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Was war. Was wird.

Wie immer möchte Hal Faber unseren Blick schärfen für die Spaßgesellschaft, Linux-Mönche, die versteckten Spar-Effekte in Office XP und ein Krebsgeschwür, das in dieser Woche Microsoft heimgesucht hat.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Die Geister, die ich rief: In der vergangenen Woche war in diesem beschaulichen Wochenrückblick die Rede von Gott. Das sorgte prompt für Ärger bei denjenigen, denen Allah näher steht. Wenngleich auch eine Fraktion unter meinen geneigten Lesern sich für Linus Torvalds als Gott entschieden hat und sehr wörtlich nimmt, was der HErr im Mai 1998 auf der Linus Expo in North Carolina verkündete: "Mein Name ist Linus Torvalds, und ich bin euer Gott" (ganz ohne Link zu finden auf Seite 158 in Der Red Hat Coup von Wendy Goldman Rohm und Robert Young). Seitdem beteuert der oberste Maintainer von Linux, es ironisch gemeint zu haben.

*** Nun kommt sein Buch Just for Fun unter die Leute, die Autobiografie eines vollendeten Lebens und siehe, der HErr sprach zu Linus und es ward gut. In mehreren Anläufen erzählt der nicht getaufte Sohn eines kommunistischen, agnostischen Journalisten, was ihn mit Gott verbindet; vom ersten Root-Passwort "Linus God Torvalds" bis zur Tatsache, das man als Programmierer ja schließlich der Gott seiner Maschine ist. Während seine Schwester sich zum Katholizismus bekennt, macht sich Linus daran, den Protestantismus umzuschreiben. Denn seine Autobiografie fängt an mit einem Dialog über den Sinn des Lebens und hört auch so auf: der Programmierer als Philoso-Viehtreiber gibt uns das "Gesetz des Lebens", nennt es "Linus' Gesetz" und stellt es neben den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Was Linus' Gesetz dem Moore'schen Gesetz voraus hat, ist das Versprechen auf Fun ohne Ende für Programmierer. Dabei gibt es drei Zivilisationsstufen: Erst geht es ums nackte Überleben, dann wird das Sozialverhalten in großen Banden und Nationen geübt, und schließlich siegt die Unterhaltung. Auf der höchstentwickelten Stufe wandelt sich unsere Informationsgesellschaft vollends zum Feten-Tollhaus. Linux-Mönche, die Runix für die Playstation zimmern, sind nach Torvalds die treibenden Kräfte und verantwortlich dafür, das Cisco zur Old Economy gehört und die Disney Corporation die Welt beherrschen wird – was der Finne für eine ganz funtastische Aussicht hält.

*** Warum sind die philosophischen Klimmzüge eines überzeugten Neu-Amerikaners wichtiger als die Gedanken des deutschen Stardichters Linus Volkmann, bei dem Quake-geschädigte Geeks sich mit Frauen treffen, die just for fun literweise Apfelkorn in sich hineinschütten? Schließlich erzählt Torvalds nur, was jeder Bobo tagein, tagaus predigt: Die Welt ist eine große Party, auf der man bis zum Absturz feiern kann. Seltsam ist nur, dass Linus das Vorwort zu einem Buch des Finnen Pekka Himanen geschrieben hat, das Hacker Ethic heißt. Bei solch einem Begriff denkt man automatisch an die Ehre echter Hacker, die sich von den Skript-Kiddies absetzen wollen und auf ihre Ethik vertrauen: Solange nichts geklaut wird und man nicht als Vandale durch ein System zieht, ist alles ok. Aber Himanen sieht es ganz anders: für ihn ist die Hacker-Ethik die neue Fassung der protestantischen Ethik, die einst gemäß Max Weber der Industrialisierung Vorschub leistete: Arbeite im Schweiße deines Angesichts und gib dich ganz deiner Berufung hin. Der richtige Hacker verzichtet auf allen Prunk und findet schon Linux zu überladen.

*** Dagegen haben Skript-Kiddies einfach nur ihren Spaß. Der Versuch von Erwachsenen, mit 13-jährigen pubertierenden Wicked Kids in Kontakt zu treten, ist mitunter von Missverständnissen geprägt, doch bei weitem nicht so bizarr wie der Appell an Microsoft, doch bitte nicht die Sicherheit des Internet mit Windows XP zu unterhöhlen. Solch ein Appell dürfte die Gutsherren aus Redmond nicht sonderlich berühren, die mit dem Operieren von Krebsgeschwüren und dem Lancieren von Office XP weiß Gott mehr als genug beschäftigt sind. Wobei die Wiedergabe eines nicht unerheblichen Gedankens von Bill Gates, wie er von der New York Times zitiert wird, doch bitte gestattet sein muss: "Dadurch, dass Office um 10 Prozent verbessert wurde, können wir Hunderte Millionen Dollar am Arbeitsplatz sparen". Was würde wohl passieren, wenn Office um fünfzig oder hundert Prozent verbessert würde? Gar nicht auszurechnen.

*** Worauf wir nicht mehr warten müssen, sind die WWW, die Wurst-Waren-im-Web oder genauer gesagt die World-Wide-Wurst. Dahinter verbirgt sich die erste deutsche Internet-Wurst, mit der die Fleischerei Freese den begehrten WebHammer für Handwerks-Sites ergattert hat. Der Sieg kam durch Traumwerte in den Sparten Kundenbindung und Erstbewegervorteil zustande, was in der Sprache der Werbe-Verwurster natürlich First Mover Advantage heißt. Wobei die Internet-Wurst nicht nur eindeutig beweist, dass die Welt eine Wurstscheibe ist, sondern die Menschen, die auf ihr leben, offenbar alle eine Klatsche haben: "Testen Sie sich selbst! Ihre Geschmacksorgane werden klatschen!"

*** Preisverdächtig ist in dieser Woche auch die Pressemeldung von T-Systems zum ersten Test des Polarisations-Multiplex-Verfahrens (Polmux) mit 1,38 Terabit pro Sekunde. Das entspricht der Meldung folgend dem Download von 200 CDs pro Sekunde und sei somit Grund genug, die Diskussion um die Lieferung von Online-Musik zu beenden. Beenden? Damit beginnt die Debatte erst! Das sind Verbindungen, auf die sich Swarmcast freuen kann. Wenn das weltweite Verteilen von Datenklumpen in wenigen Tagen schon 130 GB über das alte Netz bewegen konnte, werden richtige Würste und Klopse nur so durchs polarisierte Netz krachen.

*** Der letzte Preis geht heute an die in Koblenz erscheinende Rhein-Zeitung, deren komplette Druck-Ausgabe für Abonnenten seit dieser Woche im Web steht. Es sei weltweit das erste Online-Angebot, das laut Chefredakteur Martin Lohmann der gedruckten Ausgabe in allen Bereichen voll und ganz entspricht. Mal ganz davon abgesehen, dass das gar nicht geht, denn mit der gedruckten Ausgabe der Rhein-Zeitung kann man unter anderem auch prima den Kamin anzünden, verspricht das e.Paper genannte Projekt durchaus spaßig zu werden. Etwa beim Suchen und Finden von Kleinanzeigen. Auch ansonsten dürfen sich die Abonnenten künftig gewaltig freuen, wenn der halbformatige Roman und die vollformatige Media-Markt-Anzeige blitzschnell auf den Bildschirm flutschen. Auch hier sollte in jedem Fall das polarisierte Multiplex-Verfahren zum Einsatz kommen.

Was wird

*** Polarisierend soll es auch in Stockholm zugehen, wo sich die ICANN trifft und die Internet Society das World Wide Grid einläuten möchte. Vorerst mit einer Fusion des Genfer DataGrid, des DAMIEN-Projekts und des Géant-Netzes in einer kontinentalen Variante als EuroGrid. Stellt man die Debatten der Netzbürger in ein Verhältnis zu den Geschwindigkeiten, die bei der ISOC diskutiert werden, dann wird der Satz von Stephen Bertman aus seiner Hyperculture verständlich. Er schrieb: "Was wir bekommen, ist keine Konvergenz, sondern eine Divergenz zwischen der Geschwindigkeit der Technologie und der Geschwindigkeit der Humanität." Sicherlich wird dies kein Thema sein, wenn in Berlin mit großem Tamtam Hersteller und TK-Provider ihr Informationszentrum Mobilfunk (IZM) eröffnen, das fürderhin gegen alle Schauermärchen von weichgefunkten Hirnen und verzögerten UMTS-Netzen kämpfen wird. Das IZM möchte eigene Antworten geben und nicht immer nur nach Finnland zeigen, heißt es in einer Einladung. Gemeint ist sicher nicht Linus, sondern eher Nokia, eine Firma, die bekanntermaßen um den mobilen Fun besorgt ist. "Die Finnen sind ein seltsames Volk. Sie benutzen das Telefon, als wäre es ein ordinäres Kochgeschirr und haben keinen Respekt vor der Technik." Das berichtete der spanische Botschafter Angel Ganivet seinen Landsleuten aus Finnland, im Jahre 1896.

*** Approximavit sidera. Am 7. Juni vor 175 Jahren starb Joseph von Fraunhofer, was in der nächsten Woche Anlass genug ist, sich am Forschungsstandort Deutschland voll in Schale zu werfen. Hier wollen wir nur daran erinnern, dass Fraunhofer von seinen Zeitgenossen als Bastard tituliert wurde, weil er nicht die richtige Bildung besaß ("Feiertagsschule"), sich abseits der Schule Bücher besorgte und seinen eigenen Weg ging. Deutschlands erster Hacker bekam ohne Studium eine Professur. Ob er wohl Fit for Fun war? Friede den Göttern zu Pfingsten! Auf, auf zum Spaß, zum Spaß sind wir geboren... (Hal Faber) / (em)