Ein Weihnachtsmenü, das das Leben verlängern soll

Es gibt Menschen, die schränken ihre Kalorienaufnahme bewusst ein, weil sie meinen, dadurch ihr Leben verlängern zu können.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Jason Pontin

Seit ungefähr 70 Jahren wissen Forscher, dass Laborratten deutlich länger leben, wenn ihre Futterversorgung auf ein bestimmtes Maß beschränkt wird – bei gleichzeitiger Versorgung mit ausreichend Nährstoffen. Mitte der Neunzigerjahre entdeckte dann der MIT-Molekularbiologe Leonard Guarente bei Hefe sowie Würmern ein bestimmtes Gen namens "SIR-2", das auf Kalorienreduktionen reagiert – es produziert ein Enzym, das lange DNS-Stränge abschalten kann, die mit dem Stoffwechsel und dem Alterungsprozess zu tun haben.

Einige Menschen versuchen, diese Erkenntnis für sich zu nutzen: Sie wollen "SIR-2" selbst aktivieren, in dem sie eine reduzierte Kalorienaufnahme mit optimaler Nährstoffversorgung kombinieren. In den USA werden solche Menschen als "CRONer" bezeichnet ("Caloric Restriction with Optimal Nutrition").

Zur Weihnachtszeit, in der die Menschen traditionell den leiblichen Genüssen fröhnen, wird es für CRONer jedoch besonders schwer. Technology Review fragte April Smith und Michael Rae, zwei dieser Extrem-Diätfans, welches Weihnachtsmenü sie verspeisen – und ob sie uns ihre Rezepte verraten könnten.

Wie viele andere CRONer auch kämpfen Rae und Smith gegen das allgemeine Vorurteil, ihre Kalorienreduzierung führe dazu, dass sie sich ständig mies fühlten. Selbst "SIR-2"-Entdecker Guarente sieht das aber so: "Die meisten Leute, die die Diät ausprobiert haben, finden sie unangenehm. Sie fühlen sich kalt, haben Hunger und sind reizbar."

Die CRONer Michael Rae und April Smith sehen das anders. Smith ist 31 Jahre alt, lebt in Philadelphia und ist in der Verwaltung der "Pennsylvania Association of Staff Nurses and Allied Professionals" beschäftigt, die Pflegepersonal vertritt. Sie probiert den CRON-Ansatz bereits seit Frühjahr 2004 aus. An den meisten Tagen nimmt sie ungefähr 1200 Kalorien zu sich. "Schon nach kurzer Zeit ergaben sich enorme Vorteile für mich. Ich werde nie krank, ich schlafe viel, viel besser und habe mehr Energie. Mein Körper fühlt sich großartig an", meint sie. Außerdem habe sie auch emotionale Veränderungen beobachtet, die schwerer zu erklären seien. Sie käme besser mit anderen Menschen zurecht, habe weniger Probleme mit Stress, sei geduldiger und weniger leicht irritierbar. Sie verliere zudem selten die Fassung.

Michael Rae ist 35 und lebt mit Smith zusammen in Philadelphia. Er ist Forschungsassistent bei Aubrey de Grey, dem berühmten (und ebenso umstrittenen) theoretischen Biologen aus Großbritannien, der meint, ein Heilmittel für den menschlichen Alterungsprozess gefunden zu haben. Normalerweise nimmt Rae etwas mehr als 1800 Kalorien am Tag zu sich. Er ist von den Möglichkeiten des CRON-Ansatzes etwas weniger überzeugt als Smith: "Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Erwachsener, der mit einer vertretbaren Kalorienreduzierung beginnt, höchstens ein oder zwei Jahrzehnte länger gesund leben kann. Das addiert sich zu den üblichen 5 Jahren, die man normalerweise gewinnt, wenn man allgemein einen ungewöhnlich gesunden Lebensstil pflegt." Für Rae ist der CRON-Ansatz vor allem eine "Brücke in die Zukunft", in der neue biotechnologische Methoden die Jugendlichkeit wesentlich länger bewahren können sollen.

Und was essen Rae und Smith nun an Weihnachten? Hier sind ihre Rezepte, aufgestellt pro Person.

Weihnachtssalat mit Haselnuss-Muskat-Dressing

20 Gramm Rucola: 5 Kalorien

37 Gramm Roter Pfeffer, geschnitten: 10 Kalorien

Dressing:

1 Teelöffel Haselnussöl: 80 Kalorien

4 Gramm Haselnüsse: 26 Kalorien

1 Esslöffel Balsamico-Essig: 8 Kalorien

Muskatnuss: 0 Kalorien

Vorgehensweise: Rucola auf einer Salatplatte anrichten und mit rotem Pfeffer dekorieren. Mit Haselnussöl und Balsamico-Essig beträufeln. Muskatnuss darüber zerreiben. Haselnüsse darauf anrichten.

Truthahnbrust mit Pilzsauce

128 Gramm Truthahnbrust, gebraten, ohne Haut: 160 Kalorien

Sauce:

1/4 Becher fettarmes Naturjoghurt: 28 Kalorien

1/3 Würfel salzlose Gemüsebrühe: 5 Kalorien

18 Gramm gefrorene asiatische Pilze: 4,5 Kalorien

1/4 Becher Wasser

Vorgehensweise: Gemüsebrühwürfel solange im Wasser köcheln, bis Brühe entsteht. Pilze dazugeben. Weiter köcheln lassen, bis ein großer Teil der Flüssigkeit verdampft ist. Vom Herd nehmen und mit Joghurt vermischen. Über die Truthahnbrust geben.

Preiselbeer-Gedicht

47 Gramm Preiselbeeren pro Portion: 23 Kalorien

Wasser, um die Preiselbeeren zu bedecken: 0 Kalorien

Süßstoff für den Geschmack: 0 Kalorien

Ingwerpulver für den Geschmack: 0 Kalorien

1/4 Zitrone (inklusive Schale), gehackt: 0 Kalorien

Vorgehensweise: Preiselbeeren kochen, bis sie aufplatzen und der größte Teil der Flüssigkeit verkocht ist. Zitrone, Süßstoff und Ingwerpulver für den Geschmack hinzugeben. Sollte sauer schmecken, aber nicht zu stark. Warm oder aus dem Kühlschrank servieren.

Blumenkohl-Kartoffelbrei

100 Gramm Blumenkohl pro Person: 25 Kalorien

2 Esslöffel fettarme Sour Cream pro Person: 25 Kalorien

Knoblauchpulver für den Geschmack: 0 Kalorien

1 Esslöffel Leinöl: 80 Kalorien

Vorgehensweise: Blumenkohl dünsten, bis er sehr weich ist. In der Sour Cream zerdrücken. Mit Knoblauchpulver versehen. Kurz vor dem Servieren mit Leinöl beträufeln (nachdem er vom Herd genommen wurde).

Kürbis a la Jack Daniels

1 Becher Kürbis aus der Dose pro Person: 80 Kalorien

5 Milliliter Jack Daniels pro Person: 15 Kalorien

Süßstoff für den Geschmack: 0 Kalorien

Zimt: 0 Kalorien

Halbes Salz: 0 Kalorien

Vorgehensweise: Kürbis und Jack Daniels in einer Saucenpfanne miteinander vermischen, leicht kochen lassen. Für den Geschmack eine Spitze halbes Salz, Süßstoff und Zimt dazugeben. Hitze absenken und für eine halbe Stunde köcheln lassen. Heiß servieren und falls gewünscht mit Zimt und Muskatnuss bestreuen.

Zimt-Ricotta-Käsekuchen

1/4 Becher fettarmer Ricotta-Köse: 45 Kalorien

30 Gramm "EggBeaters": 15 Kalorien

1/2 Teelöffel Vollkornweizenmehl: 12,5 Kalorien

1/2 Zwei-Teelöffel-Paket Süßstoff: 0 Kalorien

1/4 Kappe Vanilleextrakt: 0 Kalorien

1 kleiner Teelöffel Ingwerpulver: 0 Kalorien

Vorgehensweise: Alle Zutaten vermischen und umrühren, bis sie eine weiche Konsistenz haben. In eine haftresistente Kuchenform geben. 30 Minuten bei 190 Grad backen, bis die Oberfläche leicht braun und locker ist. Aus dem Ofen nehmen und abkühlen lassen.

Kalorienreduzierter Punch

3 Unzen Pinot Noir (knapp 90 Gramm): 64 Kalorien

1 Becher Diät Kirschlimonade: 0 Gramm

Das gesamte obige Abendmenü umfasst nur 629 Kalorien. Da Michael Rae an diesem Tag zum Frühstück 622 Kalorien aufnimmt und zum Mittagessen 592, erreicht der Gesamtkalorienbestand mit 1843 Kalorien nur wenig mehr als seinen Durchschnittswert von 1787 Kalorien.

Der geringe Kalorienwert ist aber nur ein Vorteil dieses Menüs. Mit Hilfe eines interaktiven Diätplaners bestimmten Rae und Smith die Nährstoffwerte des Menüs. Raes Essen enthält viel Protein, wenig ungesunde Fette und zahlreiche Vitamine und Spurenelemente. Er nimmt beispielsweise 43 Gramm Protein auf, aber nur ein Gramm gesättigte Fette. Er verzehrt 48 Prozent der empfohlenen Höchstmenge an Eisen, 229 Prozent der empfohlenen Vitamin C-Menge und 691 Prozent des Lysins. Und das sind nur 3 von 39 verschiedenen Nährstoffen, die Rae und Smith überwachen.

April Smith isst die gleiche Portion Salat, Sauce, Preiselbeere und Käsekuchen wie Rae, lässt aber das Haselnussöl beim Salat weg, was ihr 40 Kalorien spart. Außerdem isst sie nur die halbe Truthahnbrust (80 Kalorien gespart) und lässt den Jack Daniels-Kürbis links liegen (95 Kalorien gespart). Dafür nimmt sie mehr Alkohol als Michael Rae zu sich: Sie nimmt 180 Gramm Wein zu sich statt 90, was die Kalorienzahl um 64 Kalorien erhöht. Ihr Weihnachtsmenü umfasst damit insgesamt 479 Kalorien. Wenn sie zum Frühstück 260 Kalorien aufnimmt und zum Mittagessen 351, hat sie am ganzen Tag insgesamt nur 1090 Kalorien zu sich genommen, was sogar noch weniger ist, als ihr Durchschnittswert von 1200 Kalorien - Smith ist deutlich tugendhafter als Rae.

In der amerikanischen Technology Review-Redaktion stieß das kalorienreduzierte Weihnachtsmenü von Rae und Smith zum Teil auf Ablehnung. "Eher sterbe ich jung, als das zum Fest essen zu müssen", meinte ein Redakteur. April Smith und Michael Rae halten ihr Mahl jedoch keinesfalls für karg oder unschmackhaft: Sie bereiten und verzehren es äußerst gerne.

Von Jason Pontin; Übersetzung: Ben Schwan. (wst)