JAX 2011 im Zeichen evolutionären Wandels

Mit knapp 2000 Teilnehmern dürfte die JAX 2011 Deutschlands größte Entwicklerkonferenz sein. Ein Event solcher Größe organisatorisch und inhaltlich so ausgewogen zu betreuen ist nicht einfach. Als Erfolgsrezept dürfte der Kurs "nur" evolutionärer Veränderungen dienen.

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Von
  • Alexander Neumann
Inhaltsverzeichnis

Mit knapp 2000 Teilnehmern (inklusive Aussteller und Referenten) dürfte die JAX 2011 Deutschlands größte Entwicklerkonferenz sein. Ein Event solcher Größe organisatorisch und inhaltlich so ausgewogen zu betreuen wie die 2001 als "Konferenz für Java, Apache und XML" gestartete Veranstaltung ist nicht einfach. Als Erfolgsrezept dürfte der Kurs "nur" evolutionärer Veränderungen dienen.

Seit 2004, als ein spezieller Tag zu Projektmanagement-Themen der Konferenz vorgeschaltet wurde, setzt der Veranstalter, der Software & Support Verlag (S&S), auf sogenannte Special Days, die einen Themenkomplex in den bis zu zwölf parallelen Vortrags-Tracks der Konferenz herausstellen sollen. Dieses Jahr konnten sich die Teilnehmer in über 20 solcher "Days" auf Themen wie Agile, Cloud Computing, Spring, Eclipse, JavaScript, mobile Softwareentwicklung und Enterprise-Architektur-Management konzentrieren. Die Besucher waren aber nicht an ein Thema gebunden, sondern konnten innerhalb der Days wechseln.

Die obige kleine Auswahl an "Tagen" verdeutlicht, dass die einstige Java-Konferenz (schon länger) nicht mehr nur klassische Java-Themen besetzt, sondern sich als Fachkonferenz für das gesamte, damit einhergehende Ökosystem versteht. Die Java Virtual Machine (JVM) ist in vielen Fällen nur noch als zentraler, entfernter Ausgangspunkt für die Vorträge anzusehen. Den Bereich der Architektur- und Managementaspekte bedienen seit letztem Jahr die Business Technology Days, hinter denen – wie bei S&S meist üblich – ein eigenes Magazin steht. Früher gab es diese Themen unter der Marke SOACon.

Durch die große Masse an Vorträgen fanden sich nahezu alle wichtigen oder zeitgemäßen Themen des Java-Ökosystems im Programm wieder, ohne dass dabei die Praxisrelevanz außen vor blieb. Es sei nur auf Themen wie JavaServer Faces (JSF), JVM-Sprachen wie JRuby, Scala und Clojure, den ALM-Stack auf Open-Source-Basis, Java 7 und die Entwicklung für Android verwiesen. Neben solch "technischen" Themen kamen aber auch Themen für Projektleiter wie Scrum, Kanban und DevOps nicht zu kurz.

Ein glückliches Händchen hatte der Veranstalter damit, den Eclipse-Protagonisten Mik Kersten und den Hudson-Erfinder Kohsuke Kawaguchi gemeinsam an einem Tisch sitzen zu haben, als Oracle bekannt gab, das Continuous-Integration-System an die Eclipse Foundation übergeben zu wollen. Kawaguchi, der in Folge eines Streits mit Oracle den Hudson-Fork Jenkins mitgegründet hatte, zeigte sich von der Ankündigung sichtbar überrascht. Später brachte er in seinem Blog seine Enttäuschung zum Ausdruck. Offenbar hatte es, bevor es zum Fork gekommen war, auch mit Oracle Gespräche darüber gegeben, Hudson an eine neutrale Instanz wie die Eclipse Foundation zu geben. Unzufrieden zeigt er sich darüber, dass die Jenkins-Community nicht in die Gespräche mit der Open-Source-Organisation eingeweiht worden war. Der in die Gespräche offenbar involvierte Kersten hofft, dass beide Techniken unter dem Dach der Eclipse Foundation wieder zusammengeführt werden.

"Roter Faden": Das Schlagwort "evolution" wurde auch von Christian Heilmann verwendet.

Die Keynote-Vorträge hinterließen einen gemischten Eindruck. Am besten kam wahrscheinlich Christian Heilmanns Vortrag zu HTML5 an. Der Mozilla-Entwickler zeigte auf amüsante Weise, was mit HTML5 im Browser alles möglich ist, und verdeutlichte mit Video-Bearbeitungen und -Manipulationen nahezu in Echtzeit, dass die Zukunft im Web wohl HTML5 sein wird.

Nichts oder nur wenig Neues brachten die Keynotes von Oracle, SAP und Adobe. Der Vertreter des RIA-Spezialisten bot allein eine Produkt-Show, die in das kürzlich erschienene Flex 4.5 und den Flash Builder einführte. Und Brian Goetz, Oracles Architekt für die Java-Sprache, präsentierte Oracles Java-Strategie, die der neue Java-Statthalter bereits teilweise bis in die Slides identisch auf der letztjährigen JavaOne vorgestellt hatte. Im Zentrum der Java-Entwicklung stehen für Oracle die Schlagwörter Produktivität, Performance, Universalität und Integration, wobei die wirklich großen Sprachveränderungen nicht in dem für 28. Juli angekündigten Java 7, sondern Ende 2011 mit Java 8 zu erwarten sind. Oracles Ziel ist es, dass Java als Sprache und Entwicklungsplattform die Nummer eins bleiben wird, und seit der JavaOne im September 2010 ist das Bemühen Oracles um eine Weiterentwicklung deutlich zu beobachten.

Oracles Brian Goetz machte deutlich, dass es mit der Java-Entwicklung weitergeht.

SAPs Björn Goerke stellte den JAX-Teilnehmern SAPs drei strategische Geschäftsfelder Mobile, Cloud und In-Memory Computing vor, hinter denen die Walldorfer das größte Potenzial für Innovationen sehen. Darin folgte Goerke, bei SAP verantwortlich für die NetWeaver-Entwicklung, leider nur den Ankündigungen der letztjährigen SAP-Hausmesse Sapphire. Dem technikinteressierten Publikum hätte es sicherlich gefallen, mehr darüber zu erfahren, welche Implikationen sich beispielsweise durch SAPs In-Memory-Ansatz, mit dem sich große Datenmengen nahezu in Echtzeit analysieren und visualisieren lassen, auf ihre Arbeit ergeben könnten. Dem Marketing-getriebenen Vortrag half auch nicht die Erwähnung von SAPs Bemühungen im Open-Source-Umfeld. Auch sie sind schon seit längerer Zeit bekannt, und die Erwähnung von Open Source dürfte kaum noch eine Java-Community begeistern, ist ein Großteil der Java-Techniken sowieso Open Source, und nur noch in selten Fällen hört man von Unternehmen, die sich Open Source verwehren.

Die Bewertung von Open Source erfolgt bei SAP unter evolutionären Kriterien. Die Investitionen in Open Source müssten wie bei allen anderen Projekten des Unternehmens unter Berücksichtigung von Stabilität und Wartungszyklen von zehn Jahren geschehen. Dadurch verwundert es nicht, dass Open Source erst spät eine so große Bedeutung für SAP erlangt hat, wie es gut im Eclipse-Umfeld erkennbar ist, wo sich SAP nahezu bei allen neuen Entwicklungen zeigt. SAPs Erfolg über Jahrzehnte hinweg mag ein solches evolutionäres Herangehen an Neuerungen oder Innovationen rechtfertigen.

Die Entscheidung der Veranstalter, die JAX ebenfalls evolutionär zu verändern, zahlt sich schon länger aus. Viele der Teilnehmer kommen Jahr für Jahr wieder, was sich auch in ihrem Durchschnittsalter widerspiegelt. So wie die JAX mehr als eine Dekade auf dem Buckel hat, sind auch viele ihrer Besucher seit einem Jahrzehnt und mehr als Softwareentwickler unterwegs. Die JAX darf durchaus als Pflichtveranstaltung für das deutsche Java-Ökosystem gelten, sei es, um sich weiterzubilden, sei es, um Kontakte aufzufrischen. Das Letzteres besonderes für den inneren Zirkel der JAX gilt, wird daran deutlich, dass mancher wiederkehrende Referent kaum noch Zeit findet, die Sessions anderer zu besuchen, da er auf den Fluren nur noch von Gespräch zu Gespräch wandert – und das über drei und mehr Tage hinweg. (ane)