, ist diese Sache mangelhaft. Denn der Verkäufer hat im Vertrag ja eine dauerhaft nutzbare Anlage versprochen. Erfüllt sie diese Voraussetzungen nicht und ist daran bei Einbau einer Softwaresperre der Verkäufer schuld, kann der Kunde ihn wegen Mängeln der verkauften Sache in Anspruch nehmen. Der Käufer kann Ersatz der mangelbehafteten durch eine mangelfreie Anlage verlangen, vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern sowie Schadensersatz verlangen – und das kann bei Produktionsanlagen, die längere Zeit nicht produzieren können, beliebig teuer werden.

Da ein Mangel aber nur vorliegt, wenn die Kaufsache nicht derjenigen entspricht, die im Kaufvertrag beschrieben wurde, liegt kein Mangel vor, wenn sich die Vertragsparteien auf die Vereinbarung etwa von Ratenzahlung und daran gekoppelte Softwaresperren verständigen. Steht im Kaufvertrag ausdrücklich, dass die gekaufte Anlage nur für eine bestimmte Zeit läuft, dann einen neuen Freischaltcode benötigt, den es nur gibt, wenn der Käufer die entsprechende Rate zahlt, ist juristisch alles in bester Ordnung.

Aber Vorsicht. Bei Standardverträgen ist auch das nicht so ohne Weiteres der Fall. Wenn der Verkäufer in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen – vielleicht sogar noch an etwas versteckter Stelle – vorsieht, dass er bei Nichtzahlung die Anlage außer Betrieb setzen kann, hilft ihm das nicht. Denn nach dem strengen deutschen AGB-Recht handelt es sich in einem solchen Fall um eine unwirksame, weil überraschende Klausel, auf die sich der Verkäufer nicht berufen kann. Steht die Anlage dann still, geht die Rechtsprechung konsequenterweise von einem Mangel aus, für den der Verkäufer wie beschrieben geradestehen muss. Nicht genug, dass er seine Kaufpreisforderung nicht wirksam durchsetzen konnte, es drohen ihm außerdem schmerzhafte finanzielle Forderungen des Käufers.

Juristische Auseinandersetzungen sind ebenfalls vorprogrammiert, wenn der Verkäufer den Freischaltcode zu spät oder gar einen falschen verschickt. Auch dann kann sich der Käufer beim Verkäufer für seine Schäden schadlos halten – jedenfalls soweit, wie die Haftung des Käufers nicht wirksam nach dem Kaufvertrag beschränkt wurde.

Eine wichtige Rolle spielt in solchen Fällen die Frage, welches Recht auf einen Kaufvertrag anzuwenden ist. Schließen zwei Unternehmen aus verschiedenen Ländern einen Kaufvertrag, sollten sie sich darin einigen, welche der beiden nationalen Rechtsordnungen für ihren Vertrag gelten soll. Andernfalls muss man auf der Basis der Regeln des sogenannten Internationalen Privatrechts klären, welche Rechtsordnung etwa bei Mängeln Anwendung findet. Eine weitere Besonderheit stellt das sogenannte UN-Kaufrecht dar. Bei ihm handelt es sich um ein "Spezial-Kaufrecht", das für alle internationalen Kaufverträge gilt, wenn Käufer und Verkäufer ihren Sitz in Ländern haben, die jeweils das UN-Kaufrecht ratifiziert haben. Deutsches und UN-Kaufrecht unterscheiden sich aber kaum voneinander. Im Bereich der Softwaresperren sind die Ergebnisse der rechtlichen Bewertung meist gleich.

Kein rechtliches Problem entsteht, wenn der Hersteller einem Kunden im Rahmen eines Schnupperangebotes Software kostenlos für einen bestimmten Zeitraum überlässt und diese danach nur noch genutzt werden kann, wenn der Interessent einen entgeltpflichtiger Aktivierungscode erwirbt.

Unkomplizierter aus juristischer Sicht sind auch Maßnahmen, wie sie beim 100-Dollar-Laptop geplant sind. Dort sollen Geräte mittels ferngesteuerter Softwaresperren deaktiviert werden können, wenn diese in falsche Hände geraten, sprich geklaut werden. Bittet der Käufer den Verkäufer um Aktivierung einer solchen Sperre, kann selbstverständlich kein Mangel vorliegen. Dies wäre höchstens der Fall, wenn die Sperre trotz vertraglicher Vereinbarung in Wirklichkeit gar nicht funktioniert oder sie ein Dieb durch einfachste Mittel umgehen könnte. Verkauft jemand aber einen solchen Laptop legal weiter und die Sperre ist aktiviert, droht dem Weiterverkäufer, dass man ihn auf Gewährleistung in Anspruch nimmt.

Wenn eine Softwaresperre juristisch nicht zu beanstanden ist, darf ein Käufer sie auch nicht ohne Weiteres beseitigen. Apple geht mit technischen und juristischen Mitteln gegen die Hacker von iPhones vor. Updates enthalten eine Funktion, die das iPhone nach einem Hacking wieder mit einer Softwaresperre versieht. Nach Entfernen der Sperre aufgespielte Programme werden deaktiviert, die Geräte teilweise in den Auslieferungszustand zurückversetzt.

Wer den Quellcode der Steuerungssoftware auf den iPhones (oder in jedem anderen softwaregesteuerten Gerät) knackt und bearbeitet, verstößt damit gegen das Urheberrechtsgesetz. Neben Ansprüchen auf Unterlassung und Schadensersatz drohen in einigen Fällen auch Geld- und Freiheitsstrafen. In Einzelheiten bestehen hier durchaus Unterschiede zwischen den gesetzlichen Regelungen der verschiedenen Länder. Ist ein Produkt rechtswidrigerweise mit einer Softwaresperre versehen, muss der Käufer vom Verkäufer die Beseitigung der Sperre verlangen und notfalls einklagen. Eine eigenmächtige Beseitigung der Sperre im Wege der Selbstjustiz kommt nur in Not- und Ausnahmefällen in Betracht.

Neben rein kommerziellen Forderungen können auch andere Interessen mithilfe von Softwaresperre und Aktivierungszwang durchgesetzt werden. Wenn ein Softwarehersteller eine Registrierung seiner Produkte verlangt, kann er die installierte Software nach Ablauf einer gewissen Zeit einfach lahmlegen, wenn der Nutzer sie nicht nach erfolgter Registrierung mit einem Freischaltcode füttert. Oder ein Softwarehersteller ist an den persönlichen Daten der Nutzer interessiert. Neben den kaufrechtlichen Erwägungen kommt hier noch hinzu, dass es möglicherweise sittenwidrig sein kann, wenn ein Verkäufer die uneingeschränkte Nutzung seiner Produkte von der Bereitstellung entsprechender Daten abhängig macht. Diskutiert wurde das unter Juristen beispielsweise im Zusammenhang mit Werbeeinblendungen im Gegenzug für kostenlose Telefongespräche.

Wer den Aufwand der Durchsetzung von Forderungen mithilfe staatlicher Gerichte und anderer Einrichtungen scheut oder Angst haben muss, dass in bestimmten Ländern Forderungen einfach nicht durchsetzbar sind, sollte über die Verwendung von Softwaresperren nachdenken. Bei der Gestaltung der entsprechenden Verträge ist aber Vorsicht angezeigt. Nur wenn die Softwaresperre klar beschrieben ist und auch entsprechend den Vereinbarungen genutzt wird, ist man rechtlich auf der sicheren Seite. In anderen Fällen drohen Schadensersatzforderungen und eine Verurteilung zur Beseitigung der Softwaresperre.

Tobias Haar, LL.M.,
ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht.
(ur)