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Was war. Was wird.

Hal Fabers Wochenschau vergibt Preise: Für den Bobo der Woche; Ratten, die das sinkende Schiff frühzeitig verlassen; und die beste Miene zum bösen Spiel.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wenn etwas in einem Newsticker zu kurz kommt, dann sind es Preise. Nein, nicht Produktpreise: Rund um die Welt werden tagtäglich, vielleicht stündlich Preise, Auszeichnungen und Urkunden verliehen und NICHTS ist davon ist in den Heise-News zu finden. Keine Rede davon, dass eBay diese Woche einen Smithsonian Award erhielt, weil es "den Handel für das 21. Jahrhundert neu definiert hat", wie die Jury meint. Nicht einmal ein halbes Bit über den Ehrendoktor, den Bill Gates diese Woche an der Universität von Rikkio in Tokio bekam. Auch die Goldene Brücke, die "Deutschlands führendes Online-Unternehmen" Pixelpark von der DPRG in Empfang nehmen durfte, blieb unerwähnt. Wir wissen nicht einmal, ob so ein PR-Oscar eine sperrige Sache ist und freuen uns mit der Agentur Faust&Stein über ihren Goldenen Pfeiler für die Webstage – vielleicht wird mal eine Brücke draus. Unberücksichtigt blieben auch die Freudentänze beim E-Windel-Distributor BabyOne, der den 11. deutschen Franchise-Preis eintüten durfte. Welch wohlige Stille herrscht doch ohne das weiße Rauschen der E-PR.

*** Aber ich will auch einmal positiv sein: Beim Ron Mace Designing Award for the 21st Century wollen wir heuer eine Ausnahme machen. Dieser Preis ist laut Eigen-PR nicht nur der führende Design-Preis der USA, der von allen Behinderten-Organisationen verliehen wird, er hat auch einen würdigen Preisträger: Die Firma Microsoft. Microsoft erhält den Ron Mace Design Award "in Anerkennung für 12 Jahre führender Interface-Gestaltung und Benutzerführung sowie für die denkbar einfachste Software, die von jedermann benutzt werden kann, behindert wie nicht behindert." Zu den Höchstleistungen, die die Jury besonders herausstellt, zählen Microsoft Encarta, die Wizards in den Office-Programmen und der Accessibility Wizard in Windows 98 und Windows 2000. In Zeiten, in denen eine quasselnde Büroklammer geehrt werden kann, erinnern wir uns wehmütig an Microsoft Bob.

*** Oops, da kam doch wieder der Kritikaster durch. Womit ich bei Microsoft wäre. Und wo der Name dieser Firma fällt, darf unser aller Lieblingsprozess nicht fehlen. Der schärfste und beste Ankläger auf Regierungsseite war David Boies, der mehr als einmal die Microsoft-Zeugen aus der Fassung brachte. David Boies hat einen neuen Clienten. Seit Mitte letzter Woche verteidigt er die MP3-Tauschbörse Napster. Zunächst einmal geht es darum, ob Napster überhaupt noch im Internet aktiv sein darf, bis der Prozess anläuft, den die RIAA angestrengt hat. Die RIAA meint: Nein. Bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens können noch 6 Monate vergehen, in denen Napster vom Netz soll. In Internet-Jahren gemessen ist das wohl ein halbes Jahrhundert.

*** Ich weiß, gleich werde ich geprügelt, aber kurz muss ich doch noch beim Microsoft-Prozess verweilen. Aber einmal aus einer anderen Perspektive: Aus der Sicht des Microsoft-Managers scheint alles verloren, zumindest, was den Aktienkurs der Firma angeht. Verlassen die Ratten schon vor dem Aufprall auf den Eisberg das sinkende Schiff? Ein Microsoft-Oberer nach dem anderen fängt an, seine Anteile an der eigenen Firma zu verkaufen – und das kurz vor oder kurz nach dem Urteil von Richter Thomas Penfield Jackson. COO Robert Herbold machte gleich einmal 12 Millionen US-Dollar, Vizepräsident Paul Gross – einen Tag, nachdem das Urteil erging – 2 Millionen US-Dollar durch den Verkauf von Microsoft-Aktien. Nichts besonderes, meint die Presse-Stelle des Konzerns – und zu den Gründen, die Mitarbeiter zum Verkauf von Microsoft-Papieren veranlasse, äußere man sich schon gar nicht. Nun, 12 Millionen US-Dollar, das ist schließlich nicht die Welt für einen Bobo. Bill Gates, unter anderem durch Microsoft-Aktien immer noch der reichste Mann der Welt mit 60 Milliarden US-Dollar, hat da etwas mehr zu verlieren. Bemerkenswert allerdings, dass Ex-Kumpan Paul Allen, mit dem Gates in prähistorischen Zeiten Microsoft gründete, zwischen dem 1. März und dem 5. Juni Microsoft-Aktien im Wert von 3 Milliarden US-Dollar verkaufte – und am 6. Juni laut den Unterlagen der amerikanischen Finanz- und Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) Papiere für weitere 138 Millionen. Ob da jemand seine Schäfchen ins Trockene bringen will?

*** Und wenn es schon um Geld geht: Larry Ellison von Oracle dürfte vor Wut in seine Thin Clients beißen. Sah es doch lange Zeit so aus, als könnte er Billy-Boy als reichsten Mann der Welt überholen. Nun stellt sich heraus, dass Gates immer noch 60:47 führt. Na, dann halt dich mal ran, Larry: In den Zeiten der Internet-Ökonomie sollte es doch nicht so schwer sein, schnell einmal 13 Milliarden US-Dollar reicher zu werden. Ist ja eh nur virtuelles Geld: Ein kleiner Börsencrash, und Larry wie Bill gehen in die Armenküche, Suppe löffeln. Der verdutzte Beobachter kann nur noch resigniert den Kopf schütteln.

*** Zurück zur Jus: Zu den Rechtsquerelen, die es nicht zu einer richtigen Nachricht brachten, zählt das Vorgehen der Firma Adobe gegen das Macintosh News Network und ihren Webservice namens AppleInsider. Der hatte Anfang Juni einen Vorbericht zu Adobes Photoshop 6.0 ins Internet gestellt, komplett mit Screenshots und einer Liste der Neuerungen. Das Ganze sei die Verletzung eines NDA, eines Non-Disclosure Agreements, befand Adobe. Nur hatte die Crew des News Network keine Journalistenerpressung dieser Art unterzeichnet, sondern fand nach eigenen Angaben das Material in der Inbox der Redaktion. Dennoch nahm sie die inkriminierten Seiten vom Netz, auf besondere Weise: Die Dateien wurden umbenannt, blieben jedoch auf dem Server. Wer ein Directory lesen konnte, hatte keine Probleme, sie zu finden. Dieses Verfahren soll nun in einem Prozess behandelt werden. Am Rande sei bemerkt, dass Adobe in seiner Klageschrift die Versionsnummer von Photoshop als "Trade Secret" aufführt. So ist das halt in den Zeiten der E-Economy: Da ist es marktumwerfend, wenn auf Photoshop 5.0 Photoshop 6.0 folgt. Ob sich der Chef von Adobe den Titel des Bobos der Woche verdienen will?

*** Geht es dagegen um die Abkürzungen der Woche, sind LLF und FFL ganz sicher die Favoriten. LLF-OS steht für Leading Lawsuit Free Operating System und wurde in dieser Form ausgerechnet bei IBM (Ich Bin Mutig) auf einem Linux Strategy Summit verkündet, der in Böblingen stattfand. FFL dagegen steht für Freedom for Links, eine Vereinigung mit angehängter Spendenaktion, die sich dafür einsetzt, dass das Setzen von Links im Web nicht mit dem "Zueigenmachen" der Inhalte hinter dem Link gleichzusetzen ist. Weil die Bürgerinitiative FFL nun richtig kommerzialisiert wird, rasten einige FFL-Kritiker aus und stürmen Foren wie Juramail, die sich mit dem Recht im Internet beschäftigen. Daneben erwischt es unbeteiligte Foren der HTML-Selbsthilfe und einige deutsche Newsgroups. Ein Forum heißt Online-Recht und wird von akademie.de betrieben. Diese Einrichtung betreibt E-Learning via Internet und hat es gerade geschafft, einen Online-Workshop als Bildungsurlaub anerkannt zu bekommen. Eine wahrlich prophetische Lösung. Vielleicht können sich bald alle Hitzköpfe der FFL-Debatte bei ihrem Arbeitgeber 10 Tage zur Fortbildung freinehmen und ihre Outbox prügeln, bis es kracht. Für Selbstständige, Unternehmer und Rechtsanwälte wird nach eine alternativen Lösung gesucht. Vielleicht ein Wettbewerb mit einem Preis für den grössten Vollquottel?

*** Den Preis für das gequälteste Lächeln, mit dem der Erfolg der eigenen Technik begleitet wird, bekommt diese Woche übrigens Microsoft. Erst schenkt IBM den Leuten von Apache, dem Open-Source-Webserver, der Microsofts Internet Information Server regelmäßig in jeder Beziehung den Rang abläuft, die Microsoft-Entwicklung Simple Object Access Protocol (SOAP). Und dann erdreistet sich Wintel-Mistreiter Intel auch noch, mitten in Redmond die Microsoft-Entwicklung Universal Plug and Play (UPnP) in Form eines Toolkits an die Open-Source-Gemeinde rund um Linux zu übergeben. Ganz unbedeutend sind weder SOAP noch UPnP: Ersteres dient der Vereinfachung von Business-Transaktionen im Web, letzteres der totalen Vernetzung vom PC bis zum Kühlschrank – und ist direkte Konkurrenz zu Suns Jini. Erfolg kann tödlich sein, nicht wahr? Nun, was auf den ersten Blick als Schlag ins Kontor von Microsoft erscheint, kann natürlich – Verschwörungstheoretiker an die Front... – auch andersherum gelesen werden: Da tun sich Microsoft, IBM und Intel zusammen, um endlich zu beweisen, dass Linux eine tödliche Gefahr für die Software aus Redmond ist. Q.e.d. – zumindest mag es das Berufungsgericht im Microsoft-Prozess glauben. Es lebe die Wibintel-Allianz.

Was wird.

Was wird nach der Expo, das wird auf der Expo verhandelt. Am Montag beginnt in Hannover der Weltingenieurtag 2000, der "ganz im Zeichen des im dynamischen Spannungsfelds des Expo Mottos 'Mensch-Natur-Technik' stehen" will. Die Ingenieure werden Spannungsprüfer an Themen wie "Die Zukunft von Information und Kommunikation" halten, dass es nur so knistert. Vielleicht kommt ja wenigstens ein besonders buntes Feuerwerk dabei heraus. (Hal Faber) (jk)