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Was war. Was wird.

Bildverbot hin, Mediengesellschaft her -- den Dialog der Kulturen haben sich viele doch etwas anders vorgestellt, meint Hal Faber, der lieber mit Petrarca der Zusammenhanglosigkeit entfleuchte.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was wird.

"Wir leben in einer ikonischen Welt". Wenn Bilder die gemeinsame Sprache der Globalisierung sind, debattieren ab dem kommenden Sonntag Cool People in the Hot Desert in Israel unter Führung des kunstsinnigen Hubert Burda über die globalen Erfolgsgeschichten des Iconic Turn. Wie beruhigend ist doch die Gewissheit einer globalen Bildersprache, bei der das "dhabh" (Abschlachten) der Araber und die "Kopfabtrennung", das lange qualvolle Sägen an Nacken und Kehle des schreienden Nick Berg, auf einer gemeinsamen Grammatik fußen. Und wie nuanciert unsere verantwortungsvollen Medien die Bildsprache beherrschen! Mit dem Tod von Nick Berg und den Bildern von Abu Ghraib ist also ein ikonischer Dialog der Kulturen in Gang gekommen, bei dem man sich Sprache und Kommunikation wünschte, stattdessen müssen die Bilder gezeigt werden. Natürlich werden die kühlen Leute in der heißen Wüste die Antwort finden, wenn die wichtigsten Lieferanten für Schlachtfeldsimulationen referieren. Der von Burda zusammengerottete Iconic Turn der Cool People beginnt, wenn der Weltkulturtag zu Ende gegangen ist. Derweil sind die Leute im Irak einfach nur undankbar und Amerika steht auf Entzug.

Unbeeindruckt vom Iconic Turn in den Wüsten tagt zuvor an der schönen blauen Donau die Kommission zur Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums durch Copyleft, in der Kurzform als Projekt Oekonux bekannt. Ausführlich wird dort diskutiert, ob die elektronische Gabe nicht anders ausfallen kann denn als weitere Preiserhöhung. Eigens für die Tagung hat der große alte Mann der neuen Linken ein gorziges Märchen erzählt, das für feuchte Augen sorgen wird: "Leute, deren Kompetenzen das Kapital absolut braucht, erbringen auf höchstem technischen Niveau den Beweis, dass die für die Produktion von Wissen adäquateste und effektivste Produktionsweise den kapitalistischen Produktionsverhältnissen in allen Punkten widerspricht." Es endet aber gemein, mit dem Hinweis auf zuschlagende "argentinische" Zustände, die bei uns mit Eichels Milliardenloch und Merkels Dauer-Nein längst angebrochen sind. Tango oder Walzer, das ist die Frage. Auch in der Europäischen Union wird sie gestellt, am Montag.

Was war.

*** Die Klagen im WWWW-Forum, dass Hal Faber immer schwächer und zusammenhangloser wird, hat mich natürlich echt betroffen gemacht, wirklich. Ich habe sie in meiner Bezugsgruppe diskutiert und auch den ersten Kurs in der Therapiegruppe für gescheiterte Journalisten belegt, der gestern in der Süddeutschen Zeitung (leider nur auf unbrauchbarem ePaper im Netz) angefangen hat. Nun habe ich mich wirklich eingebracht. Was wird, das steht heute am Anfang, um die Synergieeffekte zu dokumentieren, mit Best-of-Breed-Sätzen die Bindung zum unbekannten Heise-Leser viagramäßig zu festigen. Denn dies hier ist kein Blog, der ganz oekounuxig munter abgezockt werden kann, sondern nur eine einfache Wochenschau der Ereignisse, die zu kurz gekommen sind. Dementsprechend gibt es hier keinen Support rund um Sasser, denn diese Nachrichten sind in dieser Wochen angefüttert worden, bis die Träume vom großen Geld platzen.

*** Wer interessiert sich schon im ständig auflaufenden Geschwurbel der Nachrichten und dem schier nicht enden wollenden Geträller von Hupfdohlen und Nachwuchsquakern dafür, dass der erste Y2K-Prozess zu Ende gegangen ist. 110 Millionen Dollar haben die Rechtsanwälte in einer Sammelklage aus Avaya als Rechtsnachfolger von Lucent Technologies herausgeholt, weil Lucent-Modems am 1. Januar 2000 ein falsches Datum produzierten. Welcher Qualitätsjournalist plagt sich schon mit der Zahl 324.518.553.658.426.726.783 156.020.576.256 herum, welche für die 17.000 Milliarden von IP-Adressen steht, die TeliaSonera bei IPv6 belegt hat. Und wer hat, wenn Novell den Connector für die Verbindung von Evolution mit Exchange freigibt, schon einen Blick für die Trennung von Evolution?

*** Wer kümmert sich um die 40 LKW, die bei den fortschrittlichen Maut-System Toll Collect gerade den Gutachter-Test durchziehen, der morgen zu Ende geht? Bei diesem Höhepunkt zeichnet sich bereits der nächste Reinfall ab, weil die engültige Entscheidung für das gesamte Projekt erst am 15. Dezember gefällt werden soll. Darüber lachen nicht nur die Schüler. Wenn im Zuge der Sparmaßnahmen ein völlig veraltetes Funknetz weiter geflickt wird, so kümmert das niemanden mehr. Und wer kümmert sich um die Geburtstage solch heller Köpfe wie dem von Ivan Sutherland, Erfinder des Sketchpads, der heute 66 Jahre alt wird?

*** Auch das Theater bei SCO ist von einem Kaliber, bei dem die Qualität der Nachrichten zwischen dicken Überraschungen und lustigen Details variiert, die keine Nachricht produzieren. Etwa dann, wenn man in Deutschland ehrlicher vom Re-Branding spricht als in den USA, wo man partout den 25. Geburtstag feiern will. Manch einer kann es daher nicht mehr hören, die anderen kümmert es ohnehin nicht. Nun scheint selbst Darl McBride zu den Kümmerern zu gehören, weil er angeblich sprachlos darüber ist, wohin sich die Sache entwickelt. Aus einer einfachen Klage eines einfachen Mannes ist ein groß angelegtes Klage-Geschäft geworden, bei dem die Firma Baystar Capital das ganz große Rad dreht. Sie ist auch Finanzier der Klage von Burst gegen Microsoft. Aus dieser Firma mit Dutzenden von Programmierern ist ein Vier-Mann-Laden geworden, der nur noch die Klage betreibt. Genauso soll SCO entschlackt werden, da ist selbst ein Cowboy wie Darl McBride ein Cowboy zuviel, auch wenn er sich als wichtiger Zeuge fühlt.

*** Zu den herausragenden Klagen dieser Woche gehört die der Suchmaschinen-Arbeitsgemeinschaft, die von einem virtuellen Büro im Züricher Stockerhof mit in der Schweiz abgekupferten Stühlen und von der Telekom abgeluchsten Personal samt einer Hannoveraner Telefonnummer gegen verschiedene Blogger droht und um "ladungsfähige Adressen" bettelt. Suchmaschinen, so wollte doch Bertelsmann in dieser Woche vermitteln, sollen für eine ethische Publizistik stehen. In dieser Logik erfüllen Suchmachinen-Arbeitsgemeinschaft-Klagehansel natürlich auch eine ethische Funktion, die von Aasgeiern, die dafür sorgen, dass aus dem Index von Google fliegt, was nicht in ihrer Rotte fliegt: So heißt es hier: "Ich möchte Sie bitte umgehend die, an diesem Mail angefügten, Beiträge aus Ihrem System zu entfernen und uns Ihre ladungsfähige Adresse mitteilen. Entsprechende Anfragen gehen an Ihre zuständiges IHK, den Verlag Amazon.com und an das für Sie zuständige Finanzamt. Wir haben einen Detektei mit dem Auffinden Ihrer Person beauftragt weil Ihre Angaben im Impressum eine bewusste Täuschung darstellen. Wir haben Google von Ihrer vorgehensweise informiert und hoffen, das Ihre Seite aus dem Index fliegt."

*** Wenn die Bobos sich von ihrer ekeligsten Seite zeigen, sollte man den Tatsachen ins Auge sehen. Der Mensch hat nur noch eine kleine Chance, und zwar dann, wenn er die Vernunft downloadet. Ansonsten bleibt nur noch der Ausweg, sich heiter aus der Geschichte zu verabschieden. Denn die Roboter sind schon da, auch wenn die Geschlechtsteile noch nicht so ausgeprägt sind.

*** Mit einem abgetrennten Kopf begann die Vorschau, mit einem abgetrennten soll der Rückblick enden. Am 20. Juli wird der 700. Geburtstag von Francesco Petrarca gefeiert, des ersten europäischen Intellektuellen, der mangels Fahrrad mit der Besteigung des Mont Ventoux Hubert Burda einen Stiftungsgrund lieferte. Nun hat sich sein Charakterkopf als weibliche Beimischung entpuppt. Damit gehört unser Mann in eine Galerie mit Rasputin und jenem Louis XIV, auf den Voltaire seine Satire schrieb, die ihn heute vor 287 Jahren ins Gefängnis brachte. In der Bastille schrieb Voltaire seine ernsthaften Stücke, behielt aber seinen Kopf. Mit dem kopflosen Petrarca also endet dieser Wochenrückblick. Als er noch dran war, der Kopf an dem Gelehrtenkörper, produzierten beide diese Zeilen:

"Denn es gab ein glücklicheres Zeitalter, und vielleicht wird es ein neues geben. In der mittleren, in unser Zeit siehst du, wie aller Schmutz und alle Schändlichkeit zusammengeflossen sind." (Hal Faber) / (jk)