Innovationsmanagement

Innovationen lassen sich nicht erzwingen – aber durch sorgfältiges Management fördern. Die Kunst besteht darin, Kunden im Hier und Jetzt im Blick zu behalten.

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Von
  • Angela Froitzheim
  • Ulf J. Froitzheim

Innovationen lassen sich nicht erzwingen – wohl aber durch sorgfältiges Management fördern. Die Kunst besteht darin, Kunden im Hier und Jetzt im Blick zu behalten, ohne sich die Perspektive zu sehr einengen zu lassen.

Das Palo Alto Research Center, das 1970 gegründete Forschungszentrum des amerikanischen Fotokopierer-Pioniers Xerox, trägt nicht nur das Kürzel PARC, sondern es war damals auch so etwas wie ein Park: eine Spielwiese für Wissenschaftsfreaks in den grünen Hügeln des Silicon Valley, ein Themengarten für Visionäre. Wer dort arbeitete, war keine drei Meilen entfernt vom Campus der gloriosen Stanford University, aber komfortable dreitausend Meilen von der biederen Konzernzentrale an der Ostküste.

In ihrem flach gelegten Elfenbeinturm unter kalifornischer Sonne ersannen die Firmenforscher lauter geniale Dinge. Sie waren allerdings ihrer Zeit so weit voraus, dass die Xerox-Chef-kaufleute und Produktmanager auf der anderen Seite Amerikas damals etwa mit mausgesteuerten Computern und ihrer grafischen Benutzerführung nichts anzufangen wussten. Groß wurden mit solchen Innovationen andere. Zum Beispiel Steve Jobs, der im PARC die Inspiration für seinen Macintosh fand. Und Bill Gates, der seinen Megaseller Windows wiederum bei Jobs abschaute. Die Xerox Corporation dagegen ging in die Technikgeschichte ein als selbstlose Amme, die dem IT-Boom im Valley Nahrung gab. Oder als Lehrbeispiel für missratenes Innovationsmanagement.

Die Industrie, darunter Xerox selbst, hat daraus gelernt (siehe TR 4/2006). Dass ein Konzernvorstand hauseigene Wissenschaftler an der Technik von übermorgen tüfteln lässt, ohne sich ernsthaft dafür zu interessieren, was das dem Unternehmen bringt und wann, ist heute unvorstellbar. Kreative Vordenker und kühle Rechner leben nicht mehr in getrennten Sphären. Sprechen Firmenchefs von „Forschung und Entwicklung“ (F&E), drückt die Reihenfolge keine Rangordnung mehr aus, sondern nur noch den zeitlichen Ablauf eines mehr oder weniger strikt reglementierten Geschäftsprozesses.

Selbst in Weltkonzernen, für die ein elitäres Zentrallabor früher das höchste Statussymbol war, hat sich Pragmatismus breit gemacht. Dieser nimmt Marktnähe viel wichtiger als akademische Aushängeschilder. Der Zwang zum Effizienzdenken verlangt von den Forschungsmanagern heute die Fähigkeit, mit scharfem Blick zu schielen: Während sie den Fokus auf die kommende Produktgeneration richten, dürfen sie langfristige Trends, Chancen und Gefahren nicht aus den Augen verlieren.

Um diese Herausforderung zu meistern, hat jede Branche, jedes Unternehmen ein eigenes Rezept. Eine Grundzutat ist jedoch fast immer dabei: Teamwork. Forschungskooperationen mit Instituten, Zulieferern und Kunden sind Alltag, Alleingänge selten geworden. „Die grundlagenorientierte Arbeit sehen nur noch ganz wenige Unternehmen als ihre Aufgabe an“, sagt Michael Rothgang, stellvertretender Leiter des Kompetenzbereichs „Unternehmen und Innovation“ am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Den „Luxus“ des Selbermachens leiste man sich höchstens dort, wo es einen konkreten Bezug zur Praxis gebe. Ansonsten überlasse man die Grundlagenforschung lieber externen Professoren und nutze deren Erkenntnisse: „Die Vernetzung mit der staatlich geförderten Forschung in Universitäten und Instituten ist deutlich enger geworden.“ Bei ihren eigenen Aktivitäten konzentriere sich die Industrie stark auf kurz- bis mittelfristige Ziele.

Bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts begannen die Konzerne, ihre Forschungsapparate zu verschlanken und die Verantwortung an die für bestimmte Produkte zuständigen Unternehmensbereiche zu delegieren – nach der Devise „da kommt mehr bei rum“. Diese Philosophie, im Fachjargon „Divisionsforschung“ genannt, sei aber keine Patentlösung gewesen: „Dabei besteht die Gefahr, immer im gleichen Produktspektrum zu bleiben und keine neuen Ideen umzusetzen.“

Betriebsblindheit ist ebenso schädlich wie Ineffizienz. Daher geht der Trend in der Wirtschaft mittlerweile dahin, interne und externe, zentrale und dezentrale Forschung und Entwicklung so aufeinander abzustimmen, dass die Vorteile der jeweiligen Ansätze zum Tragen kommen. Niemand soll die Welt nur aus der Frosch- oder nur aus der Adlerperspektive sehen.

So ist die einst messerscharfe Kante zwischen abgehobenen Forschern und bodennahen Entwicklern stumpf geworden. Traditionelle Berufsbilder verschwimmen, promovierte Physiker arbeiten kollegial im Team mit Ingenieuren. Sogar habilitierte Forschungsmanager haben kaufmännisches Vokabular wie „Kerngeschäft“ in ihren Grundwortschatz aufgenommen und sprechen stolz über die Bedeutung ihrer Arbeit für die Wertschöpfung des Unternehmens.

Die Art, wie Unternehmen das Zusammenspiel zwischen Vordenkern und Machern organisieren, unterscheidet sich jedoch nicht nur von Branche zu Branche sehr deutlich, sondern sogar innerhalb eines Industriezweigs, etwa der Chemie. „Unsere F&E ist in vier klar abgegrenzte Technologie-Plattformen aufgeteilt, die konzernweit für ihr Kompetenzfeld verantwortlich sind“, erklärt Professor Dieter Jahn, Leiter der Abteilung Science Relations and Innovation Management der BASF in Ludwigshafen. Auf einer dieser Plattformen ist das Kunststoff-Know-how des Konzerns gebündelt, auf den anderen die Gebiete „Performance Products“ (Pigmente und Agrochemikalien), „Plant Science“ (Biotechnologie) und Chemische Großverfahren.

Die Mitarbeiter der Plattformen arbeiten dann für die Konzernsparten der jeweiligen Marktsegmente und werden aus deren Kassen bezahlt. „Das ist aber kein untergeordnetes Dienstleisterverhältnis, sondern eine Partnerschaft“, stellt Jahn klar. „Die Forschung hat einen...

Die Fokus-Artikel im Einzelnen:

  • Strategie: Forscher und Entwickler arbeiten so eng zusammen wie noch nie
  • Interview: Wie eine Anthropologin IT-Innovationen lenkt
  • Open innovation: Chancen und Grenzen der Offenheit
  • Ranking: Die 50 innovativsten Technologieunternehmen der Welt

(kd)