Mercedes C-Klasse Nummer Fünf: Everybody's Darling

Die C-Klasse ist Mercedes' volumenstärkstes Modell. Sie bestimmt damit das Bild, das Kunden von der Marke erhalten. Jetzt geht sie in eine neue Runde.

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Mercedes C-Klasse W206

Die neue C-Klasse soll wieder Maßstäbe setzen, sagt Mercedes. Doch einige Luxus-Optionen entfallen.

(Bild: Daimler)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Mutlos war Mercedes bei seinem Bestseller in der Vergangenheit nicht gerade: Der Bildschirm im Stil eines Tablets beim vorherigen Modellwechsel dürfte viele irritiert haben, ein Erfolg wurde das Auto dennoch. Bei der aktuellen Runderneuerung gehen die Maßnahmen viel weiter: Sechs- und Acht-Zylinder sind ebenso Geschichte wie die Luftfederung. Der Innenraum gleicht formal dem in der S-Klasse. Wer sich mit der ausgezeichneten Sprachsteuerung nicht anfreunden mag, wird die Umgestaltung des Armaturenbretts funktional möglicherweise nicht als Fortschritt empfinden. Mercedes dagegen betont noch mehr Komfort und Sicherheit in einem minimal größeren Auto.

Die nächste C-Klasse (intern: W206) wächst in allen Dimensionen außer der Höhe: Sowohl Limousine als auch T-Modell sind nun 4751 mm lang und 2033 mm breit über die Seitenspiegel. Davon profitiert vor allem die zweite Reihe mit 35 mm mehr Beinfreiheit und 13 mm mehr Kopffreiheit (T-Modell: 11 mm). Bei den Plug-in-Hybridmodellen fällt die Stufe im Laderaum weg, obwohl die Batterie üppige 25,4 kWh Kapazität bietet, was für rund 100 km elektrisches Fahren reichen soll.

Optional bietet Mercedes die von der S-Klasse bekannte Hinterachslenkung an, allerdings nur bis 2,5° Lenkeinschlag hinten. Mit dieser reduziert sich der Wendekreis trotz größerer Außenmaße auf 10,64 Meter (ohne: 11,07 m). Zudem zieht endlich das Infotainment-System MBUX in die C-Klasse ein, auf einem leicht zum Fahrer geneigten großen Mitteldisplay. An Motoren gibt es nur noch Vierzylinder, stets unterstützt von kleinen bis großen Elektromotoren und immer mit Neungang-Automatikgetriebe.

Mercedes bietet in dieser Generation nur noch Vierzylinder-Motoren mit Abgasturbolader an. Zur Wahl stehen der Benziner M 254 und der Dieselmotor OM 654 M. In C 180 und C 200 beträgt der Hubraum 1496 cm3 und die Nennleistung 125 kW (C 180) beziehungsweise 150 kW (C 200). Der C 300 holt aus 1999 cm3 190 kW. Die Dieselmotorvarianten unterscheiden sich nur in der Motorperipherie, der Hubraum liegt in allen Varianten bei 1992 cm3. Die Leistungen reichen von 120 kW im C 200d über 147 kW im C 220d bis hin zu 195 kW im C 300d.

Allen Motoren hilft der "integrierte Starter-Generator" (ISG) zwischen Motor und Getriebe. Dieser kleine E-Motor übernimmt die Aufgaben von Anlasser, Generator und Zusatzantrieb: Er bringt situationsbedingt kurzfristig bis zu 15 kW und bis zu 200 Nm zusätzlich auf die Getriebeeingangswelle. Ein 48-Volt-Teilnetz speist den ISG. C 200, C 300 und C 220d bietet Mercedes optional mit dem permanenten Allradantrieb "4matic" an, der zu höherer Effizienz überarbeitet wurde.

Mercedes W206 Außenansichten (10 Bilder)

Standardantrieb (Motor vorn treibt Hinterräder an), Kombi, fünf Türen: Mein deutsches Uhrwerk-Herz schlägt gleich mit 15 % höherer Taktzahl.
(Bild: Mercedes-Benz)

Besonders interessant klingt der Plug-in-Hybrid C 300e: 95 kW leistet der Elektromotor und soll mit einer 25,4-kWh-Batterie im Heck rund 100 km weit elektrisch fahren. Geladen wird mit bis zu 55 kW Gleichstrom am optionalen CCS-Stecker und serienmäßig mit bis zu 11 kW am Ladegerät für Wechselstrom. Da die Batterie nicht so groß ist, wird sie am Schnelllader laut Mercedes in unter 30 Minuten zu 100 Prozent voll. Beim Rekuperieren nimmt das System sogar kurzzeitig über 100 kW elektrische Bremsleistung auf, was die C-Klasse fürs Ein-Pedal-Fahren empfiehlt.

Mit dieser interessanten Kombination könnten die meisten Menschen fast alle Strecken elektrisch fahren. Auf der Langstrecke arbeitet dann der Zweiliter-Turbo-Vierzylinder, die Systemnennleistung beträgt satte 230 kW mit einem maximalen Systemdrehmoment von 550 Nm, was Firmenwagenfahrer freuen wird. Wir planen, dieses Auto in einem dreimonatigen Praxistest zu fahren, um herauszufinden, ob die Praxis die gut klingende Theorie bestätigt.

Die PHEV-Variante liest sich sehr interessant.

(Bild: Mercedes-Benz)

Mit dem Update zieht die aktuelle Generation des Infotainmentsystems MBUX in die C-Klasse ein. Besonderheit: Der große Mittelkonsolen-Bildschirm (zuerst in der Mercedes S-Klasse vorgestellt) neigt sich 6° in Richtung Fahrer, als Zugeständnis an die Art, wie die C-Klasse benutzt wird. Das ist ein Kompromiss aus Fahrerorientierung und dennoch problemloser Benutzung durch Beifahrer. Die Skins und Farbthemen auf Tacho- und Mittelbildschirm leiten sich von denen ab, die Mercedes jüngst in der S-Klasse vorstellte.

Die ausgezeichnete Sprachbedienung erkennt Nutzer an ihren Stimmen und erklärt das konkret gekaufte Fahrzeug, also zum Beispiel Dinge wie "Wo ist mein Verbandskasten?". MBUX spricht mit einigen Smart-Home-Systemen, die dann per Sprachsteuerung verfügbar sind. Beispiele wären "Ist jemand gerade bei mir im Haus?" oder "Stelle die Temperatur daheim auf 18 Grad!" über die Sprachsteuerung im Auto. Geräte von Bosch Smart Home und Samsung SmartThings sollten ab Verkaufsstart funktionieren, weitere Anbieter kommen Schritt für Schritt dazu.

Mercedes W206 Details (9 Bilder)

Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht: Es gab eh kaum C-Klassen ohne Vierzylinder. Hätten wir mehr Mehrzylinder gekauft, sähe die Planung heute vielleicht anders aus.
(Bild: Mercedes-Benz)

Um die Bedienung zu vereinfachen, fasst MBUX unter "Online Music" die "größten Musikanbieter" unter einem Menüpunkt zusammen. Der Kunde muss dann also wahrscheinlich nicht mehr wissen, aus welchem seiner drei Accounts die Musik jetzt kommt, die er hören will. Over-the-Air-Updates sollen den Funktionsumfang des Systems erweitern oder Fehler zeitnah beheben können. Als Sonderausstattung zeigt ein Augmented-Reality-Bild auf der Mittelkonsole Abbiegehinweise direkt auf dem Frontkamera-Feed an (bekannt aus der A-Klasse). Ebenso Sonderausstattung: das große Head-up-Display.

Die C-Klasse erhält mit dem Update viel Fahrhilfe-Software aus E- und S-Klasse, zum Beispiel verbesserte Spurhaltefähigkeiten auch auf Landstraßen, Rote-Ampel-Erkennung, die Bremsassistenten und die Objektverfolgung mit automatischer Rettungsgassen-Bildung im Stau. Der Anhängerrangier-Assistent hilft beim für Laien zunächst konterintuitiven Rangieren mit Hänger (Option im T-Modell).

Auch die passive Sicherheit folgt den großen Modellen. Bei einem unvermeidlichen Seitenaufprall schubsen die Vordersitze zum Beispiel die Passagiere rechtzeitig per Luftsack in Richtung Fahrzeugmitte, um Crash-Energie von ihnen zu nehmen. Zusätzlich schützt ein Mittenairbag beim Seiten-Crash zwischen den Vordersitzen vor Kopf-Zusammenstößen.

Das optionale Fahrlicht "Digital Light" stellt sich mit 1,3 Millionen winziger Spiegel pro Lampe auf die Situation ein. Es leuchtet das Geschehen optimal aus, ohne Gegenverkehr zu blenden. Erkannte Fußgänger werden mit Licht markiert, und die Lampen können sogar Muster projizieren. In Baustellen zeigen sie zwei Führungslinien in Fahrzeugbreite. Geisterfahrern zeigen sie eine Warnung an, ebenso wie beim Überfahren einer roten Ampel oder eines Stoppschilds.

Die neue C-Klasse folgt der Massennachfrage. Sie bessert an ihren Stärken nach und lässt Dinge weg, die ehrlicherweise nicht zu ihrem Erfolg beitrugen. Ich spreche von den Mehr-als-Vierzylindermotoren. Mercedes hat die Vorgabe "nur Vierzylinder" früh im Design festgeschrieben, sodass im Packaging auch später keine größeren Motoren unter die Haube passen. Für V6- oder V8-Motoren hätte die Front 5 cm länger werden müssen, und die zusätzliche Last auf der Vorderachse wirkte sich negativ auf die Fahrdynamik aus. Deshalb muss selbst die kommende AMG-Variante mit einem Vierzylinder vorlieb nehmen – aufgeladen, von einem E-Motor unterstützt, aber ohne die Geräuschkulisse eines V-Motors. Hier fließt vielleicht die eine oder andere Träne, doch dieses Ende der C-Klasse-Palette ist eine Nische.

Der größte Teil der Kundschaft darf sich über mehr Platz, Top-Infotainment, aktuelle Sicherheitstechnik und einen tatsächlich sinnvoll nutzbaren Plug-in-Hybrid-Antrieb freuen. Schließen wir also mit den Worten des Chefingenieurs der C-Klasse, Christian Früh: "Mehr Auto braucht man eigentlich nicht." Schlechte Nachrichten für die E-Klasse? Die neue C-Klasse steht voraussichtlich ab etwa Juni bei den Händlern. Der Plug-in-Hybrid folgt erst Ende des Jahres, das All-Terrain-Modell mit mehr Bodenfreiheit 2022.

(mfz)