4W

Was war. Was wird.

Gefährliche Liebschaften oder tote Träume? Der Sommer ist endlich da, auf, zur Sonne, zur Freiheit! Aber ach, ob nun von ungewaschenen oder gut duftenden Entwicklern bevölkert, die IT-Landschaft ist so ausgedörrt wie die politische, meint Hal Faber.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 135 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Leser aller Welten, zur Sonne, zur Freiheit! Nur gut gebräunte Programmierer schreiben gute Programme! Und wenn sie dann noch den von den taz-Lesern geforderten konstanten Alkoholgehalt im Blut, dann kommen die wirklich konstruktiven Lösungsansätze heraus, wie das Voicewurst-System: "Ich bin Wurst".

*** Ja sind wir nicht alle etwas deutsche Wurst in diesen Tagen? Es war eine richtige Schattenwahl, nach der Schröder über seinen Schatten sprang und erklärte, dass seine Reformen nur durchgesetzt werden können, wenn die CDU/CSU an der Regierung sind. "Tote Träume, alphabetisch sortiert" -- kann man das Quartett, Heiner Müllers Variante der Gefährlichen Liebschaften, etwa als Kommentar zur aktuellen Nicht-Situation der rot-grünen Bundesregierung lesen? Möglicherweise. Gefährliche Liebschaften aber entfacht auch diese Bundesregierung schon lange nicht mehr, und so bleibt wie immer die Frage, was das denn nun wieder mit IT zu tun habe. Diese unsere IT-Branche aber ist auch in den nun zu erwartenden Kunststücken geübt: Wir warten auf die geistig-moralische Wende, gewissermaßen den Übersprung über das politische Gerät, wobei die Beine rückwärts schwingen und dem Gerät zugekehrt sind. Verwirrt sind vor allem die Grünen, die einstmals aus der freien Republik der Wenden aufbrachen und sich nun an ihre Pöstchen klammern. Wer anläßlich des 30. Deutschen Evangelischen Katholikentags einlädt, lässt ahnen, wie alles ganz doll geknuddelt werden soll. Da jault der Kirchentag, der diese Woche wieder einmal aus der Leine den Fluss der Ölung machte. Das ist vielleicht das Schlimmste, dass man diesen fischerfixierten Realpolitikern keine Fundamentalopposition mehr zutraut. Aber wer redet schon darüber, wenn der Rücktrittsspezialist Lafontaine in den Medien den Vortritt hat. Was fehlt, ist die Ehrlichkeit des Politikers Joe Ventura: Ich würde mich als Berater definieren, der nicht berät."

*** Dass es so weitergeht, ist die Katastrophe, meinte einst Walter Benjamin. Über die nächsten 113 Tage freuen sich vor allem die Blogger, die die Sache mit Howard Dean begeistert verfolgten und nun ihre Register ziehen. Vermutlich werden die Parteien mitmischen und Journalisten anheuern. Das sind die Typen, die immer vorne links im Taxi sitzen. Aus den USA sind ihre Tarife bekannt geworden. 2500 Dollar verdient ein Journalist bei Gawker Media, mittlerweile als "Time Warner des Bloggings" berühmt. Dafür muss er oder sie 12 Einträge pro Tag produzieren. Produziert einer dieser Einträge richtig viele Hits, so gibt es auf der Galeere Aufschläge. Der Themen sind genug, wenn etwa der SPD-Rockmusikbeauftragte Sigmar Gabriel den feldhamsterliebenden Grünen die Schuld an den Niederlagen gibt. Jedoch ist schlüssig zu beweisen, dass Peter Hartz und die nicht nur von Programmierern verkorkste Hartz IV-Reform das Aus für Schröder bringt.

*** Reden wir über den nächsten Bundeskanzler Angela Merkel, der dieser Tage die Träume der Schwarzen befeuchtet. Es ist sehr einfach, diese Frau als Miss Griff abzukanzeln oder als Präsent der Birnenzucht zu verspotten. Die Dame ist nicht ohne Macht. Angelas Früchte wirken schon. Nehmen wir nur Kultur-bin-Ich Peter Harry Carstensen, ganz nach seiner Frontfrau, die den PISA-Test für Kultur andenkt und Deutschland in der Spitzenposition sieht. Während deutsche Unternehmen Schüler für ihre schlechtesten Zeugnisse belohnen, wird Frau Merkel die geistig moralische Wende einführen, Asip allerorten. Schluss mit der nörgeligen deutschen Mukophagie!

*** Heute vor vielen Jahren im letzten Jahrhundert begann der erste und einzige Besuch von US-Präsident Ronald Reagan in Moskau, im "Evil Empire", wie Reagan in Anspielung an Star Wars die Sowjetrepublik nannte. Reagan überreichte zu Begin seines Besuches UdSSR-Präsident Gorbatschow eine Liste der Menschen, die das Land verlassen wollten. Am Ende seines Besuches durften 300 gehen. In seinen Ansprachen, die übertragen werden mussten, zitierten Reagans Redenschreiber wieder und immer wieder Dostojewski und, besonders ausführlich, aus dem Archipel Gulag von Solschenizyn. Als Reagan die UdSSR erfolglos verließ, die Verhandlungen zum Atomwaffenkontrollvertrag verliefen ergebnislos, stand für viele Russen fest, dass der Kalte Krieg vorbei war. Ein Jahr später fiel die Mauer, und eigentlich wollte Angela Merkel im Kempinski Austern essen gehen. Die Hoffnung keimt, Angela Merkel könnte Putin Paroli bieten und den zweiten schweren Fehler von Schröder etwas korrigieren.

*** Wo wir bei den Jubiläen sind und der kurzzeitig lesbare FAZ-Content neckische Links bietet, sei auf den Geburtstag von John Fogerty gestern verwiesen. Der Mann, der mit Credence Clearwater Revival Rockgeschichte schrieb, unterschrieb einen der übelsten Knebelverträge der Musikindustrie. Wer immer die Veröffentlichungen dieser rundum verlogenen Branche über den geistigen Diebstahl liest, sollte jetzt Proud Mary auflegen. Wenn du an den Fluss kommst, drehen sich die großen Räder.

*** Es ist Sommer. Gibt es eigentlich ein Leben bei den heise.de-Foren Trollen, die OS Developer als Arbeitslose/Asoziale/Dreckige/Dumme/Schüler darstellen?. Natürlich gibt es das, doch weniger an den Badeseen, wo die ungewaschenen Opensourcler eintauchen. Bei unseren Nachbarn hat die Furcht vor deutschen Massenhacks die Absage eines Clan-Treffens verursacht, auf die der Chaos Computer Club noch stolz sein kann. Wenn Merkel längst im Datenklo heruntergespült ist, werden die deutschen Primitivhacker und -Häcksen dies als ihren Erfolg feiern, genauso wie beim Jubel über den renommiertesten Preis Deutschlands, der prompt zum Verkauf der Jubelarie zwingt, Merke, lieber Leser, liebe Leserin: Es sind alles Seiten einer Medaille. Das gilt auch für den Zoff um Open Source.

Was wird.

Im Mai-aktuellen Newsletter der Firma Orthus steht das schöne Bekenntnis: "Me, I'm no tough guy but I have my moments. I don't kill flies for instance, but I like to mess with their minds. I hold them above globes and watch them freak out thinking: Whoa, I'm way too high!" In diesem Sinne freuen wir uns, mit den Google-Maps wie die Fliegen auf den Trip zu gehen. Das fröhliche Sightseeing hat begonnen, und wer nicht nur der CIA auf's Dach schauen möchte, gibt einfach die Stichworte "Fort Mead md USA" ein und zoomt auf das Autobahnkreuz. Das ist doch interessanter als diese UFO-Geschichten. Überwachung tut not, formulierte in Anlehnung an Gorch Fock der Nochminister Otto Schily, der die Ausweitung der Video-Überachung zur kommenden Null-Toleranz-WM verkündete. Das kann Angela Merkel nur mit Pokalküsser Oliver Kahn als Innenminister toppen.

Proletarier aller Länder! Zur Urne, zur Urne! Das EU-Referendum ist eigentlich ein schlechter Witz. Wenn die Niederländer und Franzosen abstimmen, stehen die Deutschen hintan. Das rächt sich. Furchtbar. Sind wir eigentlich nicht alle kleine übelst diskriminierte Wurst-Roboter? Und so hammerbrutal kann die Rache aussehen: Ein Frosch-Klingelton erobert die Charts, noch vor den (zugegeben grauenvollen) Coldplayern. Das ist "Jamba nature" und so etwas wie die Rache an den Franzosen, die doch nur geschützte Vögel essen wollen. Angela Merkel wird es sicher richten und die Gebrüder Samwer statt Guido Westerwelle im Außenministerium installieren. Mit Klingeltönen von Nipplegate, äh, nö, von Curry-Doris. (Hal Faber) / (jk)