Krabbel-Roboter kontrolliert Stromkabel

Wissenschaftler an der University of Washington haben einen Roboter entwickelt, der Störungen in Stromleitungen erkennen kann, bevor sie problematisch werden.

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Von
  • Kate Greene

Bevor eine wichtige Energieverbindung endgültig ihren Geist aufgibt, deuten sich die Probleme nicht selten schon vorher an. Das Problem: Viele kritische Leitungen verlaufen inzwischen unter der Erde, so dass man sie nur schwer überwachen kann, ohne sie gleich auszugraben. Da käme Energieversorgern ein Gerät gerade recht, das Leitungen automatisch überwacht. An der University of Washington (UW) in Seattle hat man es nun erfunden: In Form eines Roboters, der wie ein Käfer einen Kabelschacht entlang krabbeln kann.

"Die Überwachung ihrer Netze ist eine der Top-Prioritäten der Stromerzeuger. Wenn dann ein Kabel ausfällt, wird es oft enorm schwierig, die defekte Stelle zu finden. Dann muss man es ausbuddeln und reparieren", meint Don Von Dollen von der Stromversorger-Forschungseinrichtung Electric Power Research Institute (EPRI) in Kalifornien. Gute Diagnostiksysteme würden daher seit langem nachgefragt.

So testet man die Kabel etwa mit Spitzenspannungen, in dem man sie vorher vom Netz trennt. "Wenn das Kabel nicht in Ordnung war, wird es dann ausfallen", so Von Dollen. Diese alte "Brute Force"-Methode sei zwar nicht schön – allerdings ereigne sich der Ausfall dann wenigstens unter kontrollierten Bedingungen. Neuere Methoden sind da schon weicher – so gibt es etwa Radargeräte, mit denen sich Störungen erkennen lassen.

All diesen Überwachungsverfahren ist allerdings gemeinsam, dass der Mensch immer noch eingreifen muss. Die Forscher an der UW wollten das nun ändern: Ihr Spezialroboter soll die unter der Erde liegenden Kabel in Rohren und Schächten selbst "ablaufen" – und zwar völlig autonom. Der Käferartiger Roboter rollt auf kleinen Neopren-Rädern und wird von einem Batteriepaket gespeist. Die Kabel umfasst er eng mit drei Sensoren und scannt sie dann nach Verschleiß. Nutzbar ist das System allerdings sowieso nur für zehn Prozent der unter der Erde verlegten Kabel, die auch in Schächten und Rohren sitzen – der Rest wird noch immer gerne direkt eingegraben.

Allerdings seien die "mit Luft" verlegten Leitungen auch diejenigen, in denen es häufig zu unerwarteten Störungen komme, erklärt Alexander Mamishev, Professor für Elektroingenieurwesen an der UW und Leiter des Projektes. So tropfe nicht selten Wasser auf die Leitungen, was Fehler provoziere.

Die Überwachung der unterirdischen Leitungen stellte die Wissenschaftler vor mehrere Probleme. Erstens, erklärt Mamishev, sei diese Umwelt für einen autonomen Roboter zum Navigieren eher ungeeignet, da die Kabel über ihre oft Kilometer langen Strecken viele Biegungen, Kurven und Klammern überbrückten. Deshalb habe man dem Roboter auch ein Gyroskop eingebaut, um das Gleichgewicht zu halten. Gleichzeitig besitzt das Gerät noch stabilisierende Ärmchen. Der Roboter wird in mehreren Segmenten gebaut, ähnlich einem kleinen Zug. Er sitzt nur rund 7,6 Zentimeter über dem Kabel. Eines der Segmente enthält die Steuerung, das andere die Sensoren und die Datenverarbeitungseinheit.

Bei den Sensoren zur Bestimmung von Schadstellen setzt Mamishevs Team gleich auf mehrere Ansätze. Der Roboter besitzt einen Wärmesensor zur Erkennung warmer Stellen, einen akustischen Sensor zur Aufnahme von Geräuschen (etwa bei Entladungen) und einen elektrischen Sensor zur Erkennung von Feuchtigkeit, die durch die Isolierung gedrungen sein könnte. Außerdem ist eine Videokamera an Bord, um den Fortschritt zu überwachen.

Mamishev und sein Team brachten ihren Roboter vor kurzem nach New Orleans, um ihn bei einer NASA-Fabrikationsstätte von Lookheed Martin zu testen. Dort wurden mehrere Energieleitungen beim Sturm Katrina Salzwasser ausgesetzt, das die Isolierungen hätte angreifen können. Schäden wurden von dem Roboter allerdings nicht festgestellt. Der erste Feldtest half dem Projekt dennoch weiter: Er bewies, dass das Konzept funktioniert und sich der Roboter tatsächlich durch mehrere Kilometer lange Rohre kämpfen kann.

Dave Hawkins, Projekt-Manager beim für die dortigen Hochspannungsleitungen verantwortlichen Independent System Operator (ISO) in Kalifornien, hält das Konzept für "sehr spannend". Der Roboter könne dazu beitragen, die Verlässlichkeit der Systeme der Energieversorger zu erhöhen, falls er Kabel aufspüre, die ihre Lebensdauer überschritten hätten. "So kann man mögliche Schäden vorab erkennen. Die Kabel können dann geplant abgeschaltet werden, um sie zu reparieren. Das spart Zeit und Geld."

Von Dollen vom EPRI glaubt ebenfalls, dass das UW-Projekt auf der richtigen Weg ist: "Das ist ein interessanter Ansatz." Aufgrund der Größe des Roboters sieht er allerdings Schwierigkeiten bei besonders engen Rohren.

Mamishev will dem in der nächsten Generation mit einer weiteren Miniaturisierung begegnen. Dann wäre der Roboter nur noch 2,5 Zentimeter hoch. Doch auch mit der heute verwendeten Variante kann das Gerät bereits durch zahlreiche Rohre und Schächte krabbeln.

In den nächsten Monaten wollen die Forscher außerdem an neuen, flexiblen Stabilisatoren arbeiten, die das System noch zuverlässiger machen sollten. An Engstellen könnten die Ärmchen dann bruchfrei umgebogen werden, den Roboter dabei aber dennoch aufrecht halten. Zusätzliche Batterien sollen außerdem für eine längere Benutzungsdauer sorgen - womöglich wird der "Zug" auch noch um ein Segment ergänzt.

Eine Kommerzialisierung der Technik kann sich Forscher Mamishev relativ schnell vorstellen. Dies hänge vor allem vom Interesse der Partner aus der Industrie ab: "Wenn wir hier einen guten finden, könnten wir einen solchen Kabel-Prüfdienst bereits in einem Jahr anbieten."

Übersetzung: Ben Schwan (wst)