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Was war. Was wird.

Die Wochenschau von Hal Faber: Summertime in neuen Klamotten, da wiederholt sich die Geschichte nicht - außer, man heißt Microsoft.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Einen Stormy Monday Blues gab's für Be, die Entwickler des Multimediabetriebssystems BeOS. Erst erzählt ein Manager, immerhin Marketingleiter, Microsoft habe gewonnen und das eigene Betriebssystem keine Chance. Warum also weitermachen? Eine logische Frage, die der Mann dann auch gleich selbst beantwortete: Man werde BeOS einstellen und sich auf die so genannten Internet Appliances konzentrieren. Halt, Stopp: Das hat er gar nicht gesagt. Sagt er zumindest. Er könne sich "in seinen wildesten Träumen" nicht ausmalen, wie diese Interpretation des entsprechenden Interviews zu Stande gekommen sei. Der Vizechef von Be meint, das System für die Surf-Terminals sei nichts anderes wie das für den PC. Und der Oberboss Jean-Louis Gassée zeigt sich "traurig und entsetzt". Eine nachfolgende Präzisierung durch den uns nun schon bekannten Marketingleiter wiederum bedeutet nichts weiter, als dass Be die Entwicklung des PC-Betriebssystems an Drittfirmen abgeben und sich auf das System für Internet Appliances konzentrieren wolle. Was denn nun? Jedes Betriebssystem hat offensichtlich die Marketiers, die es verdient. Ob die User dem folgen wollen, mögen sie selbst entscheiden. Jedenfalls kann man Microsoft viel vorwerfen, aber eines bestimmt nicht: Dass die Firma ihre Position mit dämlichen Marketiers erreicht hat.

*** Apropos Microsoft. Die letzte Woche könnte man vielleicht unter ein Motto stellen: Sympathy for the Devil. Die zumindest versuchte Microsoft zu erreichen. Eigentlich war es schon lange klar, nun wurde es offiziell: Am Freitag stellte das US-Justizministerium den Antrag, Microsoft in zwei Teile zu spalten. Die endlose Geschichte kann jetzt weitergehen: Der Richter misst das Strafmaß zu, Gates' Mannen gehen in Berufung, irgendwann in ein paar Jahren kommt das endgültige Urteil. Und wenn wir im Heise-Newsticker darüber berichten, fragen im Leser-Forum verdutzte Jünglinge: Who the hell is Microsoft? Selbst heute interessiert doch kaum noch jemanden, ob der Web-Browser nun mit Windows mitgeliefert wird oder nicht. Die ernsthaften Fights der Branche werden ganz woanders ausgefochten: Server, Infrastruktur auf der einen, PDAs, Surf-Terminals, Handys auf der anderen Seite. Wo ist da Microsoft? Ziemlich planlos operieren die Untergebenen von Steve Ballmer und gewinnen bislang nur recht wenige Blumentöpfe. Verschwörungstheoretiker an die Front: Wo ist der Master-Plan, der hinter dem hilflosen Hin- und Herrudern Microsofts steckt?

*** Überraschend bei der ganzen Microsoft-Geschichte ist eigentlich nur die Reaktion von Bill Gates und Steve Ballmer. Boys don't cry? Weit gefehlt, das beleidigte Aufheulen der beiden Microsoft-Oberen erinnert eher an pubertierende Knaben, die auf ihrer ersten Party um acht Uhr zu Hause sein müssen. Die Arroganz der beiden Herren macht schon nachdenklich: Jeder Eingriff, welcher Art auch immer, in die offensichtlich unfairen Geschäftspraktiken Microsofts wird mit dem Hinweis zurückgewiesen, das behindere die "Innovation". Umgekehrt formuliert, definiert also Microsoft, was Innovation ist... Ballmer mag man ja noch zu Gute halten, dass er unter der Fuchtel von Gates steht. Gates wiederum verhält sich inzwischen wie ein Psychopath, dem man sein Spielzeug wegnehmen will. Ob er jemals ein guter Entwickler, ein Mensch mit neuen Ideen oder nur ein begnadeter Abkupferer war, sei an dieser Stelle einmal beiseite gelassen. Offensichtlich ist Gates aber das eigentliche Problem von Microsoft: Sein Spielzeug fasst niemand ohne seine Erlaubnis an. Leider hat er inzwischen mehr Macht als im Kindergarten, als er sich nur schmollend in die Ecke zurückziehen konnte.

*** The man who sold the world wäre Max Strauß vielleicht gerne geworden – nun kämpft er mit einer ominösen Festplatte, die verschwindet, auftaucht, verschwindet, ad infinitum. Oder nicht? Anscheinend nämlich kann man einen blanken Kinderhintern kopieren – was den Söhnen von Franz Josef Strauß selig vielleicht nicht ganz so recht wäre. Jedenfalls berichtete ich in der Wochenschau vor 14 Tagen, dass eine Festplatte, auf der Daten von Max Strauß sein sollen, spurlos verschwunden ist. Gegen den Strauß-Zögling läuft ein Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen des Waffenhändlers Schreiber und wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Seine erwähnte Festplatte nun, auf der die Ermittler relevante Daten vermuteten, sollte nach einem Virenangriff "blank wie ein Kinderhintern" sein, meinte Franz Georg Strauß, Bruder von Max. Der Versuch, die Daten trotzdem zu rekonstruieren, scheiterte aber nicht zuletzt daran, dass die Harddisk auf den undurchdringlichen Wegen zwischen ermittelnder Augsburger Staatsanwaltschaft und der mit der Datenrekonstruktion beauftragten Firma Convar spurlos verschwand. Nun ist eine Kopie der Festplatte bei Convar aufgetaucht – allerdings ist dafür ein Gutachten der Firma zu der ominösen Festplatte nicht mehr auffindbar. Breiten sich blanke Kinderhintern wie ein Virus aus? Sachen gibt's...

*** Take Five und gib Eins: Was sich manche Leute inzwischen unter Journalismus im Internet-Zeitalter vorstellen, demonstriert eine Firma namens AdPartner. Wer schon angesichts des Firmennamens nicht unbedingt hochqualitative Nachrichten und Berichte erwartet, mag sich durch eine Mitteilung eben dieses Unternehmens bestätigt fühlen. Erst einmal hat man nur die Domain stellemarkt.de gekauft – für zwei Millionen Mark. Dann aber kommt's noch dicker: Jetzt will die Werbeagentur gleich eine Zeitung aufmachen, entsprechend dem aktuellen Marketing-Blabla DotcomZeitung genannt (übrigens hier ohne Fehler in der Schreibweise des Unternehmens wieder gegeben). "Unsere Multi-Domainstrategie erlaubt es dem Leser, interessenspezifisch in die DotcomZeitung einzusteigen und nach Belieben von Stellenmarkt.com zu Nachrichten.com oder Automarkt.com zu wechseln", erklärt AdPartner. Diesen Vorteil wolle man konsequent im harten Kampf auf dem Anzeigenmarkt nutzen, meint die Firma weiter. Sollen sie mal – eigentlich glaube ich immer noch, dass die Leser sehr wohl zwischen Nachrichten, Anzeigen und Verkaufsangeboten unterscheiden können, die diese ominöse DotcomZeitung offensichtlich beliebig vermengen will. Wenn mich diese Hoffnung mal nicht trügt...

*** Summertime – and the living is easy; zumindest, wenn man in Klamotten von ricardo.de herumläuft. Das ist doch aber ein Internet-Auktionshaus? Trotzdem bringt ricardo jetzt eine eigene Mode-Kollekion heraus: Sweatshirts, Pullover, ja sogar Krawatten – manch Goldkettchen- und Ballonseidentrainingsanzugträger darf jetzt seine Zugehörigkeit zur berühmten Generation @, für die ricardo sein Angebot vorsieht, mit entsprechender Kleidung demonstrieren. Da ist es doch irgendwie tröstlich, dass einige Leute, die ich so treffe, noch ganz normal gewandet sind – manche treten nicht einmal als Schlipsträger auf, die DotcomZeitungen lesen.

*** Ein berühmter, aber nicht mehr allzu gerne erwähnter deutscher Philosoph und Ökonom meinte einmal, Geschichte wiederhole sich nicht, außer als Farce. History Repeating mag auch dem CDU-Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen inzwischen nicht mehr allzu recht sein. Jürgen Rüttgers hat einfach kein Glück mit seinen Modernisierer-Auftritten – trotz Duumvirats mit Volker Rühe hatte er keine Chance gegen Angela Merkel, und nach missglückten Auftritten mit "Kindern statt Indern" und Forderungen nach einen Internet-Standort Nr. 1 für das Bundesland, das er bald regieren möchte, lässt er sich nun mit eben dieser Angela Merkel auf Plakaten für den laufenden Landtagswahlkampf zeigen. Die Sache hat nur einen Haken: Der ehemalige "Zukunftsminister", von dem während seiner Amtszeit eigentlich nicht viel zu hören war, hat auf den Plakaten eine falsch geschriebene Web-Abdresse angegeben. Okay, es ist noch viel schlimmer, als im Newsticker ursprünglich zu lesen war: nicht juergenruttgers.de, sondern juergenrüttgers.de gibt die CDU statt der eigentlich richtigen Domain juergenruettgers.de an. Klar, der arme Mann kann nicht alle Wahlplakate auf richtige Schreibweise Korrektur lesen. Aber vielleicht sollte sich jemand, der auf seine Vergangenheit als Zukunftsminister stolz ist, wenigstens Mitarbeiter besorgen, die mit der Gegenwart umgehen können.

Was wird.

Don't worry be happy: Für die Anhänger von BeOS entwickeln sich die OS/2-User zum leidgeplagten Vorbild. Unentwegt halten diese an ihrem System fest, auch wenn IBM es selbst gerne in der Versenkung verschwinden lassen würde. Wie deutlich muss man es denn noch in die Welt hinausschreien: Die proprietäre OS/2-API ist tot. Das meint zumindest John Soyring, seit kurzem Chef der Betriebssysteme bei IBM – und damit auch von OS/2 – in einem Interview mit c't (das gibt's komplett, wie mir Kollegen berichteten, übrigens in der Ausgabe 10 meines Lieblings-Computerblatts). Niemand interessiert sich heute mehr für OS/2 außer ein paar Fanatikern, und die lassen IBM dann auch noch in schlechtem Licht dastehen. Nervöse Linux-Anhänger übrigens seien getröstet: Bislang erscheinen vergleichbare Entwicklungen wie bei BeOS oder OS/2 bei dem Open-Source-System unwahrscheinlich. Zumindest steht hinter Linux bislang kein Großkonzern, der sich dummbatzig wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt. Obwohl: Was ist mit Red Hat beim Linux für Desktop-Rechner und Server, was mit Lineo, die eine Firma nach der anderen aufkaufen, beim Linux für so genannte Embedded Devices? Wenn die beiden sich zusammentäten, hätten wir nichts anderes als ein Linux-Microsoft: Red Hat mit Linux 98 und Linux 2000 und Lineo mit Linux CE. Und dann noch ein paar Kooperationen mit IBM und Compaq, schon haben wir den Salat. Fragt sich nur, ob dabei dann ein OS/2- oder ein Windows-Nachfolger herauskäme. (Hal Faber) (jk)